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Zeitenwende – auch für den Einkauf

Meinung
Zeitenwende – auch für den Einkauf

Zeitenwende – auch für den Einkauf
Prof. Dr. Robert Fieten, wissenschaftlicher Berater der Beschaffung aktuell, Köln

Andere Zeiten, anderer Krieg! Die Älteren unter uns werden sich noch (un)gut an den 6. Oktober 1973 erinnern. An diesem Tag brach eine arabische Allianz einen Überraschungskrieg gegen Israel vom Zaune. Die westlichen Industriestaaten – alle stark abhängig von Öllieferungen aus der Golfregion – stellten sich auf die Seite Israels. Die Folge: Die arabischen OPEC-Staaten drosselten ihre Ölfördermengen, und der Ölpreis sprang von 3 auf 5 US$ pro Barrel. 1974 wurde die Marke von 12 US$ durchbrochen. Nicht nur für die deutsche Wirtschaft war dies ein Schock. Die Folge war eine Stagflation, d. h. die Kombination aus wirtschaftlicher Stagnation und Inflation.

Stehen wir heute wieder am Rande einer Stagflation? Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine spricht alles dafür. Der Kampf der Sanktionen und Gegensanktionen lässt die Preise von Gas und Öl, aber auch die von wichtigen Industriemetallen (u. a. Nickel) in schwindelnde Höhen steigen und führt zu Unterbrechungen der Versorgung. Hinzu kommen Engpässe mit drastischen Preiserhöhungen bei der Versorgung mit Weizen und Mais aus der Kornkammer Ukraine aber auch aus Russland.

Wir müssen feststellen, dass unsere global vernetzten Wertschöpfungsketten, die in den vergangenen Jahrzehnten Quelle unseres Wohlstands waren, auch aufgrund massiver einseitiger Abhängigkeiten viel vulnerabler sind, als angenommen wurde. Sollten noch weitere manifeste geopolitische Auseinandersetzungen hinzukommen etwa ein Angriff Chinas auf Taiwan, besteht akute Einsturzgefahr für die Weltwirtschaft. Die Friedensdividende wäre endgültig passé!

Schon jetzt schlagen sich die rasant steigenden Preise für Energie (im Februar 31,7 %!), Rohstoffe aber auch Transport in drastisch erhöhten Erzeugerpreisen (im Februar 25,9 % im Vergleich zum Vorjahresmonat!) nieder. Die Unternehmen geben diese an die Verbraucher weiter mit dem Ergebnis, dass die Inflationsrate in der Eurozone im Februar 2022 bei 5,9 % liegt. Wenn die Erzeugerpreise embargobedingt weiter nach oben streben, wird sich die Inflation verfestigen. Die Kaufkraft der Bürger würde deutlich sinken, und der Konjunkturmotor privater Konsum geriete ins Stocken. Die Unternehmen würden auf Investitionen verzichten. Der Weg in eine schmerzliche Stagflation wäre irreversibel.

Was bedeuten die aktuellen Stagflationsperspektiven für die CPOs in den Unternehmen? Nach zwei mühseligen Corona-Jahren heißt es für sie für den Rest von 2022 leider: neues Spiel, neues Unglück. Die CPOs werden weiterhin mit Lieferengpässen zu kämpfen haben. Die Preisschwankungen bleiben erratisch. Die CPOs werden daher ihre Lieferketten neu aufstellen müssen und dabei die Diversifizierung ihrer Lieferquellen forcieren müssen. Sie müssen die geopolitischen Risiken mit deren Auswirkungen auf ihre Unternehmen permanent im Blick haben. Sie sollten sich auf eine Welt vorbereiten, in der sich die beiden großen Kontrahenten China und die USA wechselseitig mit Sanktionen überziehen. Die Zeitenwende, von der der Bundeskanzler sprach, ist längst da – auch im Einkauf.

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