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Lieferantenmanagement - Betreibermodelle vereinbaren

Projekt zur Entwicklung von Dienstleistungsverträgen
Betreibermodelle vereinbaren

Viele Unternehmen legen den Fokus auf ihre Kernkompetenzen und geben die Wertschöpfung in Nicht-Kernbereichen an Lieferanten ab. Die Herausforderung besteht darin, sämtliche Leistungen in eine gut abgestimmte und leistungsfähige Supply Chain zu integrieren. Ein Weg zur Optimierung ist dabei der Einkauf von Komplettlösungen. Die Uni der Bundeswehr München entwickelt dazu ein Konzept für die Bestimmung der optimalen Supply-Chain-Integration mit Lösungsanbietern.

Eine Studie von A.T. Kearney identifiziert zehn Megatrends im Einkauf: So wird prognostiziert, dass sich existierende, klassische (Groß-)Organisationen weiter auflösen und am Ende hoch spezialisierte Unternehmen stehen, die extrem auf ihre Kernkompetenzen fokussiert sind. Dies kann nur funktionieren, wenn die Wertschöpfung dieser Unternehmen in eine Supply Chain integriert und ganzheitlich optimiert wird, ohne die damit verbundenen Koordinationskosten überproportional ansteigen zu lassen.

Outsourcing, Make-or-Buy-Entscheidung und Konzentration auf Kernkompetenzen haben schon seit den 1980er-Jahren an Relevanz gewonnen. Neu ist die explizit kundenabhängige Konfiguration der Supply Chain. Je nach Komplexität der Wertschöpfungskette können somit mehrere Supply-Chain-Konfigurationen existieren. Folglich muss die vernetzte Wertschöpfung flexibel und schneller als bisher auf geänderte Bedarfe reagieren können.
Eine Konfigurationsmöglichkeit der Supply Chain ist die Ausgestaltung der Kunden-Lieferanten-Beziehung mit einer Betreiberlösung. Dabei ist die Wahl des passenden Geschäftsmodells essenziell für den Erfolg. Dabei gewinnen Betreiberlösungen, international auch als Performance Based Contracting (PBC) bekannt, an Relevanz.
Forschungsprojekt SCPerform!. Der Fragestellung der optimalen Supply-Chain-Integration widmet sich das Forschungsprojekt SCPerform! des Forschungsinstituts IPRI und des Lehrstuhls für Beschaffung der Universität der Bundeswehr München. Das Forschungsprojekt zielt auf die Entwicklung eines Vorgehens zur Gestaltung des Einkaufs von Lösungen – und damit zur optimalen Supply-Chain-Integration und Vergütung von Lösungsanbietern – ab. Konkret stehen folgende Themen im Vordergrund.
  • Ermittlung von Entscheidungskriterien zur Bestimmung der optimalen Integrationstiefe von Lösungsanbietern.
  • Identifikation von Kriterien für Lösungseinkäufer zur Bewertung potenzieller Lösungsanbieter und Lösungen mithilfe von PBC.
  • Unmittelbar nutzbare Praxisempfehlungen zur Gestaltung von Betreiberlösungen im Lösungseinkauf.
Inhaltlich sind Betreibermodelle in der Praxis keine Seltenheit. Es existiert eine Vielzahl an Beispielen, die bereits den Status „Alltagspraxis“ erreicht haben. Eine prominente Form ist in Mobility-Angeboten zu finden. Die Mobilitätsanbieter stellen den Service in das Zentrum ihrer Lösung und schaffen damit den Mehrwert für ihre Kunden. Dafür nutzen sie innovative Finanzierungskonzepte und gehen strategische Partnerschaften ein. Das Betreiben und Instandsetzen der Fahrzeugflotte rückt in den Hintergrund (traditionelle, input-orientierte Vorgehensweise), die Verfügbarkeit der Mobilität in den Vordergrund (ergebnisorientierte Kundenperspektive).
Ein anderes, erfolgreiches Beispiel für Betreiberlösungen ist in der Branche für industrielle Anlagen vorzufinden. Die Firma Eisenmann ist ein hoch spezialisiertes Unternehmen im Anlagenbau und bietet den klassischen Anlagenverkauf an. Jedoch hat Eisenmann bereits in den 90er-Jahren das klassische Produktportfolio um Angebote mit FullService- und Betreibermodellumfängen erweitert, um sich vom Wettbewerb zu differenzieren. Die Entwicklung dieser servicefokussierten Lösungen wurde in enger Zusammenarbeit mit den Kunden vollzogen. So zeigt sich diese Form von vertikaler Integration im Betrieb von Lackieranlagen im Kundenauftrag oder durch die Bewirtschaftung von Förderbrücken und Hochregallagern durch Full-Service-Verträge. Auch hier steht die Nutzung, z. B. in Form der Verfügbarkeit, und nicht das Eigentum der Anlage an erster Stelle.
Neben den genannten Beispielen entwickeln sich die Produktportfolios zahlreicher Branchen in Richtung servicefokussierter Lösungen. Der Einkauf kann die Umsetzung solcher Geschäftsmodelle als Chance sehen und eine Rolle als „cross-funktionaler Mega-Integrator“ (A.T. Kearney 2014) einnehmen. Dafür sind jedoch ein Umdenken in den Unternehmen und eine angepasste Herangehensweise an die jeweiligen Business Cases notwendig.
Die Motive für den Einkauf von Lösungen können von strategischer Natur sein. Ein mögliches Motiv ist „Co-Creation“, d. h. eine konstruktive Zusammenarbeit von Abnehmern und Lieferanten, um den höchstmöglichen Mehrwert zu generieren. Andere Motive sind die Fokussierung auf Kernkompetenzen und die konsequente Anpassung der Leistungstiefe, verringerte Kapitalbindung sowie die Steigerung der Produktivität, Qualität und Verfügbarkeit. Ein weiterer Ansatzpunkt für innovative Geschäftsmodelle ist die Betrachtung der Life Cycle Costs (LCC) in Verbindung mit der Senkung der unternehmensinternen Kosten bei gleichzeitiger Umwandlung von fixen in variable Kosten. Darüber hinaus bieten diese Modelle Möglichkeiten, um Kapazitäten umzuverteilen und Flexibilität zu gewinnen.
Herausforderung für den Einkauf. Betreiberlösungen lassen sich als umfangreiche Beschaffungsobjekte kategorisieren. Teilleistungen wie Anlagen, Maschinen, Ersatzteile, Personal, Logistik, Finanzierung oder andere Dienstleistungen werden zu einer Komplettlösung zusammengefasst. Solche Komplettlösungen decken eine weite Spannbreite hybrider Produkt- und Servicekombinationen ab. Die Leistungsumfänge können graduell bis hin zu „Vollservice“- oder „Sorgenfrei“-Angeboten erhöht werden. Wie in den obigen Industriebeispielen vorgestellt, besteht der Kern einer Lösung nicht mehr aus dem physischen Produkt, sondern aus dem problemorientierten Service, der auf den höchstmöglichen Kundennutzen abzielt. Das physische Produkt trägt flankierend zur Realisierung des Kundenmehrwerts bei. Im Fokus steht das Ergebnis bzw. der „Outcome“ (Präuer, 2004). Den Überblick zu behalten, welches Lösungsangebot tatsächlich optimal für die eigene Bedarfsdeckung ist, stellt die größte Herausforderung für den Einkauf dar. Denn maßgeschneiderte Lösungen steigern mit ihren Konfigurationsalternativen die Komplexität und erschweren die Auswahl der richtigen Beschaffungsalternative. Zur Auswahl der relevanten Beschaffungsalternative sollte analog zu anderen Sourcing-Strategien ein situativer Ansatz gewählt werden, bei welchem nach Bedarf und Unternehmenssituation eine bestimmte Lösung in Betracht gezogen wird. Auswahlkriterien können sich u. a. auf Produkte und Services, auf Vereinbarungen des Eigentums, der Verantwortung, der Anlagenfinanzierung und Vergütung oder auf zusätzliche Geschäftsmodellspezifika beziehen. Mithilfe einer Darstellung der Alternativen wird die Selektion der Lösungsangebote erleichtert. Diese Methode stellt Kriterien samt den dazugehörigen Ausprägungen für die Entscheidungsfindung bereit.
Abhängig vom konkreten Anwendungsfall, sind relevante Eigenschaften (z. B. Ort der Leistungserbringung oder Eigentum der Anlage) zu selektieren, die wiederum auf Wechselwirkungen zu anderen Kriterien überprüft werden. Es ergibt sich ein Entscheidungspfad, aus dem man die Ausgestaltungsform eines Betreibermodells ableiten kann.
Der Entscheidungspfad kann bekannte Betreibermodelle aus der Industrie beschreiben. In der Industrie wird unter anderem nach BOT (Build-Operate-Transfer), BOO (Build-Operate-Own), BTO (Build-Transfer-Operate), BRT (Build-Rent-Transfer) differenziert. Allerdings ist auch ein davon abweichendes Betreibermodell denkbar, was den Auswahlprozess des Einkäufers komplexer gestaltet. Je nach Schwerpunkt ist zu prüfen, ob die bereits bekannten Grundformen von Betreibermodellen ausreichen oder ob eine Erweiterung bestehender Modelle benötigt wird. Die Wahl wirkt sich auf finanzielle, personelle, organisatorische, technische und rechtliche Parameter aus. Aus den skizzierten Entwicklungen und Lösungsalternativen ergeben sich bei der Wahl für oder gegen ein bestimmtes Betreibermodell viele Fragen, nicht nur in Bezug auf das Geschäftsmodell, sondern auch auf die Integration. Betreiberlösungen sprechen per Definition für ein hohes Maß an Supply-Chain-Integration zwischen Anbieter und Abnehmer, ebenso für eine Orientierung am Leistungsergebnis, nicht primär an dem dafür notwendigen Input.
Um eine optimale Integration zu erreichen, kann der situativ abhängige Entscheidungsweg zur Definition der adäquaten Inhalte (Risk Sharing etc.) herangezogen werden. Dieser zeigt PBC-kritische Schwerpunkte auf. Finden diese Inhalte in den Verhandlungen des Einkäufers und Anbieters Beachtung, so kann eine optimale Kunden-Lieferanten-Integration erreicht werden. Das Forschungsprojekt SCPerform! geht dieses Thema an: Informationen zum Projekt scperform.
Ihre Ansprechpartner: Jeff Elmazoski,
Dr. Andreas Glas, beide UniBW, und
Ute Sembritzki, IPRI
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