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E-Rechnung für alle

Digitalisierte Rechnungsverarbeitung
E-Rechnung für alle

E-Rechnung für alle
Jörg Mimmel ist bei der Robert Bosch GmbH zuständig für die Geschäftsleitung Zentralbereich Einkauf und Logistik. (Bild: Bosch)
Ausnahmsweise ist die Verwaltung einmal der Privatwirtschaft voraus: Bereits seit einigen Jahren setzen Ämter und Behörden auf die elektronische Rechnung. Auch viele Großunternehmen digitalisieren und optimieren ihre Zahlungsprozesse. Die ursprünglich strengen rechtlichen Vorgaben wurden abgemildert, sodass nun auch Einkauf, Beschaffung und Rechnungswesen in kleinen und mittleren Unternehmen von der E-Rechnung profitieren können.

Die Zahlen klingen fantastisch: Laut dem Verband elektronische Rechnung (VeR) kann ein durchschnittliches Unternehmen zwischen 9,50 und 15 Euro pro verarbeiteter Rechnung sparen, wenn es von einem papierbasierten Prozess auf elektronische Rechnungen umstellt. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer soll sich auf ein Drittel reduzieren lassen. Doch das ist noch nicht alles.

Weniger Kosten, mehr Transparenz
„Als klassische Vorteile der elektronischen Rechnungsverarbeitung lassen sich Kosteneinsparungen sowie ein schnellerer und bedienungsfreundlicherer Verarbeitungsprozess von Rechnungen nennen“, sagt Dr. Donovan Pfaff, VeR-Experte und Geschäftsführer der Bonpago GmbH, einem Beratungshaus für Financial Supply Chain Management. „In zahlreichen Projekten haben wir jedoch festgestellt, dass der einfache und transparente Prozess nach einer Umstellung oft mehr geschätzt wurde als die reinen Kosteneinsparungen.“ Wenn beispielsweise Lieferantenanfragen über den Bearbeitungsstand von Rechnungen innerhalb von Sekunden beantwortet werden könnten, so führe dies zu einer massiv steigenden Mitarbeiter- und Lieferantenzufriedenheit.
Dabei spielt die E-Rechnung ihr wahres Potenzial dann aus, wenn sie zentraler Bestandteil einer durchgängig digitalen Kette ist – von der Erzeugung der Rechnung beim Lieferanten bis zur Bearbeitung beim Kunden. Voraussetzung dafür sind strukturierte elektronische Daten, die eine durchgängige Verarbeitung ohne Medienbrüche ermöglichen. Gängige Formate heißen Edifact, xRechnung oder – besonders verbreitet – ZUGFeRD (für „Zentraler User Guide des Forums elektronische Rechnung Deutschland“). Sie werden von spezialisierten Dienstleistern zur Verfügung gestellt, die eingangs- und ausgangsseitig alle Rechnungsformate – ob Papier, PDF oder ein anderes Datenformat – digitalisieren und vereinheitlichen und innerhalb von Sekunden wieder direkt in die betrieblichen Prozesse einspeisen. Es geht für den Anfang aber auch mit weniger Aufwand: „Die einfachste Form einer elektronischen Rechnung ist eine PDF-Rechnung mit integrierten Daten, etwa mithilfe eines sogenannten PDF-Konverters direkt aus der Textdatei“, erklärt Experte Pfaff.
Der rechtliche Rahmen
Dabei wäre die Erfolgsgeschichte der elektronischen Rechnung beinahe durch ein Regelwerk verhindert worden, das eigentlich dem Schutz der am Zahlungsverkehr Beteiligten dienen sollte: das „Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen“, kurz Signaturgesetz. „Bis 2011 gab es noch eine Zweiklassengesellschaft. Elektronische Rechnungen wurden nur anerkannt, wenn diese mit einer elektronischen Signatur versehen waren oder deren Übermittlung in einem bestimmten Verfahren erfolgte“, sagt Stefan Groß, Steuerberater in der Kanzlei Peters, Schönberger & Partner in München. „Mittlerweile ist es ohne Belang, in welcher Form eine Rechnung gestellt wird – ob auf Papier oder papierlos in digitaler Form –, wenn die Pflichtangaben erfüllt sind.“ Die rechtlichen Vorgaben für die elektronische Rechnung finden sich nunmehr vor allem im Umsatzsteuergesetz. „Dabei wird für alle Rechnungen vorausgesetzt, dass ein innerbetriebliches Kontrollverfahren mit Prüfpfad vorhanden ist, was in der Praxis regelmäßig durch eine saubere Rechnungseingangsprüfung gewährleistet ist“, so Groß. Außerdem muss die E-Rechnung zu Prüfzwecken mindestens zehn Jahre lang elektronisch und unveränderbar aufbewahrt werden; ein Papierausdruck genügt nicht.
Vorteile für den Einkauf
Stellt sich die E-Rechnung auf den ersten Blick vor allem für die Rechnungsabteilung als Vereinfachung dar, so ergeben sich doch auch für den vorgeschalteten Einkauf ungeahnte Möglichkeiten. „Mit leistungsfähigen Analyseprogrammen profitiert insbesondere das Einkaufscontrolling von Daten, welche in dieser Menge und Aktualität bisher nicht zur Verfügung gestellt werden konnten“, schwärmt FSCM-Fachmann Pfaff. „Mit wenigen Mausklicks können so Auswertungen erstellt werden, mit deren Hilfe sich beispielsweise Preisabweichungen oder Kostensenkungspotenziale innerhalb von Sekunden identifizieren lassen.“ Der Einkauf sollte deshalb von Anfang an in den Umstellungsprozess einbezogen werden.
Dies bestätigt auch Jörg Mimmel, bei der Robert Bosch GmbH zuständig für die Geschäftsleitung Zentralbereich Einkauf und Logistik. Bei Bosch geht man noch einen Schritt weiter und führt derzeit die vollständige Digitalisierung von der Bestellung bis zur Rechnung ein. Daten aus der Bestellung werden direkt in die Rechnung übernommen und sind vom Lieferanten nur noch durch wenige Informationen wie Umsatzsteuer-ID und Steuersatz zu ergänzen. Beim Auftraggeber wird so ein automatisierter 1:1-Abgleich zwischen Bestellung und Rechnung möglich. „Durch die bessere Datenqualität reduzieren wir Rechnungsprüfungsaufwände deutlich und erhöhen die Rate an automatischen Buchungen“, sagt Mimmel. „So sparen wir Zeit und Aufwand ein und vergrößern gleichzeitig die Transparenz des Gesamtprozesses durch Statusmeldungen für alle Beteiligten.“ Seit Juni 2016 ist Bosch mit rund 470 Lieferanten „live“, Ende 2016 sollen es rund 3000 in vier verschiedenen Ländern sein. „Ziel ist es, bis Ende 2018 mit 15 000 Lieferanten weltweit diesen Standardprozess für den indirekten Einkauf zu nutzen“, so Mimmel. Da sich auch auf Lieferantenseite die Abwicklung vereinfache und manuelle Prozesse reduziert werden könnten, seien auch die Rückmeldungen der Lieferanten sehr positiv.
Gute Erfahrungen in Ämtern und Behörden
Die öffentliche Verwaltung setzt schon seit einigen Jahren auf die E-Rechnung. Pilotbehörde ist das Bundesverwaltungsamt (BVA), wo Gabriele Meyer, Referatsleiterin für das Finanzmanagement, eine positive Zwischenbilanz zieht: „Die automatisierte Übernahme der Daten aus der Rechnung erspart den Erfassungsaufwand in die Buchhaltungssoftware und reduziert dadurch auch Fehler – allein an dieser Stelle werden bei jedem Beleg aktuell etwa anderthalb Minuten eingespart.“ Sie sei aufgrund der Erfahrungen ermutigt, die Automatisierung weiter voranzutreiben. „Wir sind insbesondere daran interessiert, dass die Firmen von sich aus maschinenlesbare Rechnungen schicken, denn dies erspart den Zwischenschritt der Umwandlung, den wir derzeit durch einen Dienstleister vornehmen lassen müssen.“ Sven Kuck von der Mach AG aus Lübeck begleitet aktuell mehr als 20 Einrichtungen aus unterschiedlichen Verwaltungsbereichen bei der Einführung der E-Rechnung und sagt: „Mittlerweile gibt es kaum noch eine öffentliche Organisation, die nicht mindestens schon in der Phase der ersten Projektüberlegungen ist; dagegen tun sich kleine und mittelständische Betriebe noch schwer.“
2019 soll die öffentliche Verwaltung europaweit in der Lage sein, elektronische Rechnungen entgegenzunehmen. Wünschenswert wäre das auch für die Privatwirtschaft. Es existiert zwar eine EU-weite gesetzliche Grundlage, die Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Doch Steuerexperte Groß weiß: „Dies wird in den einzelnen Mitgliedstaaten teilweise noch unterschiedlich ausgestaltet oder gelebt.“

Anja Falkenstein, Rechtsanwältin, Karlsruhe
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