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Konkurrenten im Markt – Partner im Einkauf

Chancen und Risiken bei Einkaufskooperationen
Konkurrenten im Markt – Partner im Einkauf

Eine starke Position im Einkauf kann zu signifikanten Wettbewerbsvorteilen führen. Sollte man gegenüber Lieferanten also einfach im Team auftreten und das Einkaufsvolumen mit seinen Wettbewerbern bündeln? Besser nicht, denn der gemeinsame Einkauf ist immer auch kartellrechtlich relevant. Aber: Eine rechtliche abgesicherte und gut strukturierte Einkaufskooperation ist auch in kommerzieller Hinsicht unbedingt wertvoll. Höveler Holzmann, Spezialisten für Supply Chain- und Einkaufsoptimierung, und Marck, Experten für Kartellrecht und Handelsregulierung, haben Hilfestellungen zur Gestaltung von Einkaufskooperationen zusammengefasst.

Steigende Kosten, Versorgungsengpässe, komplexe Logistik, mächtige Lieferanten – im Einkauf stehen Unternehmen heute vor großen Herausforderungen. Strukturen und Prozesse im eigenen Unternehmen bieten zwar immer Potenziale für Optimierung, aber der Blick über den „Tellerrand“ des eigenen Unternehmens hinaus kann ebenfalls sehr lohnend sein. Der gemeinsame Einkauf mit Wettbewerbern kann sogar abseits von Kosten- und Verhandlungsaspekten viele Vorteile bringen – wenn die kommerziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen stimmen.

Bei einer Einkaufskooperation einigen sich Unternehmen darauf, ihre Nachfrage zu bündeln. Maßgebliches Ziel: Von ausgewählten Lieferanten bessere Konditionen zu erhalten. Denn reduzieren können sich neben den Einstandspreisen auch Transport-, Lagerhaltungs- oder Bestellabwicklungskosten. Potenziale für eine Verbesserung können zusätzlich bei den Zahlungs- und Lieferbedingungen entstehen. Neue Handelsware im eigenen Sortiment bieten darüber hinaus zusätzliches Potenzial für den Ausbau des eigenen Angebots. Und wenn mehrere Partner sich auch bei der Logistik für eine Zusammenarbeit entscheiden, profitieren sogar die Lieferketten von höherer Effizienz.

Kooperation: Ein mächtiger Hebel für Wettbewerbsvorteile

Praktische Beispiele für erfolgreiche Kooperationen im Einkauf gibt es viele: Etwa in den Bereichen Automotive und Kfz-Teile, im mittelständischen Handel, bei Möbeln und Krankenhausbedarf. Um selbst einmal Gegenstand eines Best-Practice-Beispiels zu werden, reicht es jedoch nicht, die passenden Partner zu identifizieren. Auch rechtliche Voraussetzungen müssen berücksichtigt werden. Denn das Kartellrecht lässt eine Kooperation von Wettbewerbern nur unter bestimmten Voraussetzungen zu.

Sondierung: Die rechtlichen Rahmenbedingungen kennen und einhalten

Das Kartellverbot gilt in Deutschland und in sehr ähnlicher Weise in der gesamten Europäischen Union. Bei kartellrechtlichen Verstößen drohen Verfahren und Bußgelder. Aber nicht jede Zusammenarbeit unter Wettbewerbern ist kartellrechtlich verboten – wettbewerblich vorteilhafte Kooperationen sind in der Regel gestattet.

Zukünftige Kooperationspartner einer Einkaufskooperation müssen vor allem zweierlei beachten:

1) Sie sollten zum einen auf ihre gemeinsamen Marktanteile achten, denn diese dürfen nicht zu groß sein. Das Kartellrecht betrachtet gemeinsame Marktanteile einer Einkaufskooperation von 15 % oder weniger in aller Regel als unkritisch. Achtung: Diese Schwelle gilt nicht nur für den Einkaufsmarkt, sondern auch für den nachgelagerten Verkauf. Gemeinsame Marktanteile deutlich oberhalb von 15 % sind hingegen schnell kartellrechtlich kritisch. Der richtigen Definition der relevanten Märkte kommt hier natürlich eine sehr große Bedeutung zu: Je größer die Märkte, desto kleiner in der Regel die gemeinsamen Marktanteile (und vice versa).

2) Die Zusammenarbeit der Kooperationspartner sollte sich zum anderen auf das beschränken, was für den gemeinsamen Einkauf strikt erforderlich ist. Dazu zählt etwa der Austausch von Einkaufspreisen und Informationen hinsichtlich der gemeinsam verhandelten Produkte. „Überschießende“ Zusammenarbeit, insbesondere Informationsaustausch zu kommerziell sensiblen Informationen sind hingegen kartellrechtlich sehr kritisch, insbesondere wenn es sich um vertriebsbezogene oder strategische Informationen handelt. So könnte selbst ein unbeabsichtigter Austausch unter Kooperationspartnern zu ihren jeweiligen Verkaufspreisen von Kartellbehörden verfolgt und mit hohen Bußgeldern geahndet werden.

Eine Potenzialanalyse gibt Aufschluss über die Erfolgsaussichten

Gleichzeitig muss sichergestellt sein, dass die Kooperation ausreichendes kommerzielles Potenzial bietet.

Im ersten Schritt gilt es, die jeweiligen Bedarfe zu messen. Sinnvoll ist hierfür ein Benchmarking, das eindeutig darlegt, welche Stückzahlen welcher Waren oder Dienstleistungen benötigt werden. Für diese Aufgabe hat sich eine mehrdimensionale Spend-Analyse mit Datenkubus bewährt. In diesem werden die Bedarfe der Partner in Warengruppen und Lieferantengruppen für Materialien und Dienstleistungen strukturiert dargestellt.

Der zweite Schritt umfasst das Identifizieren und Priorisieren von Überschneidungen einschließlich der betroffenen Warengruppen und Lieferanten. Diese Maßnahme dient auch der Sicherstellung der Verfügbarkeit für alle Partner und gewährleistet, dass die Zusammenarbeit in möglichst vielen Aspekten lohnenswerte Folgen für alle Beteiligten hat.

Drittens müssen die Anforderungen und Restriktionen an sämtliche betroffenen Dienstleistungen und Materialien formuliert werden – sollen im Rahmen der Kooperation keine Unstimmigkeiten entstehen, müssen die Bedarfe aller Partner zusammenpassen. Je mehr Einigkeit erzielt wird, desto größer sind die potenziellen Vorteile: Der gemeinsame Bezug zweier unterschiedlicher Produkte bei einem Lieferanten kann lohnend sein. Einigen sich beide Partner aber auf dasselbe Produkt, erhöht sich in der Folge der Synergieeffekt umso mehr.

Im abschließenden vierten Schritt werden Synergiepotenziale für alle Beteiligten durch Kosten-Benchmarks quantifiziert und anschließend kartellrechtskonform berichtet (siehe dazu weiter unten). Die Maßnahme kann neben dem reinen Nettoeinkaufspreis auch Mengenrabatte betreffen, Katalograbatte, Umsatzboni, Skonti oder weitere Einkaufskonditionsarten. Am Ende ergibt sich der potenziell zu erzielende Netto-Einkaufspreis. Erst die Summe aller vier Schritte ermöglicht eine Bewertung des vollen Potenzials einer Einkaufskooperation.

Ein „Blackbox“-Verfahren macht die Potenzialanalyse kartellrechtskonform

Das Kartellrecht verbietet es Unternehmen grundsätzlich, ihre Einkaufspreise vor dem offiziellen Kooperationsbeginn auszutauschen. Um die Potenzialanalyse kartellrechtskonform durchzuführen, bietet sich daher ein sogenanntes „Blackbox“-Verfahren an. Hierfür erhält ein neutraler Dritter, meist ein Beratungsunternehmen, alle relevanten Zahlen von den beteiligten Kooperationspartnern. Mit diesen Informationen kann das Beratungsunternehmen die möglichen Einkaufsvorteile sicher und exakt berechnen und den Partnern ihre Potenziale berichten. Die Potenziale sind aber in einer Weise aggregiert bzw. anonymisiert, dass ein Rückschluss auf die einzelnen Einkaufspreise des jeweils anderen Partners nicht möglich ist. So ist die Gefahr eines Kartellrechtsverstoßes gebannt.

Die Verhandlung: Transparenz als Schlüssel für den Erfolg

Die Synergien sind identifiziert, der rechtliche Rahmen ist geklärt – nun muss die Zusammenarbeit in einem Vertragsentwurf festgehalten werden. Bei der Verhandlung der einzelnen Vertragspunkte verfügen die Parteien über viel Ermessen. Ein Vertrag über den gemeinsamen Einkauf regelt insbesondere meist folgende Aspekte:

  • Umfang der Kooperation: Wer sind die Teilnehmer, welche Produkte sind betroffen und welche Preise und Preiselemente werden gemeinsam verhandelt?
  • Verhandlungsmodell: Sind gemeinsame Verhandlungen beabsichtigt? Oder mandatieren die Partner sich gegenseitig oder ein gemeinsames Joint Venture?
  • Verhandlungsablauf: Wie werden die Verhandlungsziele abgestimmt? Wie verhält man sich im Falle der Eskalation? Wie werden die Verhandlungsergebnisse implementiert und berichtet?
  • Mitgliedschaft, Vertragsdauer und Kündigung: Ist die Kooperation exklusiv oder offen für neue Partner? Wie ist die Vertragslaufzeit und unter welchen Umständen kann gekündigt werden?

Die Umsetzung: Kooperation beeinflusst die eigene Organisation

Folgen der Kooperation für die eigene Einkaufsorganisation sind unumgänglich: Nötig sind Anpassungen an der Aufbau- und Ablauforganisation im Einkauf. Alle Partner sollten diesen Schritt frühzeitig planen, um einen reibungslosen und sicheren Übergang zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit sicherzustellen.

Bei der Aufbauorganisation kommen die im Vertrag fixierten Entscheidungen zum Tragen: Varianten wie ein Lead-Buyer-Modell oder die Neugründung einer Einkaufsgesellschaft sind möglich. Bei der Ablauforganisation empfiehlt sich die Definition von Verantwortlichkeiten und Schnittstellen im Einkaufsprozess und im Lieferantenmanagement gemäß der sogenannten RACI-Matrix: Für alle Teilaspekte des Einkaufsprozesses werden dabei die Verantwortlichkeiten festgelegt und transparent abgebildet. Auch dieser Schritt wirkt sich nicht nur positiv auf die Strukturen und den Informationsstand im eigenen Unternehmen aus, sondern auch auf kartellrechtliche Aspekte.

Die Nachsorge: Damit die Kooperation lange anhält

Im Sinne einer fruchtbaren Kooperation sollten alle beteiligten Partner eine nachhaltige Zusammenarbeit anstreben. Empfehlenswert ist ein fortlaufendes Controlling und transparentes Reporting über alle Aspekte der Partnerschaft. Dabei ist die Definition von Härtegraden sinnvoll: Durch diese kann der Umsetzungsgrad von Synergiepotenzialen differenziert betrachtet werden. Gleichzeitig kann so die kaufmännische Belastbarkeit aller einzelnen Positionen nach und nach erhöht werden.

Vertrauensvolle Partnerschaft führt zu langfristigem Erfolg

Bei einem strukturierten und kontinuierlichen Vorgehen, das marktwirtschaftliche Beobachtungen ebenso einschließt wie regelmäßige Evaluierungsgespräche mit den Beteiligten, können die Vorteile, die Partner aus einer Einkaufskooperation ziehen, transparent nachvollzogen werden. Mit effizientem Reporting werden sämtliche Vorteile genutzt und zusätzlich sogar neue Potenziale identifiziert.

Um eine Einkaufskooperation über lange Zeit erfolgreich aufrecht zu erhalten, ist Vertrauen nötig: In den Partner und in die Vorteile, die sich aus dem gemeinsamen Agieren für die eigene Organisation ergeben. Dabei stehen nicht kurzfristige Vorteile im Mittelpunkt, sondern eine kontinuierliche partnerschaftliche Zusammenarbeit, bei der negative Aspekte ebenso angesprochen werden wie positive Erfahrungen. Auf diesem Weg kann anhaltende Unzufriedenheit erst gar nicht entstehen – und sämtliche Potenziale werden ausgeschöpft, um den Einkauf zu einem anhaltenden Erfolgserlebnis zu machen.

Die Autoren:


Daniel Belka

ist Managing Partner bei Höveler Holzmann und berät Handels- und Konsumgüterunternehmen im Rahmen von ganzheitlichen Ergebnisverbesserungs- und Transformationsprogrammen. Seine Schwerpunkte liegen auf Fragestellungen betreffend die Optimierung der Supply Chain und von Einkaufsorganisationen. Mail: belka@hoeveler-holzmann.com


Dr. Reto Batzel

ist Rechtsanwalt und Partner der Boutiquekanzlei Marck in Düsseldorf. Er berät nationale und internationale Mandanten umfassend zu Kartellrecht, Compliance und Investigations. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehört die kartellrechtliche Beratung im Einkauf und Vertrieb, insbesondere die Beratung zu Einkaufskooperationen und anderen Kooperationsformen zwischen Wettbewerbern. Mail: reto.batzel@marck.eu

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