Beschaffung aktuell: Sprechen Sie in Ihren Nachhaltigkeitsdialogen mit den Lieferanten auch kritische Rohstoffe an?
Frenkel: Absolut! Unsere Nachhaltigkeitsdialoge muss man sich als Kreativ-Workshops vorstellen. Das ist ein partnerschaftliches Gespräch. Wir klären gemeinsam, an welchen Stellen wir die Nachhaltigkeit ganzheitlich verbessern können. Einerseits: Wo kann man dekarbonisieren? Andererseits: Wo könnte es Risiken bezüglich ethischer und sozialer Arbeitsbedingungen geben, und wie sind sie beherrschbar?
Im Ergebnis identifizieren wir manchmal Chancen, die wir aber nicht sofort umsetzen können. Zum Beispiel, wenn wir erst neue Partnerprojekte oder Materialien einführen müssen. In anderen Fällen gelangen wir zur Erkenntnis, dass die Lieferkette anders aufgesetzt werden müsste. Auch dafür suchen wir mit unseren Lieferanten nach Lösungen.
Verhältnis zwischen Nachhaltigkeit und Flexibilität in den Lieferketten
Stichwort Nachhaltigkeit in der Lieferkette. Der beste Transport ist der, der eigentlich gar nicht stattfindet. Heißt das, dass Sie langfristig von dem Just-in-Time-/Just-in-Sequenz-Prinzip abweichen?
Frenkel: Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Einerseits wollen wir die Lieferketten verkürzen und die Transporte so weit wie möglich reduzieren. Das verringert den CO2-Fußabdruck und die Risiken bei einer langen Lieferkette über mehrere Länder und Kontinente hinweg.
Andererseits haben unsere Kunden die Möglichkeit, ihre Fahrzeuge stark zu individualisieren. Kaum ein Porsche ist gleich. Das bedeutet eine hohe Varianz in unserer Produktion. Dafür bekommen wir passgenau die richtigen Teile direkt ans Band geliefert. Zusammengefasst heißt das: Um die Traumautos unserer Kunden zu bauen, müssen wir den Sweet Spot finden. Der liegt zwischen kurzen Lieferketten und einer möglichst hohen Flexibilität für die Produktion.
„Es gilt, die Lieferanten auf den Weg der Transformation mitzunehmen“
Wie wollen Sie das erreichen?
Frenkel: Diese optimierten Lieferketten existieren bereits. Ein Beispiel: Für den Taycan konnten wir einen Lieferanten gewinnen, der wenige Kilometer von unserem Stammwerk in Zuffenhausen eine Hochvolt-Batteriemontage aufgebaut hat. Damit haben wir kurze Wege, die Batterie kommt just-in-time.
Bei der Vergabe neuer Aufträge schauen wir genau hin, wo die Teile herkommen. Wir wollen auch bei neuen Lieferanten zu einem früheren Zeitpunkt die tiefere Lieferkette kennen. Diese Transparenz ist wichtig!
Es kommt ein weiterer Aspekt hinzu: Die Versorgungssicherheit – gerade auch im Krisenfall. Auch hier gibt es nicht nur die eine Lösung. Wir fragen uns bei jedem Bauteil: Können wir einen gewissen Lagerbestand aufbauen, der Sicherheit gibt? Oder setzen wir besser auf eine Zwei-Standorte-Strategie?
„Wir beziehen weiter den Großteil aus der Ukraine“
Wie haben Sie das Problem mit Ihren ukrainischen Lieferanten gelöst?
Frenkel: Zu Beginn des Krieges haben wir gemeinsam mit unseren Partnern die Anlagen und Werkzeuge der ukrainischen Lieferanten dupliziert. Die Produktionsstätten haben wir dann in anderen Ländern aufgebaut. Wir beziehen aber weiter den Großteil der Teile aus der Ukraine. Das sind wir den Menschen dort schuldig, die einen großartigen Job machen. Für sie wollen wir vor Ort eine Zukunftsperspektive bieten.
Auf der anderen Seite haben wir mit den duplizierten Standorten nun Alternativen. Sollte es zu Unterbrechungen in der ukrainischen Lieferkette kommen, können wir kurzfristig umdisponieren, um unsere Fertigung aufrechtzuerhalten. Unsere soziale Verantwortung nehmen wir auch an den deutschen Standorten ernst: Wir wollen, dass unsere Mitarbeiter Beschäftigung haben, die Lieferanten kontinuierlich arbeiten können. Deswegen haben wir sehr bewusst auf diese Zwei-Standorte-Strategie gesetzt.
Das hat sich auch in der Halbleiterknappheit bewährt. Bei kritischen Halbleiterkomponenten haben wir inzwischen bewusst einen zweiten Halbleiter freigegeben. Damit können wir bei Bedarf ein Alternativbauteil einsetzen.
„Mir macht es Freude, wenn sich Menschen weiterentwickeln und erfolgreich werden“
Das ist Luxus…
Frenkel: Früher reichte ein Vertrag mit einem Lieferanten, der die Teile-Versorgung sicherstellte. In den vergangenen zwei Jahren haben wir gelernt, dass wir so nicht mehr uneingeschränkt weitermachen können. Deswegen gilt es jetzt, die Lieferketten noch robuster aufzustellen.
Kostet dadurch das Endprodukt auch mehr oder kostet die Sicherheit Ihre Margen?
Frenkel: Auch das lässt sich nicht pauschal beantworten. Entstehen beispielsweise Kosten, weil wir nicht das kostengünstigste Bauteil auswählen oder bewusst keine Ein-Lieferantenstrategie fahren, müssen wir dies kompensieren. Das machen wir – so gut es geht – durch Verbesserungen in unseren Prozessen. Reden wir aber über steigende Kosten bei Energie, Materialien oder Löhnen, sprechen wir mit unseren Partnern, wie wir zusammen noch effizienter werden. Das kann man sich wie in einer Beziehung im Privatleben vorstellen: Es gilt gemeinsame Lösungen zu finden – in guten wie in schlechten Zeiten.