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Vertraglichen Gestaltungsspielraum nutzen

Recht beim Einkauf von IT-Leistungen
Vertraglichen Gestaltungsspielraum nutzen

Bei der Beschaffung von Software und Hardware sowie IT-Dienstleistungen müssen Einkauf und IT-Abteilung gut zusammenarbeiten, trotz widerstreitender Interessen. Die Verträge wollen optimal vorbereitet sein – erst recht, wenn es um komplette Outsourcing-Maßnahmen geht. Vendormanagement, Datenschutz und Insolvenzrisiko sind weitere Punkte, die es zu beachten gilt.

Die einen möchten das Beste, die anderen das Günstigste. „Es besteht ein grundsätzliches Spannungsverhältnis zwischen Bedarfsträger und Beschaffer“, bestätigt Ingolf Zies, Partner und Leiter der Praxisgruppe IT bei der Unternehmensberatung Bain & Company. Dieses Dilemma schlägt sich auch im Vertrag mit dem Soft- oder Hardwareanbieter nieder. „Der Einkauf möchte einen wasserdichten Vertrag, der den Lieferanten preislich stark bindet. Sind jedoch im Nachhinein auf Wunsch der IT Ergänzungen im Leistungsumfang erforderlich, so werden diese vom Vendor meist extrem hochpreisig angeboten.“ Die Machtverhältnisse kehren sich um und der Lieferant diktiert plötzlich die Preise.

Flexibel und unabhängig bleiben

„Bessere Ergebnisse erzielt man, wenn die Einkaufsabteilung modern denkt und die Verbesserung des gesamten Vendor-Portfolios im Auge hat“, so Zies weiter. „Gemeinsames Ziel sollte es sein, eine Lieferstruktur aufzubauen, die Wettbewerb entstehen lässt durch zwei oder drei Lieferanten.“ Nur so erreiche man im Unternehmen die gewünschte Agilität und Flexibilität und vermeide den klassischen Lock-in-Effekt. Das sollte sich auch in der Vertragsgestaltung niederschlagen. „Man muss das Vertragsgebilde flexibel halten“, sagt Rechtsanwalt Dominik Eickemeier. Der auf Informationstechnologie spezialisierte Jurist aus der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek in Köln nennt als Beispiel die beliebten „Pay per Use“-Modelle. Hier müssten die Entwicklungen des Unternehmens – Personalabbau etwa oder die Einrichtung neuer Standorte – im Vertragsgefüge abgebildet werden können, sodass nicht zu große Mengen im Voraus eingekauft werden müssen.

Herausforderung Outsourcing

Besondere Sorgfalt ist angezeigt, wenn ganze IT-Leistungen ausgesourct werden sollen. „Make or buy“ ist die vorab zu stellende Frage. Hat man sich für „Buy“ entschieden, können bereits bei der Ausschreibung des Auftrags die Weichen richtig gestellt werden, indem man die Anforderungen der IT rechtlich einbettet und eine strukturierte Vergabe plant. Ein „Non-Disclosure Agreement“ (NDA) verpflichtet die potenziellen Bieter zur Verschwiegenheit. Dann sollte ein „Request for Proposal“ (RfP) folgen, das erste Informationen zum Unternehmen, zum Vergabeverfahren sowie zu den angeforderten technischen Leistungen gibt. „Ganz entscheidend ist dann die Vorgabe eines zentralen Ausschreibungsdokuments: des Vertrages, den der Bieter mit dem Ausschreibenden schließen soll“, sagt Anwalt Eickemeier. „Nur wenn das Vertragswerk allen Bietern vorgegeben wird, lassen sich alle Angebote vernünftig vergleichen.“

Ungleichgewicht der Vertragspartner

Was so einfach klingt, bereitet gerade beim Einkauf von IT-Leistungen Schwierigkeiten, denn die Bieter, oftmals Big Player auf dem IT-Markt, verweisen gerne lapidar auf ihre Standarddokumente und die eigenen Leistungsverzeichnisse und Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). „So können Leistungslücken einfach kaschiert werden“, warnt Anwalt Eickemeier. „Es droht die Gefahr, dass dies im Vergleich der Angebote nicht auffällt und damit nicht richtig bewertet wird.“

Doch selbst wenn eine proaktive Vertragsgestaltung wegen des Ungleichgewichts der Vertragspartner nicht möglich ist, muss man sich nicht alle Bedingungen einseitig diktieren lassen. „Als Kundenunternehmen sollte man zumindest versuchen, besonders nachteilige Regelungen aus dem Vertrag herauszuverhandeln“, rät Thomas Kriesel, Bereichsleiter Steuern, Unternehmensrecht und Unternehmensfinanzierung beim Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (bitcom).

Die Musik spielt bei den – meist sehr umfangreichen – Vertragswerken üblicherweise im Anhang, wo der eigentliche Leistungsumfang wie Leistungsscheine, Service Level Agreements und technische Anforderungen verortet ist. „An dieser Stelle kann sich der Einkauf profilieren, wenn er für den Bedarfsträger zum Berater wird“, sagt Bain-Experte Zies. „Hat er ausreichend Wettbewerbskenntnisse, kann er die Anforderungen der IT einpreisen und darüber hinaus auch Preisschilder an mögliche Varianten hängen.“ Zentraler Vertragsbestandteil sind die Service Level Agreements, die den Umfang des Services festlegen. Größere Anbieter haben meist mehrere Stufen mit festen Bestandteilen im Angebot. Um stets die optimale Leistung zu erhalten, ist auch ein individuelles Ausverhandeln dieser Leistungsparameter möglich. „Königsdisziplin“ nennt Anwalt Eickemeier das. Er rät dazu, auch für die Performance Messgrößen festzulegen. „Das deutsche Gewährleistungsrecht hat Schwierigkeiten, schlechte Performance zu pönalisieren, deshalb müssen hier andere rechtliche Parameter gefunden werden“, so der Jurist.

Cloud-Services – das sagt der Anwalt

Die neue Datenschutz-Grundverordnung hat die Sensibilität und Aufmerksamkeit beim Umgang mit Daten erhöht und dafür gesorgt, dass Anbieter und Kunden derzeit auf aktuellstem Stand sein dürften. Doch neben dem Datenschutz ist für den Einkäufer noch ein anderer Aspekt beim Buchen von Cloud-Services wichtig. „Wir warnen vor dem unbedachten Verschieben von Unternehmensdaten in Cloud-Dienste, denn die Gefahr der Abhängigkeit von einem einzigen Anbieter ist extrem groß“, sagt Thomas Schneider, Einkaufsexperte bei Bain & Company. „ Der Einkauf hat hier die fundamental wichtige Aufgabe, eine Single-Source-Situation zu vermeiden.“ Wichtig sei außerdem, dass kritische interne Unternehmensdaten auch inhouse blieben. „Bei Business Analytics raten wir eindeutig zum Insourcing.“

Damit hat man auch für den Fall der Insolvenz des Dienstleisters vorgesorgt. Zwar sind IT-Dienstleister grundsätzlich substituierbar, da viele Leistungsbestandteile standardisiert sind und schnell auf einen anderen Anbieter übertragen werden können. Doch bei komplexeren Leistungen geht der Trend dahin, sich vorzubehalten, mit eigenem Personal bei den vergebenen Leistungen mitzuwirken. Damit gelingt in guten Zeiten das Überwachen und Führen des Auftragnehmers besser und in schlechten Zeiten, also im Falle einer Insolvenz oder vorzeitigen Vertragsbeendigung, ist man schnell in der Lage, wieder selbst zu übernehmen. „Sofern der Dienstleister in nennenswertem Umfang Software entwickelt, sind die Einräumung der Nutzungsrechte sowie die Übergabe des Source Codes äußerst wichtig“, ergänzt IT-Rechtler Eickemeier. Sicherheitshalber sollten die Modalitäten eines möglichen Übergangs bei Vertragsende, Insolvenz etc. schon im Vertrag geregelt sein. Und einen ganz handfesten Tipp hat bitcom-Mann Kriesel noch, um im Insolvenzfall besser geschützt zu sein: „Keine hohen Vorauszahlungen leisten.“


Checkliste

Vertragsinhalte

… bei der externen Betreuung einer IT-Infrastruktur. Thomas Kriesel vom Branchenverband bitcom rät, was bei der externen Betreuung einer IT-Infrastruktur vertraglich geregelt sein sollte:

  • genaue und detaillierte Leistungsbeschreibung
  • Service Levels
  • Vergütung
  • Zahlungsmodalitäten
  • Laufzeit
  • Pflichten bei Vertragsende/Insolvenz
  • Mitwirkungspflichten des Kunden
  • Datensicherung
  • Leistungsstörungen
  • Haftung
  • Datenschutz
  • ggf. Einräumung von Nutzungsrechten
  • (wenn datenschutzrechtlich erforderlich:) Abschluss eines zusätzlichen Auftragsverarbeitungsvertrages

Der Einkauf möchte einen wasserdichten Vertrag, der den Lieferanten preislich stark bindet. Sind jedoch im Nachhinein auf Wunsch der IT Ergänzungen im Leistungsumfang erforderlich, so werden diese vom Vendor meist extrem hochpreisig angeboten.“
Ingolf Zies, Bain & Company


Anja Falkenstein, Rechtsanwältin, Karlsruhe

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