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Unternehmensführung: Auf den Spuren betrieblicher Effizienz

Unternehmensführung
Auf den Spuren betrieblicher Effizienz

Ein Irrtum hält sich hartnäckig: Betriebliche Effizienz ist eine Frage der Organisation. Zutreffend ist, betriebliche Effizienz erwächst aus dem Zusammenspiel von Organisation und Verhalten.

Thomas Weegen, Deutschlandgeschäftsführer der Coverdale Unternehmensberatung sagt: „Unternehmen, in denen die tonangebenden Mitarbeiter die Kunst beherrschen, die Trumpfkarte bedachten Verhaltens auszuspielen, werden immer im Vorteil sein.“ Und die Begründung des Zusammenarbeitsexperten? „Gehen Vorgesetzte überlegt und umsichtig mit ihren Mitarbeitern um, auf sie zu und auf sie ein, entspannt das die Arbeitsatmosphäre im ganzen Unternehmen. Und je weniger innere Vorbehalte und Widerstände die Zusammenarbeit belasten, je aufgeschlossener die Einstellung zum Unternehmen ist, desto wirkungsvoller wird gearbeitet.“

Unterschätzter Dreh- und Angelpunkt betrieblicher Effizienz sei nun einmal eine Belegschaft, die nicht mauere. „Mauern heißt, Leistungspotentiale werden zurückgehalten. Hauptsächlicher Grund dafür sind als düpierend empfundene Verhaltensweisen in der Führung. Deshalb ist die Verhaltensebene eine zentrale Effizienzstellschraube. Wer sich nicht permanent vor den Kopf gestoßen fühlt, bringt sich nach innen ungebremster ein und tritt nach außen merklich gewinnender auf.“ Von ganz oben bis ganz unten wirkende Verhaltenskompetenz sei in ihrer breit stimulierenden Wirkung schlicht und einfach nicht zu überschätzen.

Sozialkompetenz als Schlüssel

„Sozialkompetenz ist die Formel für diejenigen, die auf Dauer Erfolg haben wollen“, stützt Organisationspsychologe und Arbeitsmediziner Professor Dr. Michael Kastner vom Institut für Arbeitspsychologie und Arbeitsmedizin (IAPAM) in Herdecke diese Einschätzung. Sozialkompetenz, erläutert Kastner, ist das Bewusstsein, in Wechselwirkung mit anderen Menschen zu leben und andere Menschen in ihrer Bedeutung für das eigene Wollen und Tun wahrzunehmen und entsprechend mit ihnen umzugehen. In der Praxis zeige sich dieses Bewusstsein nicht nur in kommunikativem Geschick, Konfliktfähigkeit, Teamfähigkeit, Durchsetzungsvermögen, Kooperations- und Koordinationsfähigkeit, sondern vor allem auch in Empathie und Sensibilität.

„Betriebliche Effizienz hat zwei Eltern: Organisation und Verhalten. Je besser Organisation und Verhalten zusammenwirken, desto wirkungsvoller arbeitet der Betrieb“, sagt Weegen. Beide Faktoren seien Engpassfaktoren. Doch unterschieden sie sich in ihrem Einfluss auf die betriebliche Effizienz erheblich. Eine engagierte, sich im Betrieb wohlfühlende und dem Betrieb verbundene Belegschaft sei in der Lage, organisatorische Mängel zu überspielen und zumindest eine Zeit lang zu kompensieren. Umgekehrt sei das nicht der Fall. Eine dem Betrieb distanziert gegenüber stehende, sich im Betrieb unwohl fühlende Belegschaft verstärke durch ihr gleichgültiges Verhalten noch die Effizienzbremswirkung organisatorischer Schwächen.

Als Beispiel dafür nennt er erfolgskritische interne Vorgänge und außerbetriebliche Entwicklungen. Laufe etwas schief, ballten sich Probleme zusammen, spüre das in ihrer hautnahen Verbindung zum Tagesgeschehen zuallererst die Belegschaft. „Können Belegschaft und Führung miteinander, kommen die Dinge auf den Tisch. Trennt Belegschaft und Führung ein emotionaler Graben, zucken alle nur mit den Schultern: Was soll’s? Sie können es drehen und wenden wie Sie wollen, wenn Sie an der betrieblichen Effizienz arbeiten wollen kommen Sie um den Verhaltensaspekt nicht herum“, sagt Weegen mit Verweis auf die innere Kündigung. Was sei dies anderes als Leistungsschauspielerei und larvierte Leistungsverweigerung aus Ärger und Frust.

Respektlosigkeit geht nach hinten los

„Wahrgenommen und wertgeschätzt zu werden, ist ein elementares menschliches Bedürfnis. Wird das im Betrieb vernachlässigt, bekommt der Betrieb dafür die Quittung. Nehmen wir ein Beispiel von existenzieller Bedeutung, die betriebliche Anschlussfähigkeit an Entwicklungen. Zieht die Belegschaft aus Desinteresse am Betrieb nicht mit, bringt sie sich nicht mit Herz und Hirn in die Veränderungsarbeit ein, wird dies zum fußkranken Bemühen“, sagt Professor Erich Kirchler, Vorstand des Instituts für Angewandte Psychologie der Universität Wien. Und ergänzt: „Der Einfallsreichtum kennt keine Grenzen, geht es darum, irgend etwas aus Ärger einfach laufen zu lassen oder zu hintertreiben!“ Und Ärger, erläutert die in Zürich lebende Psychotherapeutin und ehemalige Professorin für Psychologie an der Universität Zürich, Dr. Verena Kast, „tritt fast immer auf, wenn jemandem der Respekt versagt wird. Oder wenn sich jemand ausgenutzt vorkommt.“

Für den langjährigen Psychiater am Psychiatrischen Krankenhaus in Hall in Tirol und heutigen Lehrbeauftragten für Humanethologie (= auf Menschen bezogene Verhaltensforschung) am Institut für Psychologie der Universität Innsbruck, Dr. Gerhard Medicus, lenken diese beiden Empfindungen den Blick auf den Faktor Macht im Führungsgeschehen. „Machtakkumulation kann zu einer Veränderung der Selbstwahrnehmung führen und Selbstüberschätzung begünstigen. Infolgedessen nehmen viele Chefs oder Ranghohe die Abhängigkeit ihrer Erfolge von anderen Menschen und damit deren Leistungen nicht wahr.“

Wie lässt sich dieser Sprengsatz an der betrieblichen Effizienz entschärfen? „Über den Mut von Führungskräften, sich nach Fremdbildern von ihrer Person umzuhören und die zum Anlass zu nehmen, ihr Selbstbild und ihr Verhalten selbstkritisch zu hinterfragen oder einen Coach dabei um Hilfestellung zu bitten. Sei es durch eine diskrete erkundende Begleitung im Alltag oder mit gezielten Verhaltensfragen (siehe Kasten) im Vieraugengespräch“, sagt Weegen. Ein erfahrener Coach könne sich aus den Antworten die neuralgischen Punkte des Führungsverhaltens erschließen und sie bewusst machen.


Selbsteinschätzung

Fragen zur Evaluation des Führungsverhaltens

  • Können Sie sich auf Ihre Mitarbeiter einstellen? Tolerieren Sie deren Verhaltenseigenschaften?
  • Entschärfen Sie kritische Situationen auch mal mit Humor? Wie reagieren Sie auf Fehler oder Versäumnisse? Klären Sie zuerst den Sachverhalt oder fahnden Sie sofort nach Schuldigen?
  • Lassen Sie sich bei notwendiger Kritik von Ärger oder von dem Bemühen leiten, Einsicht in den Anlass der Kritik zu erwecken? Halten Sie Widerspruch Ihrer Mitarbeiter aus und setzen Sie sich damit auseinander?
  • Legen Sie Wert auf den Rat Ihrer Mitarbeiter? Beziehen Sie deren spezielle Kenntnisse und Erfahrungen ganz selbstverständlich in Ihre Überlegungen und Entscheidungen ein? Halten Sie es aus, suchen ihre Mitarbeiter von Ihren Vorstellungen abweichende eigene Wege zur Aufgabenerfüllung?
  • Stimmen Sie sich mit Ihren Mitarbeitern ab, bevor Sie Meetings ansetzen? Sorgen Sie dafür, dass sich Meetings nicht hinziehen?
  • Haben Sie Verständnis für den Wunsch Ihrer Mitarbeiter nach einem ungestörten Feierabend oder Wochenende? Nehmen Sie sich hin und wieder die Zeit für ein paar private Worte mit Ihren Mitarbeitern? Sehen Sie in Ihren Mitarbeitern Erfüllungsgehilfen oder verstehen Sie sich als aufeinander angewiesene Leistungsgemeinschaft?

Mehr zum Thema

Weiterführende Literatur

  • Denis Mourlane: Emotional Leading – Die Kunst, sich und andere richtig zu führen. dtv Verlagsgesellschaft, München 2018
  • Reinhard K. Sprenger: Radikal Digital –
    Weil der Mensch den Unterschied macht – 111 Führungsrezepte. DVA Deutsche
    Verlagsanstalt, München 2018

Hartmut Volk,
freier Journalist

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