Startseite » Einkauf »

Was die Industrie von Amazon & Co. lernen kann

Daten analysieren, Einsparpotenzial heben, Wettbewerbsvorteile sichern
Was die Industrie von Amazon & Co. lernen kann

Was die Industrie von Amazon & Co. lernen kann
Viele Beispiele zeigen: Datentransparenz führt zu Einsparungen. Bild: C. Castilla/Stock.adobe.com
Produzierende Unternehmen generieren große Datenmengen. Doch sie sind sich meist weder bewusst, auf welchem Schatz sie sitzen, noch wissen sie, wie sie ihn heben können. Durch eine datengetriebene Ausrichtung des Einkaufs sind erhebliche Kosteneinsparungen möglich.

Der Russland-Ukraine-Krieg mit dramatisch gestiegenen Kosten für Energie, Rohstoffe und Lebensmittel sowie die hohen Inflationsraten von bis zu 8 Prozent erschüttern die Wirtschaft weltweit. Doch selbst in solchen Zeiten, in denen es immer schwieriger wird, Material kostengünstig zu beschaffen, lassen viele Industrieunternehmen ein großes Potenzial ungenutzt liegen: ihre Daten. Dabei können Datenanalysen helfen, Kosten bei Einkauf, Service, Konstruktion und Entwicklung einzusparen.

Tech-Firmen wie Google, Apple und Amazon gehören zu den wertvollsten Unternehmen der Welt. Sie alle haben eins gemeinsam: Ihr Geschäftsmodell ist datengetrieben. Die Firmen sammeln die Daten der Kunden und werten sie gezielt aus. So speichert beispielsweise Amazon nicht nur, was Kunden auf der Shoppingplattform kaufen, sondern auch, was sie sich dort anschauen, wie lange sie auf der Seite verweilen und wo sie ihre Spuren im Netz hinterlassen.

Daten nutzbar machen und Prozesse automatisieren

In vergleichbarer Weise sitzen auch produzierende Unternehmen auf einem Datenschatz: Viele Produkte werden in einem 3D-CAD-System digital abgebildet und in 2D-Zeichnungen visualisiert. Weitere Datenquellen im Unternehmen sind das ERP-System, das Customer-Relationship-Management, das Produktdatenmanagement und nicht zuletzt Word-, Excel- und PowerPoint-Dokumente. Doch trotz dieser Vielfalt werden die Daten im täglichen Geschäft viel zu wenig genutzt, um zum Beispiel Strategien und Maßnahmen zu entwickeln, wie die Beschaffungskosten reduziert und mögliche Risiken identifiziert werden können.

Das Schweizer Unternehmen Shouldcosting hat analysiert, dass heute nur rund acht Prozent der vorhandenen Unternehmensdaten effektiv genutzt werden. „Ungenutzte Daten sind der Grund, warum beispielsweise Maschinenbauer in der Regel nicht wissen, welchen Einfluss z. B. die Genauigkeit und das Gewicht eines Bauteils auf den Preis haben“, sagt Hans-Peter Gysel, Geschäftsführer der Shouldcosting GmbH. Die Mitarbeitenden im Einkauf bleiben eine Antwort schuldig, weil ihnen schlichtweg die notwendige Transparenz über Daten fehlt, die

  • an unterschiedlichen Orten gespeichert,
  • häufig doppelt und dreifach abgelegt und
  • oft unvollständig oder fehlerhaft sind.

Hans-Peter Gysel: „Mit Data-Mining und maschinellem Lernen ist es möglich, Lösungen für ein datengetriebenes und automatisiertes Kostenmanagement zu finden, um strategische Fragestellungen auf Knopfdruck zu beantworten.“

Faktenbasierte Entscheidungen treffen

Der erste Schritt, um zu automatisierten, datengetriebenen Prozessen und validen Aussagen zu kommen, ist die Aufarbeitung heterogener Daten im Hinblick auf Qualität, Konsistenz und Verwertbarkeit. Mit den entsprechenden Dienstleistungen und der passenden Software können hunderttausende 3D Modelle, 2D Zeichnungen und ERP-Daten innerhalb weniger Wochen vollautomatisch in eine für Algorithmen nutzbare Form gebracht werden. Würden Mitarbeitende diese Arbeit händisch erledigen, wäre der Zeitaufwand nicht nur um ein Vielfaches höher, sondern das Ergebnis auch erneut mit Fehlern behaftet. Die Software garantiert dagegen eine über 90-prozentige Genauigkeit, Objekte aus 3D-Daten, Bildern und Zeichnungen zu erkennen und zu interpretieren. Bei diesem Vorgang werden zusätzlich Artikel in Warengruppen eingeteilt. Ob nach e-Class, UNSPSC oder eigene Warengruppen ist wählbar.

Die generierten Daten geben nicht nur Auskunft über den Zusammenhang zwischen technischen Ausprägungen und dem Preis von Komponenten, sondern liefern auch Informationen,

  • wie viele ähnliche Artikel das Unternehmen in vergleichbaren Stückzahlen bei unterschiedlichen Lieferanten zu unterschiedlichen Preisen und Konditionen gekauft hat,
  • wie hoch das Einsparpotenzial in Warengruppen und einzelnen Artikeln ist,
  • welchen Einfluss gewisse Parameter (zum Beispiel Form- und Lagetoleranzen) auf den Preis haben
  • welche Systematik Lieferanten bei der Preisgestaltung nutzen.

Lemken: Analyse von 30.000 Artikeln

Das Beispiel des Landtechnikherstellers Lemken belegt, dass Datentransparenz zu Einsparungen führt. In einem gemeinsamen Projekt mit Shouldcosting und Staufen wurden insgesamt 30.000 Artikel analysiert. „Durch den Einsatz der Software haben wir Antworten auf Fragen erhalten, die vorher außerhalb unserer Möglichkeiten lagen“, sagt Stefan Zimpelmann, Head of Purchasing bei Lemken.

Für die Analyse stellte Lemken die notwendigen Inputdaten wie 3D-CAD Modelle und 2D-Zeichnungen zur Verfügung. Innerhalb weniger Wochen lagen bereits Ergebnisse vor. Die Analyse zeigte unter anderem, welche Lieferanten Potenziale für Einsparungen bieten und bei welchen Artikeln nachverhandelt werden sollte. Stefan Zimpelmann: „Wir wissen jetzt, dass ein Zulieferer bei 80 Prozent der gelieferten Produkte – gemessen an der technischen Wertigkeit der Artikel – zu hohe Preise verrechnet. Zudem wurde klar, welche Artikel Lemken verlagern sollte, da Lieferanten für die Herstellung spezifischer Artikel eher nicht geeignet sind. Stefan Zimpelmann: „Dank der Fakten verfügen wir jetzt über eine Transparenz, die im Einkauf eine neue Qualität der Lieferantengespräche ermöglicht.“ Schon wenige Wochen nach der Analyse konnte Lemken Einsparungen realisieren. Und das nächste Daten-Projekt ist bereits angelaufen … der Fokus ist die Automatisierung im Warengruppenmanagement.

Verlässliche Daten reduzieren die Kosten

Lemken ist nicht das einzige Beispiel für eine erfolgreiche Datennutzung. In einer anderen Unternehmensgruppe haben die Staufen AG und die Shouldcosting GmbH die Software in der Entwicklung und Konstruktion eingesetzt, um die Variantenanzahl und Teilekomplexität automatisiert zu analysieren. Das führte zu einer deutlichen Reduzierung der Teilevielfalt innerhalb weniger Wochen. Die Erfahrungen der Staufen AG zeigen, dass durch konsequentes Data-Driven Costing zwischen 12 und 20 Prozent an Einsparungen identifiziert und realisiert werden können. Diese neue Datentransparenz nutzen Unternehmen nicht nur in der Beschaffung. Auch in der Produktentwicklung und im Sales-Aftersales-Prozess sind diese Daten von hohem Nutzen.

Die systematische Auswertung von Unternehmensdaten ermöglicht es, komplexe Prozesse vollkommen zu automatisieren. Zum Beispiel können Unternehmen, die Herstellungs- und Prozesskosten schon in einem frühen Stadium automatisiert berechnen und genau abschätzen, ob die Gewinnmarge erreicht und ein neues Produkt gewinnbringend am Markt platziert werden kann. Der hohe Automatisierungsgrad in der Kostenberechnung ermöglicht eine noch nie dagewesene Kostensicherheit und Kostentransparenz. Neben der klassischen Bottom-Up Kalkulationsmethode ermöglicht Data-Driven Costing, mehr als 80 Prozent der Artikel und Baugruppen im Unternehmen zu berechnen. Die Konsequenz ist eine Kostensicherheit, die ihresgleichen sucht. Und nicht zuletzt hilft mehr Transparenz dabei, verlässliche Make-or-Buy-Entscheidungen zu treffen und sogar im Hinblick auf den CO2-Footprint die Unternehmensstrategie auszurichten. Die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, korreliert stark mit der Datenqualität in den Unternehmen. Ein weiterer Grund, warum immer mehr Unternehmen auf „Data-Driven“ und die „Macht der Unternehmensdaten“ setzen.


Bild: Staufen

Frank Gröner

Partner bei der Unternehmensberatung Staufen AG

Unsere Whitepaper-Empfehlung
Aktuelles Heft
Titelbild Beschaffung aktuell 3
Ausgabe
3.2024
PRINT
ABO

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de