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KI-gestützte Einkaufsplanung: Der Weg aus der Energiekrise?

Künstliche Intelligenz in der Bedarfsplanung 
KI-gestützte Einkaufsplanung: Der Weg aus der Energiekrise?

KI-gestützte Einkaufsplanung: Der Weg aus der Energiekrise?
Dr. Björn Stauss, Area Vice President CEE beim Planungssoftware-Anbieter Anaplan, über die Bedeutung von KI in der Bedarfsplanung. Bild: Anaplan
Die Energiekrise macht deutschen Unternehmen zu schaffen. Bei diesen hohen Preissteigerungen fragt sich vor allem das produzierende Gewerbe, ob es noch wirtschaftlich handeln kann. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, welche Rolle Werkzeuge wie die Künstliche Intelligenz bei der Entscheidungsfindung spielen können.

„Zweiundvierzig!”, verkündet der Supercomputer Deep Thought nach siebeneinhalb Millionen Jahren Rechenzeit in Douglas Adams’ “Per Anhalter durch die Galaxis”. Mit dieser Antwort auf die “Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest” hatte niemand gerechnet – aber bei Künstlicher Intelligenz müssen Fragen eben mit Bedacht gestellt werden.

Zuerst Hausaufgaben machen

Was bedeutet das für uns Erdlinge, die sich ebenfalls ultimative Antworten von unseren KIs erhoffen? Die ernüchternde Antwort ist, dass selbst Künstliche Intelligenz keine Kristallkugel ist, die uns auf einen Blick sagt, wie wir aus der derzeitigen Krise herauskommen. Die gute Nachricht ist aber, dass KI-gestützte Modelle uns nichtsdestotrotz Einsichten in die Treiber geben, die die Outcomes unserer Geschäftsentscheidungen beeinflussen – sofern wir die richtigen Fragen stellen.

Hierfür müssen wir aber zunächst unsere Hausaufgaben machen. Um maßgeblich bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen, brauchen KI-gestützte Predictive-Insights-Modelle zunächst Unternehmensdaten. Diese müssen sauber angelegt sein, ausführlich, und zwar am besten auf einer unternehmensweiten und abteilungsübergreifenden Plattform. Mit isolierten Spreadsheets kommt man auch unter Zuhilfenahme von KI-Lösungen nicht weit.

Planung über Szenarien-Berechnung: Was wäre wenn?

Sagen wir nun, unsere Hausaufgaben sind gemacht. Unsere unternehmensweiten Daten liegen formschön in einer Single Source of Truth und das Connected Planning – also die intelligente Planung auf Grundlage dieser verknüpften Daten – kann losgehen. Wie gehen wir nun vor?

Die Stärke von KI-gestützten Predictive Insights in der Planung liegt darin, die historischen Unternehmensdaten zusammen mit externen Daten auszuwerten und auf dieser Basis Was-wäre-wenn-Szenarien und Prognosen zu erstellen. So können die Outcomes bestimmter unternehmerischer Entscheidungen projiziert und entlang verschiedener Einflüsse angepasst werden.

Je mehr Daten hierbei zur Verfügung stehen, umso umfangreicher ist das Prognosemodell und umso besser können die komplexen Wechselwirkungen der verschiedenen Treiber und Faktoren berücksichtigt werden. Die unternehmensweite Datensammlung ist hier das Schlüsselwort. Denn nicht nur die Kennzahlen aus der Beschaffung oder aus der Finanzabteilung sind für das Connected Planning zu berücksichtigen, sondern auch aus Abteilungen wie Personal oder Vertrieb.

Die Szenarienberechnung ist besonders geeignet, um diejenigen Treiber und Faktoren zu ermitteln, die sich besonders auf bestimmte Outcomes auswirken. Gerade wenn sich in Krisenzeiten die Frage stellt, wo gespart werden kann, helfen diese Berechnungen bei der Optimierung solcher Entscheidungen.

Ist die Zeit vorbei für just in time?

Nun stecken viele Unternehmen in Deutschland und Europa gerade in einer Krisenzeit. Seit Russland als Lieferant für billiges Gas weggefallen ist, explodieren die Preise für Gas und Strom auf das Dreißigfache, Tendenz steigend. An diese Zeitenwende gilt es sich anzupassen.

Bisher war das Mantra in der Einkaufsplanung grob gesagt: „Egal wie, ich komme an die Ware ran.“ Güter waren so günstig, dass selbst ein kurzfristiges Einfliegen wirtschaftlicher war, als das Band stehen zu lassen. Stabile Lieferketten begünstigten die Just-in-time-Produktion.

Mit den exorbitanten Energiekosten muss sich die Wirtschaft ein Stückweit von diesem Paradigma wegbewegen. Das ganze Warenlager kann nicht mehr „auf der Straße“ sein; es muss damit gerechnet werden, dass einige Waren sich zeitweise nicht beschaffen lassen, und diese „just in case“ auf Lager behalten werden.

Wer seine Energie im Vorfeld zum Festpreis beschafft, kommt in der derzeitigen Situation noch vergleichbar gut davon. Doch für die meisten Unternehmen erfolgt die Energiebeschaffung zum Tagespreis – und der ist hoch. Die Frage, die sich gestellt werden muss, bevor KI-Modelle zu Rate gezogen werden, ist: Was sind meine hochkritischen Produkte? Was sind meine Must-Haves, die ich auf jeden Fall weiterhin preis- und liefer-, aber auch bedarfsoptimiert abstimmen will?

Stillstand hat seinen Preis

Bei den Must-Haves gilt es die 80:20-Regel zu beachten: 20 Prozent meiner zu beschaffenden Güter machen 80 Prozent meiner Einnahmen aus. Wie kann ich dieses Verhältnis beibehalten, wenn die hochkritische Ware Energie nun begrenzt werden muss, oder extern begrenzt zu werden droht?

Jede Branche muss sich angesichts dieser Priorisierung fragen, was die wirtschaftlichste Handlung wäre. Ein Unternehmen, das beispielsweise Zement herstellt und somit einen extrem hohen Energiebedarf hat, kann es sich nicht erlauben, den Energiepreisanstieg 1:1 an seine Kunden weiterzugeben und muss anderswo Einsparungspotenziale realisieren.

Schwieriger wird es, wenn hochspezialisierte Technik im Spiel ist, bei der es auf lange Sicht teurer ist, sie abzustellen, als sie weiter zu betreiben. Gießereimaschinen in der Glasproduktion benötigen einerseits extrem viel Energie, gehen andererseits aber buchstäblich kaputt, wenn sie nicht laufen. Zwischen den Szenarien Kurzarbeit, Kapazitäten reduzieren oder weiterhin zu 100 Prozent produzieren gibt es also viele Faktoren, die in der wirtschaftlichen Entscheidungsfindung eine Rolle spielen.

Auch der Faktor Mensch spielt eine Rolle – der Mitarbeitermangel zeichnet sich inmitten der Krise ab. Sind die begrenzten Unternehmensressourcen vielleicht besser dafür genutzt, Mitarbeiter zu rekrutieren und weiterzubilden? Hier zeigt sich die Vernetzung zwischen Beschaffungs- und Personalplanung. Flughäfen, die zu Beginn der Pandemie in Kurzarbeit gingen, haben nun Schwierigkeiten, ihre Kapazitäten wieder auf das Normalniveau zu bringen. So kann auch der Ausstieg aus einer Krise unerwartete Kostenpunkte mit sich bringen, die es zu antizipieren gilt.

Künstliche Intelligenz bei der Entscheidungsfindung

Mögliche Wege, um die Krise zu überstehen, gibt es viele. Doch nicht immer sind sie die wirtschaftlichste Option. Nicht wenige Unternehmen, die in Kurzarbeit gehen, wären mit einem Produktionsrückgang von beispielsweise 20 Prozent langfristig besser davongekommen.

Doch um diese Berechnungen und Forecasts durchführen zu können, muss zuallererst die Kontrolle über die eigenen Unternehmensdaten vorhanden sein. Selbst wenn es in erster Linie um die Beschaffung geht, sind es letztendlich die Informationen aus dem gesamten Unternehmen, die es zu beachten gilt.

Mit ihnen kann Künstliche Intelligenz bei der Entscheidungsfindung helfen. Sie ist hier nicht zu verstehen als eine Kristallkugel, die die Zukunft voraussagt. Eher lässt sie uns in verschiedene Zukunftsszenarien blicken und ausmachen, welche Faktoren und Treiber wohin führen. Und das mitunter schneller als Douglas Adams’ Deep Thought.

Über den Autor:

Dr. Björn Stauss

…ist Area Vice President CEE beim Planungssoftware-Anbieter Anaplan, der digitalen Plattform für vernetzte Unternehmensplanung, Geschäftsanalytik und Forecasting.

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