Aus gutem Grund entfalten Nachhaltigkeitsaspekte mittlerweile bei jeder wirtschaftlichen Aktivität zentrale Bedeutung. Dabei gilt es nicht nur, dem drohenden Klimawandel zu begegnen und ihn soweit möglich zu begrenzen. Auch Aspekte wie Umweltschutz im Allgemeinen, ein schonender Umgang mit Ressourcen, faire Arbeitsbedingungen und soziale Mindeststandards rücken zunehmend in den Fokus.
Dass den ESG-Kriterien, Umwelt, Soziales und Unternehmensführung, mittlerweile deutlich mehr Gewicht beigemessen wird als noch vor einigen Jahren, hat mehrere Gründe: Zum einen ist das gesellschaftliche Bewusstsein für Nachhaltigkeitsbelange stark gewachsen. Konsumenten, Investoren und Geschäftspartner erwarten heute von Unternehmen, dass sie ökologische und soziale Standards einhalten. Auf der anderen Seite sorgen zahlreiche Regulierungsinitiativen weltweit dafür, dass Unternehmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen müssen.
CRSD, Taxonomie und Lieferkettengesetz
In der Europäischen Union ist das insbesondere die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Deutschland hatte die Vorgängerrichtlinie (Non Financial Reporting Directive) mit dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) bereits in nationales Recht umgesetzt. Dies wird mit der CSRD jetzt verschärft. Die Richtlinie verpflichtet Unternehmen, ab dem Geschäftsjahr 2023 wesentlich mehr Nachhaltigkeitsaspekte in ihren Lagebericht zu integrieren. Konkret sind sie gefordert, die Wirkung von Nachhaltigkeitsaspekten auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens festzuhalten und die Auswirkungen des Betriebs auf Nachhaltigkeitsaspekte zu verdeutlichen.
Flankiert wird dies von der EU-Taxonomie sowie von der mit ihr verzahnten Offenlegungsverordnung. Ursprüngliche Idee dahinter: Finanzmarktakteure sollen eine Richtschnur für die Nachhaltigkeitsbewertung erhalten, sodass die Transparenz zunimmt und im Ergebnis die Finanzierung klima- und umweltfreundlichen Wirtschaftens begünstigt wird.
Dafür definiert die Taxonomieverordnung europaweit verbindliche Regeln, die unter anderem festlegen, welche Wirtschaftsaktivitäten als ökologisch nachhaltig gelten. Sie verpflichtet kapitalmarktorientierte Unternehmen, nachzuweisen, in welchem Umfang ihre Wirtschaftstätigkeiten nachhaltig im Sinne der Verordnung sind.
Besondere Bedeutung für die Beschaffung der in Deutschland ansässigen Unternehmen entfaltet darüber hinaus das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten (LkSG), kurz Lieferkettengesetz. Zu den Kernelementen der im Gesetz definierten Sorgfaltspflichten gehört die Einrichtung eines Risikomanagements, um die Risiken von Menschenrechtsverletzungen und Schädigungen der Umwelt zu identifizieren, zu vermeiden oder zu minimieren.
Auch kleinere Unternehmen betroffen
Zwar ist der Adressatenkreis dieser Vorschriften vorerst beschränkt. Das Lieferkettengesetz etwa gilt ab 2023 zunächst für Unternehmen mit mindestens 3000, ab 2024 auch für Unternehmen mit mindestens 1000 Arbeitnehmern im Inland. Doch ist zu erwarten, dass der Kreis betroffener Unternehmen künftig deutlich ausgeweitet wird, sodass auch kleine und mittlere Unternehmen immer öfter Daten zur eigenen Nachhaltigkeit werden vorlegen müssen. Daher sind sie gut beraten, sich möglichst frühzeitig mit der eigenen ESG-Bilanz zu beschäftigen.
Das erscheint aus weiteren Gründen sinnvoll: Auch wenn es nach geltendem Recht keinen Verpflichtungen in Bezug auf ESG-Kriterien unterliegt, muss heute jedes Unternehmen etwaige Reputationsschäden berücksichtigen. Sofern ein Unternehmen beispielsweise selbst grundlegende Umweltaspekte oder Arbeitnehmerbelange außer Acht lässt, muss es mit starkem Gegenwind seitens der Medien, Geschäftspartner und Konsumenten rechnen. Bezüglich möglicher Reputationsschäden gilt das meist sogar dann, wenn das Unternehmen gar nicht selbst betroffen, sondern nur ein Geschäftspartner involviert ist.
Häufig gibt es zudem die Konstellation, dass ein (noch) nicht unter das Lieferkettengesetz oder andere ESG-Verordnungen fallendes Unternehmen Geschäftsbeziehungen zu anderen Unternehmen pflegt, die den gesetzlichen Anforderungen genügen müssen. Hier ist das nicht verpflichtete Unternehmen faktisch gezwungen, selbst ebenfalls ESG-Regularien einzuhalten und dies insbesondere bei eigenen Lieferanten in den Blick zu nehmen, da ansonsten der Verlust einer Geschäftsbeziehung droht.
Positive ökonomische Effekte
Aber unabhängig von der Regulierung hat die Einbeziehung von ESG-Faktoren in sämtliche Unternehmensprozesse auch ökonomisch positive Effekte. Dazu zählen etwa Effizienzsteigerungen durch einen sparsameren Einsatz von Ressourcen und günstigere Finanzierungsbedingungen. Denn eine fehlende Adressierung von Nachhaltigkeit wird von Investoren, Banken, Kreditgebern und Stakeholdern zunehmend als relevanter Risikofaktor eingestuft.
Eine glaubwürdige Haltung des eigenen Unternehmens zu Nachhaltigkeitsthemen steigert zudem die Motivation von Mitarbeitern, erhöht deren Bindung zum Unternehmen und verbessert die Position auf den Recruiting-Märkten. Und nicht zuletzt werden faire Arbeitsbedingungen, Umweltschutz und ein schonender Umgang mit Ressourcen von den Verbrauchern entlohnt, sodass sich höhere Preise durchsetzen lassen.
Damit ist klar: Nachhaltigkeit muss heute wesentlicher Bestandteil jeder Unternehmensstrategie und fest in jedem Unternehmensbereich implementiert sein. Für den Einkauf gilt dabei, sämtliche Lieferanten und die gesamte Lieferkette ebenso genau auf ESG-Kriterien zu prüfen wie auf die klassischen ökonomischen Parameter.
ESG-Orientierung für Einkäufer und Compliance
Das Lieferkettengesetz bietet hier eine gute Orientierung, um ein verantwortungsvolles Lieferkettenmanagement zu etablieren oder zu optimieren. Das Gesetz nennt sowohl die zu schützenden Rechtsbereiche (§ 2) als auch die zu beachtenden Sorgfaltspflichten (§ 3). Darüber hinaus enthält es Vorgaben für ein entsprechendes Risikomanagementsystem (§ 4). Ein verantwortungsvolles Lieferkettenmanagement muss demnach eine Integration der Sorgfaltspflichten in die Compliance-Risikomanagementsysteme vorsehen.
Konkret gilt zunächst, mögliche Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen Umweltschutzvorgaben zu identifizieren und zu bewerten. Sodann ist zu prüfen, wie und ob sich diese Verstöße vermeiden lassen. Hier gilt das Gesetzesmotto „Befähigung vor Rückzug“: Unternehmen sollen ermutigt werden, ihre Zulieferer bei der Einhaltung von Umwelt- und Menschenrechtsstandards zu unterstützen. Sämtliche Maßnahmen müssen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bewertet und sollten dann auch schnell kommuniziert werden.
Eine derartige Risikoanalyse und -bewertung machen ein systematisches ESG-Screening der eigenen Geschäftspartner unabdingbar. Die umfangreichen Kriterienkataloge bei jedem einzelnen Geschäftspartner individuell abzuprüfen, dürfte indes die meisten Unternehmen überfordern. Vielfach bietet sich daher an, auf datenbasierte Lösungen externer Dienstleister zurückzugreifen.
Externe Anbieter liefern aktuelle ESG-Daten
Etablierte Anbieter solcher Lösungen bieten Rankings und Detailinformationen zu den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung auf Basis von ESG-Daten, die aus Millionen von vertrauenswürdigen Quellen auf der ganzen Welt zusammengetragen und regelmäßig aktualisiert werden. Die Bewertungsverfahren und Kriterienkataloge erfahrener Anbieter wie Dun & Bradstreet orientieren sich dabei eng an den gesetzlichen Vorgaben und liefern neben ESG-relevanten Informationen zu Einzelunternehmen Rankings, Subrankings, Branchenvergleiche und Quell-Infos.
Das erleichtert Einkaufs- und Compliance-Spezialisten gleichermaßen, die regulatorisch geforderte und ökonomisch gebotene Einbindung von ESG-Kriterien in ihre Third-Party-Bewertungsverfahren und Due-Diligence-Prozesse umzusetzen. Denn durch den Zugriff auf eine entsprechend vertrauenswürdige ESG-Datenquelle gewinnen Compliance- und Einkaufsteams wertvolle Einblicke und können so die ESG-Ziele und -Strategien ihres Unternehmens unterstützen und ESG- Bewertungsprozesse verschlanken.