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Sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf der Lieferengpässe ziehen!

Meinung
Sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf der Lieferengpässe ziehen!

Sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf der Lieferengpässe ziehen!
Der Autor: Prof. Dr. Robert Fieten, wissenschaftlicher Berater der BA, Köln

Landauf landab klagen die Unternehmen über fehlenden Materialnachschub und damit einhergehende drastisch steigende Materialkosten. Die Politiker und die EZB beschwichtigen und äußern die blauäugig optimistische Erwartung, dass sich die Verhältnisse im Laufe des Jahres schon wieder normalisieren würden und die aktuelle Inflation den Rückzug antreten werde. Dies ist wishful Thinking frei nach dem Slogan „Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.“ Ein Ende der Lieferkettenstörungen und der den Cash flow fressenden Kostensteigerungen auf der Einkaufseite ist nicht in Sicht. Rohstoffe und Vorprodukte nahezu jeglicher Couleur (nicht nur Chips!) bleiben auch in 2022 knapp und teuer. Zur Mangelwirtschaft trägt auch bei, dass es an Containern und Logistikkapazitäten fehlt. Immer deutlicher werden zudem die Kapazitätslücken, die der Fachkräftemangel mit Sicherheit weit über 2022 hinaus aufreißt. Zu allem Überfluss ergeben sich in diesem Frühjahr immer wieder Personalengpässe wegen Omikron-Quarantäne. In dem wichtigen Beschaffungsmarkt China praktizieren die Behörden eine rigorose Null-Covid-Strategie und nehmen dabei massive Lockdowns in Kauf.

Für Einkäufer ist dies eine höchst herausfordernde Situation: Die Königsdisziplin Preisverhandlungen mit Lieferanten aus einer Position der relativen Stärke ist bei vielen Rohstoffen und Teilen in den letzten beiden Jahren marginalisiert worden. In Zeiten, in denen Verfügbarkeit die Priorität Nummer 1 ist, geht es nur noch darum, überhaupt Material zu bekommen.

Was ist also zu tun, wenn die Lieferkettenstörungen gekommen sind um zu bleiben? Den Unternehmen bleibt wohl nur die Möglichkeit, sich wie weiland Baron von Münchhausen am eigenen Zopfe aus dem Sumpf zu ziehen. Dies kann gelingen, wenn man nicht länger ein Lieferkettenmanagement praktiziert, das in den letzten beiden Jahren schon nicht mehr funktionierte. So muss im Lieferantenmanagement das Diktieren durch intelligentes Kooperieren mit einer Mehrzahl von Partnern ersetzt werden. Zudem ist mehr Insourcing angesagt, wie es die Automobilindustrie gerade vormacht. Im China-Geschäft muss all das, was lokalisiert werden kann, lokalisiert werden. Zudem muss das massive Verschiffen von ostasiatischen Vorprodukten nach Europa deutlich reduziert werden.

Am wichtigsten erscheint jedoch, die nicht zuletzt auch die für die grüne Transformation benötigten Rohstoffe und Vorprodukte effizienter zu nutzen und dadurch die Nachfrage zu reduzieren. Dazu muss immer mehr Produktion im Sinne einer Kreislaufwirtschaft organisiert werden. Dies macht ökonomisch Sinn und kommt auch dem Klimaschutz zugute. In einem jüngst erschienenen White Paper der DHL heißt es, dass 80  Prozent des Elektronikschrotts nicht eingesammelt werden. Durch Bekämpfung der Verschwendung ist es möglich, knappes und teures Material zu sparen und dabei auch noch Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Die derzeitige Versorgungskrise bietet die Chance, die Lieferketten für die Zukunft richtig aufzustellen. Klingt wie eine Münchhausen-Lügengeschichte, ist aber keine!

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