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Sparsame Unternehmen werden belohnt

EEG-Update 2017
Sparsame Unternehmen werden belohnt

Strom ist für energieintensive Unternehmen ein teurer Produktionsfaktor. Kosten entstehen nicht nur beim Einkauf, sondern auch durch die Umlage, die der Staat zur Finanzierung der Energiewende allen Stromverbrauchern auferlegt. Im Bereich der Umlageermäßigungen sieht das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zum 1.1.2017 Änderungen vor.

Der Umbau des Energiesystems ist langwierig und teuer. Die Kosten tragen sowohl private Stromkunden als auch, in höherem Maße, die Industrie in Form der sogenannten EEG-Umlage. Stromintensive Unternehmen kamen dabei in den Genuss einer besonderen Ausnahmeregelung und mussten die Umlage nur zu einem Bruchteil zahlen. Seit der Reform des EEG im Jahre 2014 wird diese Entlastung nur noch Unternehmen aus Branchen mit einer bestimmten Kombination aus Strom- und Handelsintensität gewährt, und dies auch nur dann, wenn sie im internationalen Wettbewerb stehen. Denn die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen auf den Weltmärkten soll erhalten werden. Für diese als „besondere Ausgleichsregelung“ bekannte Privilegierung gelten bisher zwei Schwellenwerte, ab 2017 soll nun ein dritter, vorgelagerter Schwellenwert hinzukommen.

Seit dem EEG 2014 gilt: Unternehmen müssen dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle nachweisen, dass der Anteil der Stromkosten an ihrer Bruttowertschöpfung besonders hoch ist: 16 Prozent beziehungsweise 20 Prozent, je nach Branche. Dazu hatte der Gesetzgeber dem Gesetz zwei Listen angehängt: Liste 1 mit 68 Branchen, für die die 17-Prozent-Schwelle gilt, Liste 2 mit weiteren 151 Branchen, für die die Schwelle von 20 Prozent gilt. Die Belastung durch die EEG-Umlage wird bei Erreichen der Werte auf maximal vier Prozent der Bruttowertschöpfung des jeweiligen Unternehmens beschränkt; für Unternehmen der Liste 2, die die 20-Prozent-Schwelle erreichen, sogar auf maximal 0,5 Prozent. Diese Regelung wird in Anlehnung an die zugrunde liegenden EU-Vorgaben „Cap“ beziehungsweise „Super-Cap“ genannt.
Die neue, vorgelagerte Begünstigungsstufe stellt auf einen Wert von 14 Prozent Stromkostenanteil an der Bruttowertschöpfung ab und gilt nur für Betriebe, die unter die Branchen der Liste 1 fallen. „Die Absenkung des Schwellenwertes auf 14 Prozent soll vor allem Unternehmen entlasten, die aufgrund von Effizienzverbesserungen beim Stromverbrauch nicht mehr den im EEG 2014 festgelegten Schwellenwert von 17 Prozent erreichen und somit die volle Umlage zu zahlen hätten“, erläutert Sebastian Franke, beim Verband der Chemischen Industrie (VCI) für die Energiepolitik zuständig. „Dabei handelt es sich auch um kleinere und mittlere Unternehmen, die genau wie große Stromverbraucher im internationalen Wettbewerb stehen.“
Belohnung fürs Stromsparen
Und die man ohne die neue Härtefallregelung dafür bestrafen würde, dass sie ihren Stromverbrauch in den vergangenen Jahren senken konnten. Sie sollen ab dem kommenden Jahr pauschal 20 Prozent der EEG-Umlage, also etwa 1,3 Cent pro Kilowattstunde, zahlen müssen, ohne weitere Cap- oder Super-Cap-Reduzierung. „Die Härtefallregelung soll auch nicht davon abhängen, dass das Unternehmen über einen Begrenzungsbescheid für 2014 verfügt“, sagt Rechtsanwalt Jens Nünemann, Energierechtsspezialist der Braunschweiger Kanzlei Ritter Gent Collegen. „Für Unternehmen der Liste 2 ist diese Einschränkung in § 103 Absatz 4 EEG 2014 bekanntlich noch so vorgesehen.“ Das stelle noch immer eine Belastung dar, die Unternehmen in anderen Ländern nicht tragen müssten, sagt VCI-Mann Franke. Für viele Unternehmen sei Strom ein wichtiger Produktionsfaktor und die verminderte EEG-Umlage lebensnotwendig. „Einsparungen oder Effizienzverbesserungen sind jedoch aufgrund physikalisch-technischer Grenzen kaum mehr möglich“, so Franke.
Umweltschutz und Kohlenstoff-Leck
Nicht nur für die deutsche Wirtschaft, sondern auch für den globalen Klimaschutz, sieht das produzierende Gewerbe in Deutschland die Umlagebefreiung als unerlässlich an. „Die stromintensiven Unternehmen würden andernfalls aufgrund der durch die Umlage herbeigeführten Zusatzbelastungen, die der internationale Wettbewerb nicht zu tragen hat, erheblich benachteiligt und müssten in der Folge gegebenenfalls sogar aus dem Wettbewerb ausscheiden“, gibt Professor Peter Oligmüller von Thyssenkrupp Steel zu bedenken. Dies würde auch dem Umweltschutz schaden, weil an deren Stelle Unternehmen träten, die die strengen deutschen Umweltauflagen nicht erfüllten. „Einem solchen Carbon Leakage-Risiko muss, auch nach europäischem Recht, entgegengewirkt werden“, fordert Oligmüller. Von dem „Kohlenstoff-Leck“ spricht man, wenn Unternehmen ins Ausland abwandern, um Kosten für den Klimaschutz zu sparen.
Eigenstromanlagen
Auf eine andere Neuerung weist Anwalt Nünemann hin: „Nach dem EEG 2017 können auch Einzelkaufleute die besondere Ausgleichsregelung in Anspruch nehmen; das Antragsrecht war bisher auf Personenvereinigungen beschränkt.“ Einzelkaufleute sollen sogar zusätzlich ein rückwirkendes Antragsrecht für die Begrenzungsjahre 2015 bis 2017 erhalten, wenn sie einen entsprechenden Antrag bis 31. Januar 2017 stellen. Die Quote der durch die besondere Ausgleichsregelung Begünstigten wird durch die Gesetzesänderungen steigen; bisher kamen gerade einmal vier Prozent der Industrieunternehmen in den Genuss der Privilegierung.
Besondere Brisanz für die Industrie könnte im Wegfall des Eigenstromerzeugerprivilegs liegen. Wer bisher Strom selbst erzeugt und verbraucht hat, war von der EEG-Umlage befreit. Für Bestandsanlagen wird dies auch weiterhin gelten, zumindest solange sie nicht modernisiert werden. Neuanlagen werden jedoch zukünftig grundsätzlich mit der vollen Ökoumlage belastet. Dem ging ein langer Streit mit der Europäischen Kommission voraus, die in der Begrenzung der Umlage eine Beihilfe sieht, für die die europäischen Umwelt-und Energiebeihilfeleitlinien (EEAG) gelten. Wie schon 2014 musste die Bundesregierung auch diesmal hart verhandeln und einige Zugeständnisse machen, um aus Brüssel grünes Licht für die Gesetzesänderung zu bekommen. Eine endgültige Bestätigung der Beihilfekonformität steht allerdings noch aus.
Auswirkungen auf die Beschaffungsseite
Auf den Stromeinkauf werden die neuen energierechtlichen Regelungen wohl keinen Einfluss haben. „Die Höhe der Umlage wirkt sich nur geringfügig auf die Einkaufsstrategie der Unternehmen der chemischen Industrie aus, da sie – im Gegensatz zu den restlichen Stromkosten – nicht beeinflusst werden kann“, sagt VCI-Referent Franke. „Unsere Unternehmen sind beim Einkauf von Strom vor allem auf Planungssicherheit angewiesen, die Minimierung wirtschaftlicher Risiken erfolgt durch Diversifizierung des Einkaufs.“ Volatilitäten auf dem Strommarkt seien dabei Chance und Risiko zugleich, hätten aber keine Auswirkung auf die Höhe der zu zahlenden Umlage und umgekehrt.

Strom- und Energiesteuer- Transparenzverordnung

Info

Die Strom- und Energiesteuerentlastungen sind als Beihilfen im Sinne des EU-Rechts anzusehen, über deren Umfang die Mitgliedstaaten jährlich Daten erheben müssen. Die imMai 2016 in Kraft getretene Strom- und Energiesteuer-Transparenzverordnung verpflichtet daher alle Unternehmen, beihilferelevante Steuerentlastungen zu melden. Dies geschieht jeweils zum 30.6. eines Jahres durch Mitteilung des für das Vorjahr vereinnahmten Steuervorteils auf einem amtlichen Formular, das dem Hauptzollamt zu übermitteln ist (erstmals zum 30.6.2017 für das zweite Halbjahr 2016 und sodann fortlaufend kalenderjahrbezogen). Befreiungen von der Meldepflicht sind unter engen Voraussetzungen möglich.

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Anja Falkenstein,
Rechtsanwältin,
Karlsruhe
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