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Wie das Backoffice den Einkauf unterstützt

Organisationsgestaltung im Einkauf
Wie das Backoffice den Einkauf unterstützt

Um dem Einkauf eine bessere Fokussierung auf seine Kernkompetenzen zu ermöglichen, ist es wichtig, unterstützende und administrative Aufgaben herauszulösen. Darum lohnt ein genauer Blick auf die organisatorische Struktur. Maximilian Matlik hat untersucht, wie Backoffices strukturiert sein müssen, damit Strategischer Einkauf und Materialgruppenmanagement mehr Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben gewinnen.

Relevanz, Praxistauglichkeit und Erfolgsfaktoren hat Maximilian Matlik in seiner Masterarbeit „Entwicklung und Evaluierung von Backoffice-Modellen zur Integration in die Einkaufsorganisation“ analysiert (Prüfer: Prof. Dr. Wolfgang Buchholz). Die Basis bildeten eine Praxisstudie und ein Projekt beim internationalen Verpackungs- und Folienspezialisten Bischof + Klein mit Sitz in Lengerich. Hier wurde im Rahmen der Transformation der Einkaufsorganisation auf Grundlage von Matliks Erkenntnissen ein Backoffice-Modell implementiert.

Eine gezielte Ausgestaltung von Backoffice-Modellen im Einkauf haben die meisten Unternehmen noch nicht auf der Agenda. Wer eine Supply-Strategie entwickelt, will sich vorrangig auf strategische Kernkompetenzen (= Front Office) konzentrieren. Das ist auch gut so.

Aber: In der Regel wird die Umsetzung durch das zeitraubende operative Geschäft behindert. Das Ganze kann freilich nur dann hinreichend greifen, wenn der strategische Einkauf gleichzeitig durch ein schlagkräftiges Backoffice unterstützt bzw. entlastet wird. Nur so steigt die Effektivität wirklich. „Das gilt für große und kleine Einkaufsorganisationen gleichermaßen“, betont Maximilian Matlik.

Für die Bündelung im Backoffice eignen sich vornehmlich unterstützende und dringliche Einkaufsaktivitäten, etwa Stammdatenmanagement, Ausschreibungen, Klärung von Rechnungsdifferenzen, Rechnungsfreigabe. „Bei den hierfür zu definierenden Backoffice-Aufgaben geht es um Anpassungsfähigkeit, Flexibilität, allgemeine Marktreaktions- und Wettbewerbsfähigkeit – und damit um eine neue Rolle und Verbindung zwischen operativem und strategischem Einkauf“, sagt Matlik. Backoffices können unterschiedlich gestaltet werden. Laut Analyse sind das drei Ausrichtungen: funktionsorientiert, marktorientiert oder die Mischform (Middle-Office).

Von den 51 Umfrageteilnehmern gaben 27 Prozent an, eine „Organisationseinheit für unterstützende Tätigkeiten“ zu haben. Als Hauptzielsetzung wurde Effizienzsteigerung (67 %) genannt. Laut Umfrage ist das funktionsorientierte Backoffice-Modell am verbreitetsten, gefolgt vom Middleoffice-Modell. Das marktorientierte Backoffice-Modell fand in der Stichprobe nur als Ausrichtung in Marktteams Erwähnung (s. Tabelle auf S. 32).

Je nach Modell können verschiedene Strategien zur Ausrichtung der Einkaufsorganisation adressiert werden: zum einen Professionalisierung (Effektivitätssteigerung, Qualitätssteigerung, Spezialisierung der Mitarbeiter etc.), zum anderen Kostenreduktion (Effizienzsteigerung, Economy of Scales, Prozessstandardisierung etc.).

Hauptvorteil des funktionsorientierten Backoffice-Modells ist die Effizienz- und Qualitätssteigerung aufgrund hoher Standardisierung der Prozesse. Nachteil hierbei: fehlende Flexibilität und Entscheidungskompetenz. Das marktorientierte Backoffice mit einem Middleoffice-Modell bietet hingegen mehr Effektivität, wenn weitere taktische Aufgaben ausgelagert und verschiedene Mitarbeiter-Skills genutzt werden. Diese Variante zeichnet sich durch hohe Flexibiliät und Entscheidungskompetenz aus. Nachteilig sind eine nicht zwingend vorhandene Standardisierung und unterschiedliche Qualitäten des Prozess-Outputs. „Für eine Professionalisierungsstrategie scheint das Middleoffice am besten geeignet“, meint Maximilian Matlik. Für die Kostenreduzierungsstrategie empfiehlt er das funktionsorientierte Backoffice-Modell, auch aufgrund des Potenzials der Integration in ein Shared Service Center.

Generell gilt: Aufgabenzentralisierung und Standardisierung erhöhen die Qualität. Der strategische Einkauf wird entlastet; er kann sich auf seine Kernkompetenz konzentrieren. Zu bedenken ist allerdings eine zusätzliche Schnittstelle, die digital gestaltet werden sollte. Klar ist also, dass ein Backoffice in die Digitalisierungsbemühungen des Einkaufs einzubeziehen ist – im Idealfall als prozessverantwortliche Rolle, sodass die Funktion zusätzlichen Mehrwert schafft. Tools, die den Source-to-Pay-Prozess bis über 80 Prozent digitalisieren und automatisieren können, sind noch längst nicht hinreichend in der Praxis etabliert. Das Backoffice könnte diese einführen.

Maximilian Matliks Fazit: „Es gibt keinen Königsweg. Jedes Modell hat unterschiedliche Vorteile.“ Diverse Studien hätten ergeben, dass sich viele Organisationen von der dezentralen zur zentralen Organisation und darauffolgend in hybride Organisation entwickelten. Durch Veränderung der Einkaufsorganisation kumulierten sich Einsparungen. „Backoffice-Modelle können in jeder Entwicklungsphase angewendet werden. Das volle Potenzial wird aber häufig in hybriden Organisationen ausgeschöpft“, erklärt Matlik, der mittlerweile bei der Unternehmensberatung GOcon am Standort Münster tätig ist.

Praxisbericht: Bischof + Klein

Die Transformation des Einkaufs sollte bei der Bischof + Klein Holding (B + K) durch eine Organisationsänderung unterstützt werden. Eine Analyse hatte ergeben, dass bei einem Teil der Mitarbeiter die Stärken im Management und bei anderen im analytischen Bereich liegen. Einfache, monotone Aufgaben innerhalb einer Funktion durchzuführen, hätte gegen die Professionalisierungsstrategie der Abteilung gesprochen. Mit Unterstützung von Maximilian Matlik (damals bei B + K als Head of Purchasing Direct Materials tätig) wurde ein marktorientiertes Backoffice mit Marktteams eingeführt. Weil in vielen Fällen Markt-Know-how und Entscheidungskompetenz vorhanden waren, konnten zusätzliche taktische Aufgaben in das Backoffice transformiert werden. Die Stabsstelle IT- und Prozessmanagement gestaltete die Prozesse mit den Abteilungsleitern und achtete auf die standardisierte Ausführung. In einem digitalen Sharepoint wurden Prozessschnittstellen-Dokumente geschaffen. Vorteil: Alle Beteiligten haben Zugriff auf Daten bzw. Informationen und sind auf dem aktuellen Stand.

Durch die Organisationsänderung hat das Warengruppenmanagement mehr Kapazität und Zeit für strategische Aufgaben gewonnen und kann sich so weitere Vorteile auf den Beschaffungsmärkten erarbeiten. Die Backoffice-Funktion hat zu einer effizienten Abwicklung der operativ taktischen Aufgaben und Sicherstellung der Datenstrukturen geführt. Durch die Spezialisierung in den einzelnen Funktionen wurden bei gleicher Anzahl der Mitarbeiter deutlich mehr Aufgaben übernommen. Nils Beermann, Head of Corporate Purchasing bei Bischof + Klein, und sein Team konnten so dem Anspruch des Einkaufs gerecht werden und einen signifikanten Beitrag zu einer Unternehmensinitiative beitragen.

Ergebnisse und
Erfolgsfaktoren

Im Einkauf bei B + K hat man folgende Ergebnisse und Erfolgsfaktoren nach der Änderung der Organisation festgestellt:

  • neue Stellenprofile für Warengruppenmanagement und Backoffice,
  • Spezialisierung und Professionalisierung (Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter),
  • Mitarbeitermotivation und -zufriedenheit,
  • effiziente Prozesse,
  • Ausbau der strategischen und taktischen Aufgaben,
  • deutlicher Fokus auf Warengruppenstrategien inklusive Umsetzungsfahrplan,
  • langfristige Maßnahmen zur Verbesserung der Beschaffungsmarktposition,
  • Voraussetzungen für Arbeitsteilung
    (Schnittstellen, Homeoffice etc.).

Die Autorin: Sabine Ursel

Journalistin, Wiesbaden

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