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Neues Zollrecht für Einkauf und Import

Der Unionszollkodex startet
Neues Zollrecht für Einkauf und Import

Die Europäische Union modernisiert die Zollverfahren und stellt zur Vereinfachung des Warenverkehrs stufenweise auf die elektronische Abwicklung um. Bereits ab Mai 2016 gelten auch neue Regeln, die mit den eigentlichen IT-Änderungen nichts zu tun haben, aber von großem Interesse für die Beschaffungslogistik sind.

Schon 2013 wurden die Weichen für ein neues EU-weites Zollrecht gestellt. Am 1. Mai 2016 lösen nun die ersten Vorschriften des Unionszollkodexes (UZK) den bisherigen Zollkodex ab. Die lange Übergangszeit weist schon darauf hin, dass man aufgrund der vielen Neuerungen den Übergang vom alten zum neuen Recht fließend gestalten wollte. Das Hauptziel der Maßnahme, die vereinfachte Zollabfertigung mittels eines obligatorischen elektronischen Datenaustauschs, soll sogar erst 2020 endgültig abgeschlossen sein. Doch eine Reihe von Änderungen außerhalb dieser IT-Umstellung ist für die Wareneinfuhr schon demnächst von Relevanz.

Verwahrung und Sicherheitsleistung
Für die Beschaffungslogistik, vor allem über See- und Flughäfen, ergeben sich Neuerungen im Bereich der vorübergehenden Verwahrung. Für diese Verwahrungslager wird künftig eine Bewilligung sowie eine, nicht geringe, Sicherheitsleistung fällig. Im Gegenzug verlängert sich die zulässige Lagerdauer auf 90 Tage, sodass die Nutzung von Zolllagern, zum Beispiel bei einem zügigen Weiterverkauf der Waren, entbehrlich sein kann; damit lassen sich Kosten sparen.
An der Sicherheitsleistung für mögliche Einfuhrabgaben hat der EU-Gesetzgeber grundsätzlich Gefallen gefunden. Für Logistikdienstleister können jedoch aus der geforderten Absicherung in der Summe erhebliche finanzielle Belastungen entstehen. „Das Thema ist damit auch für Einkäufer von Interesse, da sich die Frage stellt, wie die zusätzlichen Kosten im Rahmen des Einfuhrprozesses umgelegt werden“, sagt Rechtsanwalt Sven Pohl von der Hamburger Kanzlei SKW Schwarz.
Neues Zollschuldrecht
Umgekehrt können alle importierenden Unternehmen sowie die Transportdienstleister davon profitieren, dass sich der Gesetzgeber dazu entschlossen hat, die Heilungstatbestände bei nicht vorsätzlichen Verstößen gegen Zollvorschriften zu erweitern. Wer im Vorschriftendschungel versehentlich etwas übersieht, dem droht nicht mehr zwangsläufig eine Strafe. Damit erhält das Zollschuldrecht ein deutlich wirtschaftsfreundlicheres Antlitz – auch wenn man an anderer Stelle vermehrt auf Bußgelder setzt.
Die verbindliche Zolltarifauskunft
Inhaber von verbindlichen Zolltarifauskünften (vZTA) über die zolltarifliche Einreihung von Waren sind ab Mai 2016 verpflichtet, bei der Überführung der Waren in ein Zollverfahren die entsprechende Nummer sowie den Nomenklaturcode anzugeben. Wichtiger jedoch: Die Gültigkeitsdauer der Zolltarifauskünfte wird auf drei Jahre verkürzt. „In der Vergangenheit waren die entsprechenden verbindlichen Auskünfte sechs Jahre gültig und nur für die Zollverwaltung bindend“, erklärt Rechtsexperte Pohl. Importierende Unternehmen genossen bisher über diesen Zeitraum Vertrauensschutz in die zollrechtliche Einreihung und hatten somit eine gewisse Planungssicherheit. „Die neue dreijährige Gültigkeitsfrist ist gerade bei größeren Projekten, die über einen längeren Zeitraum andauern, unzureichend“, so Pohl. Zudem wird die vZTA nunmehr für beide Seiten bindend, Unternehmen müssen bei der Wareneinfuhr die ursprünglich festgestellte Zolltarifnummer anwenden und können nicht mehr variieren. Der Zollrechtler empfiehlt: „Unternehmen sollten vorab prüfen, ob sie diese Bindungswirkung tatsächlich benötigen und das Risiko eingehen wollen, dass auch eine ungünstigere Tarifierung festgeschrieben wird.“
Der Registrierte Ausführer
Auch eine andere vertrauensschützende Regelung ändert sich. Im Bereich der Ursprungsnachweise im Allgemeinen Präferenzsystem (APS) sollen sogenannte „Registrierte Ausführer“ eingeführt und in einer EU-weiten Datenbank gelistet werden. Der Registrierte Ausführer ist ein im Drittland ansässiges Unternehmen, das in Zukunft selbstständig die Präferenznachweise für das APS ausstellen kann – ganz ohne Einbindung der Zollbehörden. „Damit entfällt jeglicher Vertrauensschutz“, gibt Anwalt Pohl zu bedenken und rät Einkäufern, zukünftig verstärkt darauf zu achten, dass ihre Lieferanten vertrauenswürdig sind. „Sie sollten im Zweifel vertraglich entsprechende Haftungsregelungen vereinbaren, die auch tatsächlich durchsetzbar sind“, mahnt er. Eine kleine Erleichterung im Warenverkehr tritt immerhin dann ein, wenn die Ursprungseigenschaft einer Ware dauerhaft gesichert ist: Die sogenannte Langzeitlieferantenerklärung, die bisher jährlich abzugeben war, gilt zukünftig für zwei Jahre.
Der zugelassene Wirtschaftsbeteiligte
Eine zentralere Rolle wird im neuen Kodex der Zugelassene Wirtschaftsbeteiligte (Authorised Economic Operator, kurz AEO) einnehmen. An den AEO-Status werden sehr viele Erleichterungen geknüpft, so zum Beispiel die Möglichkeit der Eigenkontrolle anstelle externer Kontrollen durch die Behörden. „Meiner Meinung nach wird die Tendenz dahingehen, dass langfristig nahezu sämtliche Unternehmen, die aktiv im Zollbereich tätig sind, einen AEO oder vergleichbaren Status halten werden“, schätzt Pohl.
Das ganz große Ziel des Unionszollkodexes ist jedoch die EU-weite elektronische Zollabwicklung, die bis Ende 2020 abgeschlossen sein soll. „Heute noch bestehende Papierverfahren müssen dann komplett im elektronischen Umfeld organisiert werden“, sagt Uwe Liebschner vom Bremer Software-Haus dbh Logistics IT AG, spezialisiert auf elektronische Lösungen für Zoll und Außenwirtschaft. Ein Arbeitsprogramm der EU listet konkret alle Projekte auf, die anzupassen sind sowie den Startzeitpunkt des Echtbetriebs. „Dann müssen alle Beteiligten, also Behörden und Wirtschaft, umgestellt haben“, betont Liebschner. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) spricht hier von einer „Migrationsphase“ anstelle eines „Big Bang“. Zwar ist man in Deutschland mit dem umfassenden elektronischen System ATLAS schon gut aufgestellt, doch das Vorhandene muss einerseits an die neue Rechtslage angepasst und andererseits auf weitere Bereiche ausgedehnt werden. Vom BMF hört man, dass man zunächst beim bisherigen Rhythmus von einem ATLAS-Release pro Jahr bleiben wolle und die IT-Umsetzung „unter Beteiligung der Wirtschaft“ plane. IT-Experte Liebschner rechnet „mit einem steten Rhythmus an Änderungsversionen nicht unwesentlicher Art für die kommenden Jahre“. Die derzeitige Version 8.6., die bis Mitte Mai 2016 umzusetzen sei, enthalte bislang noch keine UZK-spezifischen Regelungen. Eine der großen Herausforderungen für die IT ist es, während der Umstellung stets den reibungslosen Produktionsfluss auf Wirtschaftsseite aufrechtzuerhalten. Und auch die Sicherheitsleistungen müssen in den Fokus rücken. „Die IT muss eine sinnvolle Unterstützung des Kunden für das Monitoring dieser Prozesse für die Absicherung möglicher Einfuhrabgaben entwickeln“, erläutert Liebschner. Auch die Frage der Datenanforderung und deren Validierung sei genau zu untersuchen. Die Erweiterung von Datensätzen für Zollanmeldungen verursache erheblichen Aufwand und Kosten und erfordere umfangreiche Abstimmungsarbeiten beim Endanwender, insbesondere an den Schnittstellen zu Vorsystemen.
Im gerade angebrochenen neuen Jahr muss nun eifrig gebastelt werden, denn seit Kurzem liegen die konkreten Übergangsregelungen vor. Bei weiteren Fragen zum UZK wende man sich an das zuständige Hauptzollamt,einen versierten Zollberater oder besuche die Website des BMF, www.zoll.de.

Anja Falkenstein, Rechtsanwältin, Karlsruhe
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