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Zwischen Kreativität und Kosten

Das Spannungsverhältnis von Marketing und Einkaufsabteilung im Unternehmen
Zwischen Kreativität und Kosten

Zwischen Kreativität und Kosten
Man kann sie ein bisschen mit zwei Geschwistern in der großen Familie des Unternehmens vergleichen: Der rationale, kopfgesteuerte Ältere, der voller Vernunft darauf achtet, dass in der Familie alles nach Plan läuft – und der stürmische, leicht zu begeisternde Kleine, der fröhlich und unbeschwert jeder guten Idee nachjagt und sich ohne den strengen Blick des Älteren austoben möchte. Sollen diese zwei dann zusammen auf ein Ziel hinarbeiten, ist der Krach schon vorprogrammiert – manchmal zum Schaden der ganzen Familie. Die Rede ist vom Einkauf und dem Marketing.

Natürlich ist weder der Einkauf ausschließlich strenger Sittenwächter, noch ist die Marketingabteilung ein Haufen verrückter Spielkinder. Aber so überspitzt die Vorurteile auch sein mögen, sie enthalten einen wahren Kern. Zwischen den beiden Abteilungen, die eigentlich eng zusammenarbeiten sollten, herrschen einige systemimmanente Konflikte. Unterschiedliche Zielrichtungen sorgen dafür, dass die Strategien sich immer wieder gegenseitig beeinträchtigen. Effizienz versus Effektivität, Standardisierung versus Individualisierung. So ist es nicht selten, dass Dispute und interne Scherereien zwischen den Abteilungen entstehen, die letztlich nicht nur unnötige Arbeit und Kosten verursachen, sondern im schlimmsten Fall auch im Außenverhältnis sichtbar werden und dem Ansehen des Unternehmens bei Kunden und Lieferanten schaden.

Unterschiedliche Rollen und Aufgaben
Der Einkauf ist in dem Szenario besonders häufig der „Bad Guy“. Seine Kernaufgabe besteht darin, qualitativ gute Leistungen zu einem möglichst niedrigen Preis zu beschaffen. Das bedeutet nicht, permanent an der Kostenschraube zu drehen und einfach nur alles immer billiger machen zu wollen. Aber um Kosten- und Einsparungsvorgaben zu erreichen, die ja meist nicht aus der Abteilung selbst, sondern vom Management kommen, muss für die benötigte Leistung der günstigste mögliche Preis ausgehandelt werden. Effizienz eben.
Dafür werden oft komplexe Auswahlverfahren und Richtlinien erarbeitet, die viele Bereiche des Einkaufs standardisieren sollen, um Ungleichbehandlungen zwischen verschiedenen Sparten zu vermeiden. Einheitliche Vorgehensweisen, transparente Auswahlprozesse und langfristige Planbarkeit – der Traum des Einkäufers ist für den Marketeer nicht selten ein Albtraum oder zumindest die Vorstufe zur Diktatur der Zahlen. „Kreativität lässt sich nicht messen“ und „Unsere Leistungen kann man nicht in Zahlen gießen“ lauten nicht selten die Proteste der Kreativen. Und damit haben sie nicht ganz unrecht. Zwar können Agenturleistungen durchaus nach Ressourceneinsatz, Aufwand und Effekt in der Zielgruppe, gemessen an steigenden Verkaufszahlen oder positiven Ergebnissen in Umfragen, beurteilt werden. Aber eine wirklich effektive Zusammenarbeit und daraus resultierend eine gute Agenturleistung basieren letztendlich auf Vertrauen, gegenseitiger Wertschätzung und einem guten Verständnis der Arbeitsweisen, Werte und Ziele des Gegenübers. Wer also um der Effizienz willen regelmäßig die Agentur wechselt und einen starken Wettbewerb anheizt, um Kosten zu drücken, wird dies möglicherweise mit einem Mangel an Authentizität bezahlen.
Daher benötigt die Marketingabteilung zwingend einen gewissen Spielraum bei ihren Entscheidungen, denn im Korsett der Richtlinien lassen sich nur schwer langfristige Beziehungen aufbauen und die Art von Kontakten knüpfen, die einem auch bei kurzfristigem Bedarf noch aus der Patsche helfen. Die Zentralisierung ist deshalb tatsächlich oft ein Problem für diesen Bereich, da eben nicht überall die gleichen Bedürfnisse herrschen und auf die besonderen Gegebenheiten mancher Sparte, Marke oder Region spezieller eingegangen werden muss. Die Folge von diesen Problemen ist dann nicht selten, dass Dinge erst einmal einfach umgesetzt werden und der Marketeer dann in letzter Minute beim Einkäufer aufschlägt mit der Bitte: „Mach mir das mal compliant!“, wie auch Thomas Tröger, Leiter des Marketingeinkaufs bei der DeKaBank, unlängst auf einer Konferenz in Wiesbaden berichtete.
In a perfect world …
Wie sieht also der Idealfall aus? „In einer idealen Welt würde der Marketingeinkauf bei der Planung frühzeitig eingebunden werden, hätten wir immer einen planbaren Leistungsbezug, gäbe es einen auswertbaren Spend Cube und wir wären als Einkauf ein geschätzter Partner des Marketings, der über alle für den Bezug von Leistungen relevanten Aspekte frühzeitig informiert wäre“, resümiert Svenja Blieffert, Abteilungsleiterin Indirekter Einkauf, Marketing und Dienstleistungen, OTTO (GmbH & Co. KG) gleich zu Beginn ihres Vortrags über den Spagat zwischen Individualität und Standardisierung beim Marketingeinkauf im Konzern. Würde man dazu jemanden aus der Marketingabteilung befragen, käme sicherlich eine ähnliche Liste mit Wünschen und Forderungen an den Einkauf zustande. Letztlich wollen schließlich beide Abteilungen keine Konflikte, sondern nur ihren Job gut machen und das Unternehmen voranbringen. Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe, gegenseitige frühzeitige Einbindung sowie Respekt, Verständnis und Vertrauen – all das klingt blumig und vielleicht auch selbstverständlich, ist aber in der Realität eben nicht immer der Fall. Um diese gemeinsamen Oberziele zu erreichen, bedarf es zweier weiterer großer Worte, die letztendlich aber ganz banal sind: Transparenz und Kommunikation.
Lösungsansätze
Wer dem Gegenüber Einblick in seine Prozesse und Handlungsweisen gibt und offen mit Anforderungen und Schwierigkeiten umgeht, erzeugt auf der Gegenseite Verständnis für die eigenen Bedarfe und die Knackpunkte der Zusammenarbeit. Soll heißen: Das Marketing muss aufgezeigt bekommen, wofür die ganzen Richtlinien, Standardisierungen und Vorgaben gut sind und was sie bezwecken. Und der Einkauf muss ein paar grundlegende Fachkenntnisse über die Arbeit des Marketings erwerben, um zu verstehen, warum an mancher Stelle Ausnahmen notwendig sind. Die konkreten Handlungsfelder für eine bessere Zusammenarbeit formulieren Silke Lüdtke, Facheinkäuferin für Dienstleistungen bei der Talanx Service AG und Dr. Lars Lammers, Geschäftsleiter Markenberatung der Pahnke Markenmacherei GmbH Co. KG, in ihrem Vortrag ‚Das Bermudadreieck zwischen Marketing, Einkauf und Agentur‘: Einstellungen, Zielverständnis, Erwartungen, Konflikte und Auswahlprozess.
Bei den Einstellungen sei es wichtig, sich auf allen Seiten die eigenen Vorurteile bewusst zu machen, um kontraproduktives Verhalten zu verhindern. Wenn also die Marketingabteilung mal wieder frustriert denkt: „Ich will nicht mit dem Einkauf über jeden Cent diskutieren!“, hilft es, einen Schritt zurückzutreten und sich selbst auf die voreiligen Schlüsse aufmerksam zu machen die man eventuell gerade zieht. So kann man verhindern, gegenüber dem Einkauf „zuzumachen“ und sich damit einen unnötigen Konflikt einzuhandeln. Auch beim Zielverständnis hilft ein kurzer Abgleich mit dem Gegenüber, um sich daran zu erinnern, warum der andere gerade andere Prioritäten setzt – und diese im Gespräch zu klären.
Das Management der Erwartungen betrachten die Experten als genauso wichtig wie die Leistung selbst. Denn wer vorher zu hohe Erwartungen schürt, enttäuscht den anderen mit großer Sicherheit. Daher sollten alle Parteien von Anfang offen damit umgehen, was für sie möglich ist und was nicht. Auf diese Weise werden auch Missverständnisse von vornherein vermieden, was der größte Auslöser für Konflikte ist. Und auch beim Auswahlprozess kann man ansetzen, um sich gleich zu Beginn auf ein faires und transparentes Verfahren zu einigen, das einem zu den passenden Dienstleistern und damit zum gewünschten Ergebnis verhilft.

Jessica Hartmann, Freie Journalistin, Darmstadt
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