Während der kritischen Corona-Monate musste der Einkauf der DB kurzfristig einen exponenziellen Jahresbedarf an Pandemieschutzartikeln decken. Zugleich hatten Bundesinnenministerium und Bundesgesundheitsministerium um Unterstützung bei der Beschaffung von Schutzmasken und Handdesinfektionsmitteln gebeten. Diese Warengruppen werden üblicherweise von vier Mitarbeitenden bearbeitet; in der Hochphase waren es 16 im ad hoc gegründeten „Pan-Team“. Die Task Force agierte unter Hochdruck an fünf Standorten in Deutschland und China.
Kraftakt in der Krisenzeit
Lieferengpässe gab es auch bei IT-Hardware, mobilen Endgeräten und Fahrzeugersatzteilen. Die Lieferung von Neufahrzeugen wird sich verspäten. Aufgrund des Ausfalls von Bauüberwachungspersonal und ganzen Bautrupps müssen nun einige Baumaßnahmen priorisiert werden. Für Infrastrukturmaßnahmen sind durch die DB Netz AG und DB S&S AG Risikomanagementsysteme aufgebaut worden, die von der Beschaffung marktseitig mit den Bauverbänden bzw. Baufirmen begleitet werden. Die Bautätigkeit läuft mittlerweile wieder ohne große Einschränkungen stabil. Und inzwischen fertigen alle kritischen Firmen mit Produktionsstandorten in Italien, Spanien oder Frankreich wieder mit voller Kapazität. Die DB führt die in der Krisensituation etablierten Gegensteuerungsprozesse kontinuierlich in der Linie fort. Uwe Günther: „Wir haben unsere Supply Chain für den Fall einer zweiten Welle auch durch ein gesamthaftes Risikomonitoring gestärkt. Das überwacht neben Pandemieschutzartikeln auch versorgungskritische Produkte und Leistungen für Infrastruktur und Transport. Das Tool wird sukzessive befüllt und stellt Lieferkettentransparenz her.“
Integrierte Einkaufsplattform
Im Mai 2019 hat die Beschaffung die konzernweite Einkaufsplattform „DB Marktplatz“ auf Basis von SAP Ariba freigeschaltet. Die kundenorientierte Anwendung basiert auf dem „Einfach-Einkauf-Ansatz“. Der Aufbau des Shopsystems wurde gemeinsam mit den Anwendern entwickelt und die bisherige Warengruppenstrukturen durch nutzerbasierte Strukturen abgelöst. Je häufiger das Tool genutzt wird, desto stärker verringern sich Prozessaufwände bei den Lieferanten, was sich in den Bezugspreisen der katalogisierten Produkte widerspiegelt. Derzeit verzeichnet der DB-Marktplatz rund 47.500 Anwender – Tendenz steigend. Ihnen soll das Einkaufsergebnis so einfach wie möglich gemacht werden. Pro Jahr sind rund 570.000 Bestellungen und Rechnungen abzuwickeln. Die Lösung wird sukzessive optimiert: in Sachen Oberfläche, Artikelbeschreibungen, Funktionen und Prozesse. SAP programmiert den Suchalgorithmus bis zum ersten Quartal 2021 neu. Uwe Günther will viele neue Lieferanten für den DB-Marktplatz gewinnen. Dazu wird er am 22. September auf dem virtuellen „Railway Forum“ entsprechend motivieren.
„End-to-end“-Ansatz
Einen „End-to-end“-Ansatz sieht auch das Projekt „Finance4DB“ vor. Ziel ist die Digitalisierung und Standardisierung der Finanzprozesse mit zentraler Verantwortung und Steuerung. Die Beschaffung gestaltet in diesem Rahmen das Procure2Pay-Projekt, das sich mit der Debitoren- bzw. Kreditorenbuchhaltung für den gesamten Bestell- und Lieferprozess bis hin zur Bezahlung im Konzern befasst. Dieser soll als „No touch“-Prozess vollständig digital möglich werden. Wesentliche Ziele: Minimierung operativer Tätigkeiten, Transparenz, höhere Datenqualität, effizientere Zusammenarbeit mit Lieferanten. Damit geht die fundamentale Veränderung der Arbeitsweise der Prozessbeteiligten einher.
Und die Lieferanten?
Die DB-Beschaffung trat frühzeitig zu Beginn der Krise mit ihren Zulieferern in Kontakt, um Verbesserungen in den betrieblichen Systemen zur Vermeidung von Infektionen und zur Erhöhung der Fahrgastsicherheit anzuschieben. Das waren freilich Ad-hoc-Maßnahmen im Krisenmodus. Über alle konzernweiten Maßnahmenpakete spannt sich der Bogen „Starke Schiene“. So ist die strategische Ausrichtung überschrieben. Uwe Günther erwartet von der Bahnindustrie „eindeutige Impulse und aktive Zusammenarbeit“. Alle Lieferanten müssen auch den Weg der Digitalisierung mitgehen. Beispiel: Wer noch immer mit Papierrechnungen arbeitet, muss sich schnellstmöglich auf digitale Rechnungsstellung umstellen, sonst ist auch eine vermeintlich traditionelle Beziehung zum Kunden Bahn rasch unweigerlich passé.
Themen und Agenda
„Railway Forum 2020 Digital Edition 2020“
Am 22. September 2020 wird auf dem virtuellen „Railway Forum 2020 Digital Edition 2020“ diskutiert:
- Wo steht die Deutsche Bahn derzeit (Zusammenarbeit, Ziele, Zahlen)?
- Wie sehen die automatisierten und digitalen Beschaffungsprozesse der Bahn künftig aus?
- Welche Beiträge werden von Partnern erwartet?
- Wie können neue Marktteilnehmer punkten?
Motto: Europa braucht eine starke Schiene – gerade in turbulenten Zeiten
22.9.2020, virtuelle Konferenz
Veranstalter: IPM AG (Hannover)
Kompetenzpartner: Deutsche Bahn AG
2000 Teilnehmer, über 40 Redner und 30 digitale Ausstellungsstände
Auszug aus der Agenda:
- Warum eine europäische Eisenbahnvision wichtiger denn je ist
Richard Lutz,
CEO, Deutsche Bahn AG - Wettstreit der Verkehrsträger: Wie Bahn und Industrie mit der Politik zusammenarbeiten sollten
Ronald Pofalla,
Vorstand Infrastruktur, Deutsche Bahn AG - Digitale Vernetzung in der Kreislaufwirtschaft als Wegbereiter für Schiene 4.0
Stefan Gladeck,
Direktor Vertrieb Industrial Sales Central Europe; Mitglied der Geschäftsleitung, SKF GmbH - Erfahrungen aus der Krise und was kommt danach?
Vertreter von China Railways, Rolling Stock, Schaeffler, SNCF, Vossloh etc. - Weitere Beiträge von Alacatel Lucent, A1 Digital, Celonis, Plasser & Theurer, Siemens Mobility, Spoorwegen, Telekom, Thales ZF etc.
- Statements Global Procurement, Deutsche Bahn
Uwe Günther (CPO),
Dr. Torsten Latz (Leiter Beschaffung Fahrzeuge und Fahrzeugteile),
Ralf Lüthi (Leiter Einkauf Allgemeine Bedarfe und Leistungen),
Jan Grothe (Leiter Beschaffung Infrastruktur)
Weitere Infos und die Anmeldung unter railwayforumdigital.de
Die Autorin
Sabine Ursel, Journalistin, Wiesbaden