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Kleine Chips, große Probleme: Lektionen aus der Chip-Krise

Meinung
Kleine Chips, große Probleme: Lektionen aus der Chip-Krise

Kleine Chips, große Probleme: Lektionen aus der Chip-Krise
Robert Fieten ist der wissenschaftlihe Berater der Beschaffung aktuell.

Die gute Nachricht zuerst: BMW, Volkswagen, Daimler und ihre Zulieferer befinden sich laut Ifo-Institut in einem Gefühlshoch. Ihre Geschäftslage ist so gut wie seit zwei Jahren nicht mehr. Ähnliches gilt auch für die Hersteller von Smartphones, Unterhaltungselektronik etc. Die Nachfrage der von Ausgangssperren und Homeoffice geplagten Kunden ist in nicht erwarteter Weise gestiegen.

In Corona-Zeiten sind gute Wirtschaftsnachrichten Balsam für die verängstigten Seelen. War also alles nicht so schlimm wie noch vor Monaten befürchtet? Ist unsere Automobilindustrie (und nicht nur diese) in Wirklichkeit viel resilienter, als die Untergangsapologeten noch vor Kurzem dachten? Die Antwort auf diese Fragen lautet Jein. Warum?

Es gibt ein gravierendes Problem, das insbesondere die selbstbewussten CEOs und CPOs der Automobilindustrie noch bis vor wenigen Monaten nicht auf ihrem Radarschirm hatten: Es besteht ein eklatanter Mangel an Chips, ohne die eine Automobilproduktion, aber auch die Produktion von nahezu allen anderen technischen Geräten heute nicht möglich ist. So kommt es vor, dass fehlende Chips im Wert von 50 Cent die Produktion von 50.000-Euro-Autos verhindern. Die Mangelsituation hat ihren Tiefpunkt noch nicht erreicht; sie wird noch bis weit in das Jahr 2022 wirken. Die Folgen in der Automobilindustrie sind Produktionsstopps und Kurzarbeit. Die weitere Entwicklung der Chip-Versorgung dürfte U-förmig verlaufen mit einer langen, schmerzhaften Talsohle.

Die OEMs und First-Tier-Zulieferer der Automobilindustrie, die 10 Prozent der Chip-Produktion, die zu 80 Prozent in Asien stattfindet, abnehmen, müssen die schmerzliche Erfahrung machen, dass in diesen Zeiten andere an den Schalthebeln der Verhandlungsmacht sitzen. Sie müssen heute mit anderen Chip-Nachfragern, die für die Chip-Hersteller attraktiver sind, heftig konkurrieren.

Die Chip-Krise in Verbindung mit den Pandemie-bedingten fragilen Lieferketten erteilen den Supply Managern Lektionen.

  • Verfügbarkeit ist zur Priorität 1 geworden.
  • Die Verhandlungsmacht der Abnehmer ist in einer dynamischen Wirtschaft nie in Stein gemeißelt.
  • Ausgehend von der Vergangenheit sollten Supply Manager ihre Bedeutung als Abnehmer nicht überschätzen.
  • Im Zeitalter der Digitalisierung werden Chips, die noch vor einem Jahr verramscht wurden, zur absoluten Mangelware.
  • Intelligente Bevorratungsstrategien müssen an die Stelle von JIT treten.
  • Die extreme Abhängigkeit von Chips aus Asien ist ein Versorgungsrisiko. Die europäische Halbleiterproduktion muss schnell gestärkt werden.
  • In Neuverträge mit Chip-Produzenten gehören größere und vor allem fixierte Abnahmemengen. Benchmark sind die Beschaffungsstrategien von Apple und Co.
  • Die Chip-Produzenten sind nicht mehr bereit, sich auf flexible Abrufe der Abnehmer einzulassen und die dafür erforderlichen Vorräte zu finanzieren.

Fazit: Ein New Deal für das Supply Management – vermutlich gehört nicht nur die Versorgung mit Chips auf die Agenda – jetzt!

 

Prof. Dr. Robert Fieten,
wissenschaftlicher Berater der BA, Köln

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