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Einkaufsrecht und der Frachteneinkauf

Einkaufsrecht
Vorsicht beim Frachteneinkauf

Die Digitalisierung vereinfacht nicht nur das Buchen von Transportdienstleistungen über Online-Plattformen, sondern beflügelt auch Betrüger und Langfinger. Man hat es jetzt mit raffinierten Banden zu tun, die Fracht mithilfe des Internets erschleichen. Einkaufs-Know-how kann hier helfen.

Moderne Frachträuber arbeiten professionell, international und mit großem technischen Sachverstand. Sie nutzen die Anonymität elektronischer Kommunikationswege, um Lieferketten physisch und digital zu infiltrieren. Das Ausmaß der Diebstähle über Online-Frachtenbörsen ist noch nicht genau zu beziffern; sicher ist aber, dass ihr Anteil an den jährlich rund zwei Milliarden Euro Schadenssumme durch Frachtdiebstähle in Deutschland steigt. „Die Schäden in diesem Bereich sind oft immens, da in der Regel komplette Lkw-Ladungen verschwinden“, sagt Anja Käfer-Rohrbach, stellvertretende Geschäftsführerin des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V.

Frachtführer werden vorgetäuscht

Der sogenannte Phantomfrachtführer oder Fake-Carrier hat sich als lukratives Geschäftsmodell für international tätige Banden entwickelt. Dabei geben sich die Täter auf Online-Frachtenbörsen und Vermittlungsplattformen im Internet als Transportunternehmen aus und erschleichen sich reguläre Transportaufträge. Die Warenübernahme selbst läuft dann wie gewohnt ab und alles deutet auf einen regulären Transport hin. Doch sobald der Lkw mit der unter Umständen kostbaren Fracht den Hof des Absenders verlässt, führt der Weg nicht mehr zum Empfänger, sondern mehr oder weniger direkt – manchmal sogar unter Einschaltung weiterer gutgläubiger und legaler Subunternehmer – auf den Hof des Hehlers.

„Organisierte Kriminalität“ im wahrsten Sinne des Wortes, denn die Logistik hinter den Taten umfasst neben einem eigenen Fuhrpark samt Fahrern auch ausreichende Lagerkapazitäten im Hinterland und ausgeklügelte Vertriebswege für das Diebesgut.

Aktuelle Probleme befördern den Betrug

„Das Phänomen ist in den Jahren der Pandemie wieder verstärkt aufgetreten, während der klassische Ladungsdiebstahl mittels Planenschlitzen durch die Grenzschließungen und stärkere Kontrollen zurückgegangen ist“, weiß Niels Beuck, Geschäftsführer und Leiter Sicherheitspolitik im DSLV Bundesverband Spedition und Logistik. Die Banden profitieren von mehreren Störfaktoren, mit denen die Transportbranche aktuell zu kämpfen hat. So finden in Corona-Zeiten aufgrund gestörter Lieferketten auch Gegenstände des täglichen Bedarfs schnell Absatz, die Täter müssen sich nicht mehr auf – womöglich besser gesicherte – Transporte hochwertiger Güter fokussieren. Auch der Fahrermangel sorgt für Engpässe bei Verbrauchsgütern, die damit zum begehrten Diebesgut werden. Und er führt dazu, dass Ladungen häufig an Sub-Sub-Unternehmer weitergegeben werden, bei denen sich die ursprünglich am Transport beteiligten Parteien – Verlader, Spediteur, Frachtführer – nicht mehr kennen und die Unterbeauftragung für den Auftraggeber schwer nachzuvollziehen ist. „Aufgrund des knappen Laderaums, insbesondere zu Hochzeiten wie dem Weihnachtsgeschäft, werden Unternehmen unvorsichtig bei der Auswahl ihrer Transportunternehmen“, warnt Experte Beuck.

Digitale Anonymität wird ausgenutzt

Online-Plattformen sind ideale Tummelplätze für die Täter. Hier lassen sich Informationen abziehen und schlimmstenfalls ganze Identitäten stehlen, ohne dass dies sofort überprüfbar wäre. Entweder man gibt sich telefonisch oder per Mail als Mitarbeiter eines renommierten Transportunternehmens aus und sichert sich die inserierten Frachtaufträge. Oder – etwas aufwändiger – man hackt sich in das IT-Netz eines Transportunternehmens oder eines Verladers ein und verschafft sich Passwörter, Online-Zugänge und die Details eines Auftrags, den man dann mit dem eigenem Personal „abwickelt“. Weitere Möglichkeit: Man gründet ganz unverfroren eine Scheinfirma, mit der man am Transportmarkt auftritt und so lange Ladungen stiehlt, bis man auffliegt. All dies wird praktiziert. Bei großen Versicherern sollen derzeit annähernd 600 Scheinfrachtführer bekannt und gelistet sein.

Einkaufswissen ist gefragter denn je

Nur die sorgfältige Auswahl und aufmerksame Überprüfung des Auftragnehmers kann vor Schaden schützen. Einkäufer kennen diese Anforderungen vom Lieferantenmanagement und haben entsprechendes Know-how aufgebaut. „Der strategische Einkäufer bringt Methodenwissen im Bereich Lieferantenrecherche, Ausschreibungsmanagement, Kommunikation, Verhandlungen und Vertragswesen mit. Er verfügt über gute analytische Fähigkeiten, die bei der Auswertung von Angeboten, bei der Erstellung von Spezifikationen und bei Service Level Agreements benötigt werden“, sagt Christian Faulstich, Geschäftsführer und Mitgründer von Faulstich & Rupp, die zum strategischen Frachteinkauf beraten. Doch nicht immer ist der Einkauf für die Beschaffung von Transportkapazitäten zuständig, sondern die Vergabe in der Produktion oder Logistik angesiedelt. „Der heutige Frachteinkauf kann positiv weiterentwickelt werden, wenn man die Kräfte in Einkauf und Logistik bündelt“, ist sich Faulstich sicher.

Ein funktionierendes Risikomanagement muss auch beim Frachteinkauf die Redlichkeit des Dienstleisters sicherstellen. Dabei punkten Anbieter, die Sendungsverfolgung in Echtzeit, Track & Trace oder Geo-Fencing anbieten.

Sorgfältige Überprüfung erforderlich

„Als vertrauensbildende Maßnahme bei einem neuen Kunden sollte ein Transportunternehmen Nachweise vorlegen, beispielsweise Referenzen zu durchgeführten Transporten, Versicherungsbestätigungen, Lizenzen und Genehmigungen, vollständige Firmendaten inklusive Handelsregisterauszug“, empfiehlt Versicherungsexpertin Käfer-Rohrbach. Auch Kopien der Ausweispapiere des im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführers zum Nachweis seiner Identität seien ratsam, und zwar als gut lesbare und schwerer fälschbare Farbkopien. All das sollte problemlos eingefordert und von den redlichen Akteuren auf dem Transportmarkt anstandslos zur Verfügung gestellt werden können. Verlader dürfen sich auch vor gründlichen Kontrollen auf dem Hof nicht scheuen, Transportunternehmer sollten sich darauf einstellen und ihre Fahrer entsprechend ausstatten.

Der Schutz von Online-Beschaffungsaktivitäten fällt in den Bereich der IT- und Cybersicherheit, für die jedes Unternehmen selbst zu sorgen hat. Da der Einzelne gegen die organisierte Kriminalität beim Ladungsdiebstahl machtlos sein kann, gibt es zahlreiche Initiativen der großen Verbände in der Transportbranche, die mehr Sicherheit für Lkw, Ladung und Fahrer fordern.

Während Überfälle auf Fahrer, Aufschlitzen und Ausräumen von Lkw sowie das Stehlen ganzer Anhänger zahlenmäßig gut erfasst sind, fehlt es beim online eingefädelten Betrug und Diebstahl noch an verlässlichen Zahlen, um ein aussagekräftiges Lagebild erstellen zu können. So gibt es keine einheitliche statistische Erfassung solcher Delikte auf Landes- oder EU-Ebene. „Wir befürworten eine zentrale Meldestelle bei der Polizei, damit nach einem Vorfall, der in der Regel relativ schnell entdeckt wird, sofort Fahndungsmaßnahmen erfolgen können“, sagt DSLV-Geschäftsführer Beuck. „Die föderale Struktur von Polizei und Staatsanwaltschaft und eine mangelnde Kenntnis über das Phänomen erschweren die Aufklärung der Tat und die Abschreckung der Täter.“ Dabei ist die Gefahrenabwehr sowie die Verhütung und Verfolgung von Straftaten primäre Aufgabe des Staates und der Strafverfolgungsbehörden.


Die Autorin: Anja Falkenstein,

Rechtsanwältin, Karlsruhe


Serie Einkaufsrecht

RA Anja Falkenstein stellt aktuelle und einkaufsrelevante Rechtsthemen vor.

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