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Horst Mooshandl: „Mehr Mut zum Ausprobieren und Lernen“

Horst Mooshandl, CPO bei der Österreichischen Post
„Mehr Mut zum Ausprobieren und Lernen“

Die Österreichische Post hat eine kräftezehrende Transformationsreise hinter sich. Unter Federführung von CPO Horst Mooshandl fiel vor sechs Jahren der Startschuss für ein ehrgeiziges Procurement-Excellence-Programm. Sämtliche Prozesse galt es neu zu justieren. Im Gespräch mit Beschaffung aktuell zieht der 43-Jährige Bilanz.

Beschaffung aktuell: Herr Mooshandl, Sie haben den Radikalumbau begleitet. Wo stehen Sie heute?

Horst Mooshandl: Der Umbau ist abgeschlossen. Früher waren wir über Ländergrenzen hinweg bündelungsorientiert, haben Synergien und Kategorien entwickelt. Mittlerweile haben wir große Auslandsaktivitäten abgegeben. Im Fokus steht nun der Paketbereich mit Verteilzentren am Heimatmarkt und damit die Stärkung unseres Kerngeschäfts. Wir verantworten eine Vielzahl an Investitionsprojekten mit engen Termin- und Kostenplänen im Einkauf. Das ist eine interessante Reise für unsere Leute.

Beschaffung aktuell: Ein Megaprojekt war die Procure-to-Pay-Implementierung.

Mooshandl: Ja, auf der Prozessseite haben wir große Fortschritte gemacht. Innerhalb von drei Jahren wurde unsere Bestellplattform Easyprocure von der Anbieterauswahl bis zum Rollout implementiert. Das ist eines der mächtigsten Systeme mit 3000 Usern und 150 Katalogen. Darüber laufen 80 Prozent des Spends. IT-seitig haben wir schon frühzeitig unser eigenes Einkaufsinformationssystem entwickelt, ein evolutionäres Data Warehouse, das alle Aktivitäten abbildet – von Spend und Einsparungen über Risikomanagement-Maßnahmen bis Lieferantenbeurteilung. Die Methodik haben wir erdacht.

Beschaffung aktuell: Sind die Dienstleister mit Ihnen gewachsen? Es gibt ja keinen Anbieter, der vollumfänglich allen individuellen Anforderungen des Einkaufs gerecht wird.

Mooshandl: Wir haben uns passende Dienstleister gesucht: WPS für die Bestellplattform und die Firma Simmeth für das Einkaufsinformationssystem. Unsere E-Sourcing-Plattform befindet sich noch in der leicht verzögerten Implementierungsphase. Wir müssen in ein System unterschiedliche Verfahren integrieren. Rechtssichere öffentliche Vergabeschritte und zugleich reguläre RFI, RFP, RFQs und E-Auctions abzubilden, ist nicht einfach. Für beide Bereiche gibt es unterschiedliche Anbieter mit ganz spezifischen Funktionalitäten, die an Postbelange anzupassen sind.

Beschaffung aktuell: Rollen Sie auch international aus?

Mooshandl: Trans-o-flex in Deutschland ist weggefallen. Wir haben es mit einer hohen Anzahl kleinerer Tochtergesellschaften in Österreich und Osteuropa zu tun. Ob und in welcher Ausprägung wir Systeme ins Ausland ausrollen, wird man sehen. Bei manchen macht das aufgrund der fremden Sprache oder des relativ geringen Volumens wirtschaftlich keinen Sinn.

Beschaffung aktuell: Wie steht es um Ihre Lieferantenbasis? Haben Sie über die Jahre stark konsolidiert?

Mooshandl: Es gibt keinen Cut in der Fläche. Wir konsolidieren indirekt, indem wir im C-Sektor gute Angebote im Katalogwesen über Easyprocure schaffen. Aus Befragungen wissen wir, dass die Zufriedenheit unserer internen Kunden mit der Größe und Qualität des Katalogangebots wächst.

Beschaffung aktuell: Wie behandeln Sie Sonderbedarfe?

Mooshandl: In unserer Fuhrparkumgebung haben wir 40.000 Transaktionen alleine in der Instandhaltung. Die hier erfassten Informationen haben mit der normalen Bestellabwicklung relativ wenig zu tun. Der Fuhrparkbereich ist aufgrund der Fahrzeughistorie, durch unzählige Einzelelemente und hohen manuellen Prüfaufwand gekennzeichnet. Ähnlich ist das im Facility Management. Ansonsten ist der Weg Easyprocure und Katalog.

Beschaffung aktuell: Beim diesjährigen Einkaufsforum des BMÖ haben Sie einen Preis für eine Innovation gewonnen.

Mooshandl: Wir haben schon mehrere Produkte aus dem Einkauf heraus entwickelt und technische Betriebsgüter überarbeitet, um die Produktion effizienter zu machen. Der aktuelle Award hat uns natürlich gefreut. Wir haben Transportbehälter aus Metall klappbar gemacht, sodass im Leertransport erheblich weniger Platz benötigt wird.

Beschaffung aktuell: Diese Klappvariante erscheint naheliegend. Warum gab es das bisher nicht auf dem Markt?

Mooshandl: Die Anbieterseite hat sich in dem Bereich nicht weiterbewegt. Man macht weiter, was vermeintlich schon immer angesagt war. Oft wird auch davon ausgegangen, dass der Kunde keine Änderungen im Ablauf will. Das ist aber bei uns nicht so. Wir wollen proaktive Partner mit neuen Ideen. Im Fall der Klappbehälter haben wir uns intern mit den Nutzern aus Operations zusammengesetzt, den wirtschaftlichen Beitrag analysiert und einen Prototyp entworfen. Das Ergebnis ist jetzt patentiert, und das wollen wir auch vermarkten.

Beschaffung aktuell: Arbeiten Sie auch an Innovationen im Bereich Fuhrpark?

Mooshandl: Ja. Wir sind international ein Vorreiter in der Elektromobilität mit großem operativem Erfahrungsschatz. Vor allem die Citylogistik braucht neue Strukturen. Einzelne gebastelte Lösungen, Fahrräder und kleine Fahrzeuge der Autobauer sind ja nicht alleine zielführend. Wir fragen z. B., was ein neues Transportprodukt in diesem Segment unter Umweltaspekten kosten darf und welchen Markt es bedient. Bei der Ideenfindung stehen wir Kooperationen, Joint Ventures oder auch einem Zukauf offen gegenüber. Starre Denkweisen gehen am Kundenbedarf vorbei.

Beschaffung aktuell: Haben Sie das Mitarbeiterpotenzial für diese komplexen Aufgaben?

Mooshandl: In Österreich gibt es keine wirklich robuste Ausbildung für Einkäufer, das ist ein Problem. Wir haben es mit viel „Learning by doing“ zu tun. Das Profil des modernen Einkäufers gleicht einem Wunderwuzzi. Er braucht fundierte Kaufmannsdenke und Intelligenz in Sachen Projekt, Kultur, Kollaboration und Recht. Aber auch diese Ausprägung kommt nicht ohne Einkaufsbasiswissen aus. Theorie und Praxis sind leider oft zwei Paar Schuhe. Dieses Defizit in einem schwieriger werdenden Umfeld auszugleichen, ist eine große Herausforderung. Zugleich müssen wir Entwicklungsmaßnahmen und interessante Karrierewege aufzeigen, um Talente davon zu überzeugen, in den Einkauf zu wechseln. Dazu gehört auch, Wege aus dem Einkauf in andere Abteilungen anzubieten. Kaminkarrieren führen nicht weiter.

Beschaffung aktuell: Was tun Sie, um Ihre Anforderungsprofile von der Folie auf die Straße zu bringen?

Mooshandl: Image und eigenes Netzwerk sind ganz wichtig. Wir arbeiten daran, das Bild des stereotypen „harten Einkäufers“ aus den Köpfen zu bekommen. Wir führen ins Feld, dass man nur im Einkauf einen ganzheitlichen Blick auf die wirtschaftlichen Belange des Unternehmens gewinnt. Das hilft später ungemein. Anhand von Vorbildern zeigen wir auf, wohin es noch führen kann. Wir gehen gezielt auf talentierte Junge mit hochqualifizierter Basisausbildung zu und entwickeln dann einkaufsspezifisch weiter. Zwei Drittel der Führungspositionen in Konzerneinkauf und Fuhrpark sind übrigens mit Frauen besetzt. Wir haben eine Broschüre erarbeitet, die allen Mitarbeitern im Unternehmen sagt, was wir leisten, und zwar auch außerhalb des Einkaufs, etwa Lieferantenmanagement, Marktrecherchen und Schaffung von Transparenz. Und Kundenzufriedenheitsumfragen liefern Feedback.

Beschaffung aktuell: Was hat Ihnen der BMÖ-Award 2015 gebracht, als Sie für Transformation und Easyprocure ausgezeichnet wurden?
Mooshandl: Imagezuwachs innen und außen und einen großen Beitrag zum Employer Branding. Wir feiern uns aber nicht selbst. Mir ist wichtig, dass die Leute Anerkennung erfahren. Eine mehrfach ausgezeichnete Arbeitsumgebung schafft Motivation.

Beschaffung aktuell: Was tun Sie in Sachen Benchmarking?

Mooshandl: Wir haben uns zu Beginn des Transformationsprogramms zwei Ziele gesetzt: Zum einen die Senkung der Strukturkosten und des Konzern-Cash-outs, zum anderen wollten wir nach den ersten drei Jahren unter den drei Branchenbesten in Europa sein. Ein externer Dienstleister hat uns diesen Statuserfolg 2015 anhand eines MethodenBenchmarks bestätigt. Innerhalb der nächsten zwei Jahre werden wir das wiederholen.

Beschaffung aktuell: Wo müssen Sie noch nachlegen, Herr Mooshandl?

Mooshandl: Beim Thema Innovation müssen wir unser Profil schärfen. Welche Rolle wollen wir spielen, und in welcher Tiefe können wir uns das qualitativ leisten? Man braucht entsprechende Ressourcen und zusätzliches Know-how. Wir sind zwar eines der größten österreichischen Unternehmen, aber kein Global Player, der mal eben 200 Leute im Einkauf darauf ausrichten kann. Aber wir haben auch schon einiges auf den Weg gebracht, wie angesprochen.

Beschaffung aktuell: Welche Rolle spielt der Einkauf bei neuen Geschäftsmodellen und Start-ups?
Mooshandl: Die Post experimentiert viel in diesem Bereich, mit völlig unterschiedlichen Erfahrungen. Daraus sind schon viele Beteiligungen und Gründungen hervorgegangen, beispielsweise in Deutschland mit dem Pharmagroßhändler AEP. Unser Part hängt vom Modell ab. Bei einer Kooperation im Anlagenbereich für Paketlogistiker unterstützen wir zum Beispiel beim Lieferantenmanagement, obwohl das kleine Unternehmen nicht mehrheitlich der Post gehört. Wir geben unser Know-how weiter, wollen aber nicht erdrücken.

Beschaffung aktuell: Peugeot hat zuletzt eine große Ausschreibung bei Ihnen gewonnen.

Mooshandl: Wir haben das Management aller Divisionen zusammengeführt und den Fuhrpark verjüngt. Peugeot liefert uns 1000 Fahrzeuge der Typen Expert und Boxer.

Beschaffung aktuell: Auf welche Antriebstechnik setzt die Post?

Mooshandl: Die Peugeot-Fahrzeuge haben AdBlue®-Technologie und Euro-6-Motoren. Von der Problematik rund um Diesel und Schadstoffklassen haben wir uns weitgehend befreit. Wir beobachten auch die Brennstoffzelle und Benzin. Im Zustellbereich macht Benzin keinen Sinn, weil die Verbrauche zu hoch sind. Eine Umstellung von Diesel auf Benzin klingt zunächst schicker, würde aber den CO2-Ausstoß drastisch erhöhen. Unsere Strategie ist, so rasch wie möglich in komplett emissionsfreie Zustellung zu gehen. Bei unserem Leuchtturmprojekt „Grünes Wien“ ist alles, was mit Brief zu tun hat, CO2-frei. Bis 2030 wollen wir keinen einzigen 3,5-Tonner mit Verbrenner mehr im Einsatz haben. Insgesamt sind wir als Post heute schon CO2-neutral.

Beschaffung aktuell: Herr Mooshandl, welchen Rat können Sie nach sechs bewegten Jahren der Transformation anderen Einkaufsleitern geben?

Mooshandl: Haben Sie Mut zum Ausprobieren und Lernen! Wir haben anfangs versucht, möglichst viel zu verauktionieren. Mal gab es keine bis wenig Angebote, mal keine Preisvorteile. Aber es gab auch große Erfolge. Das spricht nicht gegen die Methode generell, aber wir haben viel über Methodik und Wirkungsweise gelernt. Und mit dem Wissen steigen Qualität und Ergebnis.

Das Interview führte Sabine Ursel,

Journalistin in Wiesbaden


Der Mann

Horst Ulrich Mooshandl

Der 43-Jährige kam 2012 zur Österreichischen Post. Er verantwortet als Prokurist und Leiter Konzerneinkauf und Fuhrpark die strategische Ausrichtung aller Einkaufsagenden.

  • Team: 25 Mitarbeiter (Einkauf)
  • Einkaufsvolumen: 0,5 Mrd. Euro
  • Konzernumsatz 2017: 1,9 Mrd Euro

Der Oberösterreicher war zuvor in Bonn als Senior Vice President Procurement & Supply Chain Management für die gesamten Einkaufs- sowie die zentralen Logistikagenden der Telekom Deutschland GmbH verantwortlich.

  • Frühere Stationen: T-Mobile Austria GmbH, Siemens AG Österreich und Austria Metall AG (AMAG).

Sabine Ursel,

freie Journalistin in Wiesbaden

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