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Führungstrend Ambidextrie: Führung zwischen Effizienz und Agilität

Führungstrend Ambidextrie
Führung im Spannungsfeld zwischen Effizienz und Agilität

Führung im Spannungsfeld zwischen Effizienz und Agilität
Bei Doppelstrukturen im Unternehmen ist es wichtig, dass die „Kernmannschaft“ ihre Expertise in die agilen Projekteinheiten trägt und umgekehrt. Bild: fotogestoeber/Fotolia
Das Kerngeschäft optimieren und gleichzeitig schneller und agiler im digitalen Wettbewerb werden, ist für die meisten Führungskräfte eine große Herausforderung. Entsprechend schwer tun sich viele mit dem Management dieser neuen Art der Organisation.

Ludwig Oesterlein, Werksleiter bei Europipe, beschreibt die Problematik, mit der viele Entscheider aktuell zu kämpfen haben, treffend: „Wir stehen vor der Herausforderung, uns einerseits auf ständig wechselnde Anforderungen der Kunden einzustellen, andererseits müssen wir das Massengeschäft am Laufen halten. Dafür ringen wir stets darum, Lösungen zu finden, mit denen die Kunden zufrieden sind und wir unsere Produktion auf hohem Niveau halten können. Aber das funktioniert nicht mehr mit der Arbeit nach Schema F.“

Wenige Entscheider setzen auf Agilität

Um im digitalen Wettbewerb bestehen zu können sowie dauerhaft innovativ zu bleiben, haben viele Firmen jenseits ihres Kerngeschäftes digitale Einheiten wie Innovation Labs oder Start-ups gegründet. Auf diese Weise sollen mittels Einsatz agiler Methoden wie Scrum oder Design Thinking neue Themen und Projekte mit Hochdruck vorangebracht werden. Die Pionierarbeit übernehmen allerdings, wie häufig vermutet, nicht allein die „Digital Natives“. Auch erfahrene Mitarbeiter aus unterschiedlichsten Fachbereichen leisten ihren Beitrag bei der Neuentwicklung von Produkten und Services entlang veränderter Kundenbedürfnisse. Genau an dieser Stelle wird der Erfolg von Innovationen künftig mehr denn je vom nahtlosen Zusammenspiel dieser beiden organisatorischen Einheiten abhängen.

Fokus auf „alte Themen“

Für die Führung heißt das, Stärken aus der Linienorganisation wie zum Beispiel Branchen- und Kundenwissen mit den Vorteilen der innovativen Projekteinheiten zu verknüpfen. Allerdings zeigt die Praxis, dass Wunsch und Wirklichkeit hier noch weit auseinanderliegen. Das offenbart die aktuelle Erhebung des Personaldienstleisters Hays in Zusammenarbeit mit den Marktforschern von PAC. Denn von insgesamt 226 befragten Führungskräften sehen nur 22 Prozent die Verbesserung der Agilität als vorrangiges Ziel an. 23 Prozent wollen sich eher auf die Automatisierung ihrer Prozesse konzentrieren. Und nur magere 13 Prozent wollen sich verstärkt um die veränderten Kundenbedürfnisse kümmern. Für die Studienverfasser ein klares Indiz dafür, dass die viel beschworene agile Revolution erst einmal ausfällt: Die Unternehmen fokussieren sich in erster Linie auf „alte Themen“, die das Kerngeschäft sichern. Zudem ist es ihnen ungleich wichtiger, die bestehenden Prozesse weiterzuentwickeln und zu optimieren, statt in die Agilität und Selbstorganisation der Mitarbeiter zu investieren.

 59 Prozent kämpfen noch mit Silo- und Inseldenken

Digitale Themen werden aus der bestehenden Organisation entwickelt. Dabei ist es vor dem Hintergrund dieser Doppelstrukturen eminent wichtig, dass die „Kernmannschaft“ ihre Expertise in die agilen Projekteinheiten trägt und umgekehrt. Nur so können beide Einheiten voneinander profitieren und dem Unternehmen digitale Erfolge bescheren. Schaut man sich dann allerdings die Studienergebnisse an, findet man bei Fachbereichsentscheidern wie auch bei der Führung insgesamt immer noch ein stark ausgeprägtes traditionelles Rollenbild vor. So tun sich ganze 61 Prozent beispielsweise noch schwer, ihren erlernten Führungsstil zu verändern. 60 Prozent von ihnen fühlen sich vom Kerngeschäft so sehr in Beschlag genommen, dass ihnen keine Zeit für die konsequente Zusammenarbeit mit agilen Einheiten bleibt. Und 59 Prozent kämpfen immer noch mit Silo- und Inseldenken in den Bereichen. Das zeigt: Egal, ob beim Führungsstil, den Arbeitsabläufen oder zeitlichen Invests, die Mehrheit geht auf Nummer sicher. Solange sie die Auswirkungen der digitalen Neuerungen auf ihren eigenen Arbeitsbereich nicht einschätzen können, zählen bewährte Praktiken und Strukturen. Wie stark die viele Mitarbeiter an „alten Zöpfen“ festhalten, zeigt sich auch daran, dass 64 Prozent der Befragten neue, digitale Themen aus der bestehenden Organisation heraus entwickeln. Zwar ist die Mehrheit der Mitarbeiter bereits an innovativen Projekten beteiligt. Dennoch macht dieses Ergebnis klar, welchen untergeordneten Stellenwert ein Innovation Lab vielerorts noch hat, insbesondere wenn es um strategische Fragestellungen zu neuen Themen geht. Teilnehmer der Studie halten es hierbei für ein Unding, dass Mitarbeiter in verschiedenen Teilen des Unternehmens nach verschiedenen Standards arbeiten sollen. Das erzeuge nur Unzufriedenheit in der Belegschaft. Daher steht die Mehrheit der Befragten dem agilen Vorgehen innerhalb der Digitaleinheiten auch eher skeptisch gegenüber. Eine weitere Erkenntnis: Das Gros der etablierten Mitarbeiter aus der Linienorganisation übt sich eher in Abgrenzung gegenüber den Kollegen in den agilen Einheiten, anstatt mutig voranzuschreiten und voneinander zu lernen. Manch einer blickt sogar neidvoll auf die agilen Teams, die coole, neue Projekte aufsetzen und mit neuen Methoden experimentieren dürfen und danach mit schnellen Ergebnissen beim Top-Management glänzen.

Zwischen den Organisationen knirscht es

Handfeste Konflikte zwischen Linien- und Projektorganisation sind dadurch vorprogrammiert. Das geht bei Spannungen in der Priorisierung zwischen Projekt- und Linienaufgaben los (88 Prozent) und endet bei den Unklarheiten in der Führungsverantwortung (80 Prozent). Und wenn dann die Beziehung zwischen den Teams durch mangelnde Kommunikation gestört wurde, kann schnell das gesamte digitale Projekt in Schieflage geraten. Hinzu kommt, dass die Anzahl und Komplexität von Projekten und neuen Themen innerhalb der vergangenen Jahre rasant zugenommen hat. Alles muss schneller gehen, kann häufig nicht richtig durchdacht werden und birgt damit ein größeres Fehlerrisiko. Laut Aussagen der Führungskräfte scheitern heute Innovationsprojekte durchschnittlich zu 22 Prozent. Was, wie auch bereits in den vergangenen drei Jahren, meist an der unrealistischen Projektplanung, aber auch an der fehlenden Klarheit von Zielen liegen würde. Hier ist allerdings die Führung selbst gefragt, sich stärker der offenen Kommunikation zwischen Linie und agilen Teams zu widmen sowie sich entschlossen an der Front für neue Strukturen und Rahmenbedingungen für eine funktionierende, ambidextre Zusammenarbeit einzusetzen. Denn über reine Prozesskosmetik im Kerngeschäft wird der Wandel nicht passieren.


Silvia Hänig,
Fachautorin bei iKOM

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