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Hamstern – kein Mittel gegen Lieferkettenstress

Meinung
Hamstern – kein Mittel gegen Lieferkettenstress

Hamstern – kein Mittel gegen Lieferkettenstress
Der Autor: Prof. Dr. Robert Fieten, wissenschaftlicher Berater der BA, Köln

Die schlechten Nachrichten aus der deutschen Industrie finden zurzeit leider kein Ende. Das Statistische Bundesamt berichtete, dass im März 2022 neben dem Export und dem Auftragseingang auch die Industrieproduktion überraschend deutlich sank. Die reale (preisbereinigte) Produktion im Produzierenden Gewerbe fiel im März 2022 gegenüber Februar 2022 saison- und kalenderbereinigt um 3,9 Prozent. Im April 2022, für den die Zahlen noch nicht vorliegen, dürfte es kaum besser aussehen. Die Statistiker verweisen darauf, dass es einen stärkeren Rückgang zuletzt zu Beginn der Corona-Krise im April 2020 gegeben (-18,1 % gegenüber März 2020) habe.

Infolge anhaltend gestörter Lieferketten aufgrund der rigiden Lockdowns im wichtigen Beschaffungsmarkt China und des Kriegs in der Ukraine haben viele Unternehmen große Probleme beim Abarbeiten ihrer gut gefüllten Auftragsbücher. Deutschlands wichtigstem Industriezweig, der Automobilindustrie, fehlten im März u. a. Kabelbäume aus der Ukraine, mit der Folge, dass die Produktion um 14 Prozent fiel. Dies bleibt nicht ohne Ausstrahleffekte auf die vorgelagerten Industrien. Laut ifo Institut für Wirtschaftsforschung klagten im März 2022 gut 80 Prozent der befragten Industrieunternehmen über Engpässe und Probleme bei der Beschaffung von Vorprodukten und Rohstoffen. Unserer Industrie machen zudem die hohen Energiepreise schwer zu schaffen. Laut Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums drosselten energieintensive Unternehmen aus den Feldern Glas, Glaswaren, Keramik sowie Verarbeitung von Steinen und Erden im März ihre Produktion um 6,7 Prozent.

Wann es wieder besser wird, steht in den Sternen. Hohe Rohstoff- und Energiepreise und vor allem die Lieferketten im Dauerstress machen den Unternehmen auf der Angebotsseite wohl noch auf geraume Zeit das Leben schwer. Auf der Nachfrageseite belasten die offenbar in den Dauerzustand übergehende hohe Inflation sowie die Unsicherheit infolge des Ukraine-Krieges. Hinzu kommt die bald zu erwartende Zinserhöhung durch die EZB.

In dieser ungemütlichen Gemengelage agieren die Einkäufer am Anschlag. Hoffentlich behalten sie dabei einen kühlen Kopf! In Zeiten der Knappheit von Rohstoffen wie etwa Nickel, Kupfer, Lithium und Co. sowie von Vorprodukten wie Stahl, Halbleiter, Kunststoff, Papier selbst Schrauben und Nägel etc. werden die überkommenen Einkaufs-Best-Practices wie etwa beinharter Lieferantenwettbewerb, Reverse Auctions, Abrufe on demand obsolet. Es zählt nur noch Verfügbarkeit. Dies verleitet zu Panik- und Hamsterkäufen. Diese heizen jedoch die Einkaufspreise weiter an und verschlimmbessern den Dauerstress in den Lieferketten. Was sollten die Einkäufer tun? Für diejenigen, die sich nicht längerfristig abgesichert haben, ist die Situation verfahren – hoffentlich nur temporär. Eine Lehre aus der aktuellen Versorgungskrise lautet: Für die Zukunft müssen resiliente Lieferketten und funktionierende Ökosysteme mit Lieferanten aufgebaut werden. Dies wird nicht billig. Es ist zu akzeptieren, dass Versorgungssicherheit ihren Preis hat!

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