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Sozialkompetenz – der unterschätzte Leistungstreibstoff

Führungskompetenz steigern
Sozialkompetenz – der unterschätzte Leistungstreibstoff

Sozialkompetenz – der unterschätzte Leistungstreibstoff
Respekt spielt im japanischen Geschäftsleben eine ganze große Rolle und lässt sich aber nicht genauso auf europäische Unternehmen übertragen. Grundsätzlich sollte auch bei uns der respektvolle Umgang miteinander ein wichtiger Aspekt im Business sein. Bild: rawpixel/123rf
Respektvolle Begegnungen von Mensch zu Mensch im Führungshandeln und die Anerkennung des Leistungsbeitrags der anderen sind die Schlüssel zum engagierten Arbeiten.

Soll der Betrieb so effizient wie möglich laufen, dann sollte so wenig Sand wie nur möglich im Getriebe sein. Interne Reibungen beeinträchtigen immer das Leistungsvermögen. Zudem strahlen sie nach außen aus und beeinträchtigen das Ansehen der Firma. Woher weht der meiste Sand ins Getriebe eines Unternehmens? Er weht, wie es der Esslinger Coach und Professor für praktische Philosophie an der Universität Eichstätt-Ingolstadt Dr. Ferdinand Rohrhirsch bildmächtig ausdrückt, „aus der Verhaltenswüste“.

Was charakterisiert Sozialkompetenz?

Mit anderen Worten, knirscht es im Betriebsablauf, dann deutet das zuallererst auf mangelnde Sozialkompetenz im internen Umgang von oben nach unten hin. Und das ist aus der Sicht des Organisationspsychologen und Arbeitsmediziners Professor Dr. Michael Kastner vom Institut für Arbeitspsychologie und Arbeitsmedizin (IAPAM) in Herdecke ein gefährliches Manko. Denn für ihn „ist Sozialkompetenz die Formel für diejenigen, die auf Dauer Erfolg haben wollen.“ Entscheidendes Kennzeichen ist das Bewusstsein, in Wechselwirkung mit anderen Menschen zu leben und andere Menschen in ihrer Bedeutung für das eigene Wollen und Tun wahrzunehmen und entsprechend mit ihnen umzugehen. Sozial kompetente Chefs zeichnen sich folglich nicht allein durch kommunikative Fähigkeiten, Konfliktfähigkeit, Teamfähigkeit, Durchsetzungsvermögen und Kooperations- und Koordinationsfähigkeit aus, sondern auch durch Empathie und Sensibilität.

In der Schlussfolgerung heißt das, für Ansehen und Erfolg eines Unternehmens spielt es eine ganz erhebliche Rolle, ob von oben die Existenz der anderen in wertschätzender Weise wahrgenommen wird. Es ist maßgeblich diese Wahrnehmung, die dazu beiträgt, die Belegschaft zusammenzuschweißen, zu vitalisieren, zum engagierten, umsichtigen und weiterbildungsbereiten Mitmachen zu animieren.

Wahrgenommen und wertgeschätzt zu werden, ist ein menschliches Grundbedürfnis. Dort, wo nur noch über die Köpfe der anderen hinweg bestimmt und nicht mehr an elementare Bedürfnisse der Menschen angeknüpft geführt wird, bleibt dieses Grundbedürfnis zum Schaden des Betriebs unberücksichtigt. Dadurch wird in der Belegschaft Ärger ausgelöst.

„Ärger und Zorn haben mit frustrierten Wünschen und Rechten zu tun. Sie setzen oft nach Kränkungen ein, können also als emotionale Antwort auf eine Beleidigung oder einen ungerechtfertigten Angriff verstanden werden“, erläutert Professor Dr. med. Daniel Hell, von 1991 bis 2009 Professor für Klinische Psychiatrie und Klinikdirektor an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich und seitdem an der Privatklinik Hohenegg in Meilen/CH als Depressionsspezialist tätig. „Das ist auch der Grund, weshalb Ärger schon sehr früh in Verbindung mit Rachegefühlen gebracht worden ist.“ Wem kommt da nicht das Phänomen der inneren Kündigung in den Sinn und dessen destruktive Auswirkungen auf das Unternehmensgeschehen?

Respektvoller Umgang miteinander

Der Schweizer Psychotherapeutin und ehemaligen Professorin für Psychologie an der Universität Zürich Dr. Verena Kast zufolge, tritt Ärger fast immer auf, wenn jemandem der Respekt versagt wird. Oder wenn sich jemand ausgenutzt vorkommt: „Dieser Aspekt des Angriffs auf das Selbstkonzept ist heute zentral wichtig geworden. Wir ärgern uns vor allem dann, wenn wir uns in unserer Integrität nicht gesehen, nicht respektiert fühlen und wir dann das Gefühl haben, wir müssten unsere Grenzen neu bestimmen, neu setzen und dafür sorgen, dass sie auch respektiert werden.“

Was das praktisch heißt, beschreiben Andreas Krebs und Paul Williams in einer Textpassage ihres Buches „Die Illusion der Unbesiegbarkeit“: Nach dem frühen Tod des Unternehmensgründers Peter Dussmann nahm dessen Witwe Catherine von Fürstenberg-Dussmann 2008 das Heft der Firma in die Hand. Die Dussmann Group beschäftigt 63500 Mitarbeiter in 18 Ländern und erzielt einen Milliardenumsatz. Kerngeschäft sind Services wie Catering, Sicherheitsdienst, Gebäudetechnik und Gebäudereinigung. Um das Unternehmen besser kennenzulernen, arbeitete sie inkognito mehrere Wochen in ihrem eigenen Unternehmen, getarnt als Putzfrau, Küchenhilfe, Pflegekraft und Autoaufbereiterin.

Zwei besonders eindrückliche Erlebnisse, erzählte sie Krebs und Williams, verrieten ihr, wie es um das Wertegerüst der Topmanager bestellt war. Nach einer langen Nacht Putzen begegnete sie, noch als Putzfrau getarnt, auf dem Flur im 7. Stock der eigenen Dussmann-Hauptverwaltung dem damaligen CEO und CFO. Sie musste den beiden, die raumgreifend über den Flur steuerten, ausweichen. Sie grüßte, wurde jedoch komplett ignoriert, keiner hat sie gegrüßt. Für das Topmanagement war sie schlicht nicht existent. Nicht anders ging es ihr, als sie bei einem Kunden den Boden der Tiefgarage reinigte. Sie habe regelrecht hin- und herspringen müssen, um nicht von den vorbeirauschenden Porsches und Mercedes der Manager überfahren zu werden, erinnert sie sich. Keiner grüßte, keiner sprach mit ihr. Auch hier existierte sie einfach nicht.

Diese Erlebnisse wundern den langjährigen Psychiater am Psychiatrischen Krankenhaus in Hall in Tirol und heutigen Lehrbeauftragten für Humanethologie (= auf den Menschen bezogene Verhaltensforschung) am Institut für Psychologie der Universität Innsbruck Dr. Gerhard Medicus wenig: „Machtakkumulation kann zu einer Veränderung der Selbstwahrnehmung führen und Selbstüberschätzung begünstigen. Infolgedessen nehmen viele Chefs oder Ranghohe die Abhängigkeit ihrer Erfolge von anderen Menschen nicht wahr und entfalten ihren Machtbereich so, als wäre er ihr persönliches Eigentum und Verdienst. Wenn persönlicher Narzissmus, Kränkbarkeit und Rechthabebedürfnis eines ranghohen Mitglieds einer Gruppe im Vordergrund stehen, können die eigentlichen Ziele und Aufgaben der Gruppe in den Hintergrund treten.“

Was Rohrhirsch zu der Feststellung führt: „Der Respekt vor den anderen als Ausdruck der Wertschätzung der anderen kommt in der heutigen Unternehmensführung zu kurz. Möglicherweise drückt sich darin auch die gesamtgesellschaftliche Entwertung und Missachtung der Wichtigkeit respektvollen Miteinanderumgehens aus.“ Als Folge dieser mangelnden Sozialkompetenz habe sich in vielen Unternehmen ein unterschwelliges Ärgerpotenzial aufgebaut, das sich auf vielfältige Weise zu deren Schaden Luft verschaffe. Insofern dürfte sein Ratschlag nicht nur unter ethischen Gesichtspunkten ein beherzigenswerter sein: „Das Streben nach einem vitalen, dem Neuen aufgeschlossenen, initiativreichen, wettbewerbsstarken Betrieb sollte diesen Aspekt der Wertschätzung bei dem Bemühen, die betriebliche Effizienz und Selbsterneuerungsfähigkeit zu pflegen und zu steigern, mehr in den Blick nehmen.“


Der Respekt vor den anderen
als Ausdruck der Wertschätzung der anderen kommt in der heutigen Unternehmensführung zu kurz.“
Dr. Ferdinand Rohrhirsch, Universität Eichstätt-Ingolstadt


Hartmut Volk, Diplom-Betriebswirt,
freier Publizist

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