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Keine Bewertung ohne Konsequenz

Operatives Lieferantenmanagement, Teil III
Keine Bewertung ohne Konsequenz

Im dritten und letzten Teil dieser Beitragsreihe werden Prinzipien und Maßnahmen der Lieferantenförderung erläutert und die wesentlichen Ergebnisse zum operativen Lieferantenmanagement zusammengefasst.

Prof. Dr. Rainer Sibbel, Dipl.-Kfm. Felix Hartmann

Keine Bewertung ohne Konsequenz – Dieses Prinzip muss auch der Lieferantenbewertung zugrunde liegen. Dabei sollte es aber nicht nur darum gehen, ungeeignete Bezugsquellen zu eliminieren. Ziel ist es vielmehr auch, gute Lieferanten zu fördern, um langfristig eine optimale Lieferantenstruktur zu realisieren. Die Aktivitäten des Abnehmers zur Lieferantenförderung lassen sich in indirekte und direkte Maßnahmen untergliedern. Bei indirekten Maßnahmen erfolgt eine eher allgemeine Förderung ohne ein aktives Eingreifen durch den Abnehmer. Im Gegensatz dazu steht die direkte Lieferantenförderung, bei der der Abnehmer die Leistungsfähigkeit des Lieferanten durch aktive Unterstützung in konkreten Problemfeldern beeinflusst. Daneben kann die Lieferantenförderung auch vom Zeitpunkt unterschieden werden. Neben einer reaktiven Lieferantenförderung, die beim Auftreten akuter Problemfälle ansetzt, können auch präventive Maßnahmen die Verbesserung und Sicherstellung der Zuliefererperformance unterstützen.
Besonders bei einer Umstellung des Lieferprogramms bestehender Lieferanten oder bedeutsamen Veränderungen beim Zulieferer können präventive Maßnahmen dazu beitragen, bereits im Vorfeld eine konstante Lieferqualität sicherzustellen. Reaktive und präventive Maßnahmen lassen sich dabei ergänzend einsetzen, wobei anzunehmen ist, dass durch die vermehrte Anwendung präventiver Maßnahmen der Anteil reaktiver Aktivitäten sinkt.
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für jede Maßnahme zur Lieferantenförderung ist das Interesse beider Unternehmen an einer längerfristigen Geschäftsbeziehung. Weiterhin kann die Bereitschaft des Lieferanten zur Teilnahme an den Fördermaßnahmen dadurch gesteigert werden, dass ihm ein wirtschaftlicher Nutzen als Anreiz geboten wird. Darüber hinaus muss ein partnerschaftliches, vertrauensvolles Verhältnis zwischen den Unternehmen bestehen, um eine effektive Zusammenarbeit bei Förderprojekten zu gewährleisten. Hierzu kann beispielsweise der Abschluss langfristiger Verträge dienen. Als weiterer Erfolgsfaktor gilt eine vertrauensvolle Kommunikation zwischen den Unternehmen. Insbesondere vom Lieferanten wird die Bereitschaft verlangt, innerbetriebliche Prozesse und Strukturen transparent zu machen, um gemeinsam mit dem Abnehmer Fördermaßnahmen implementieren zu können. Eine weitere Bedingung für eine effektive Lieferantenförderung ist die Unterstützung des Top-Managements beider Seiten, das insbesondere die Ressourcen für Fördermaßnahmen zur Verfügung stellen muss.
Maßnahmen zur indirekten Lieferantenförderung
Bei der indirekten Lieferantenförderung handelt es sich um die am wenigsten aufwändige und daher in der Praxis am meisten verbreitete Form. Es wird dabei in erster Linie auf die generelle Eigenoptimierungsfähigkeit der Lieferanten abgezielt. Wichtige Ansätze dazu sind die Kommunikation von Bewertungsergebnissen oder Maßnahmen zur Lieferantenmotivation.
Die Ergebnisse der Lieferantenbewertung sollten dem Lieferanten in regelmäßigen Abständen mitgeteilt werden, damit er über seinen Leistungsstand informiert ist und auf negative Abweichungen reagieren kann. So können beispielsweise die Bewertungsergebnisse monatlich an die Lieferanten übermittelt werden, wobei die Bewertungen für die Qualitäts- und Logistikleistung separat angegeben werden sollten. Damit erfährt der Lieferant regelmäßig, wie seine Lieferleistung beim Abnehmer wahrgenommen wurde und erhält wichtige Ansatzpunkte für eine kontinuierliche Verbesserung seiner Leistungen. Neben den Bewertungsergebnissen selbst können vom Abnehmer auch Fehlerlisten mit aufgetretenen Qualitätsfehlern einschließlich Fehlerbeschreibung an die Lieferanten verschickt und die Bewertungsergebnisse damit begründet werden. Des Weiteren sollte der Abnehmer die Lieferanten dazu auffordern, zu den Fehlern Stellung zu nehmen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Neben der Kommunikation der Bewertungsergebnisse verhelfen auch Lieferantenbesuche oder Lieferantentage beim Abnehmer dazu, dass der Lieferant ein besseres Verständnis von den abnehmerseitigen Anforderungen erhält. Ein neues Medium zur verbesserten Kommunikation zwischen Lieferant und Abnehmer stellen internetbasierte Lieferantenportale dar. Hier hat der Lieferant online jederzeit Zugriff auf seine Ergebnisse, ggf. auch im Vergleich zu den übrigen Lieferantenleistungen.
Eine weitere mögliche Vorgehensweise zur indirekten Lieferantenförderung besteht in der Lieferantenmotivation. Diese lässt sich wiederum in die drei Strategien
  • Lieferantenhonorierung,
  • Anreizsysteme und
  • Sanktionen unterteilen.
Ein in der Praxis weit verbreitetes Verfahren ist die Lieferantenhonorierung. Neben dem einfachen Mittel eines Anerkennungsschreibens gewinnt das Lieferanten-Ranking zunehmend an Bedeutung. Bei dem Lieferanten-Ranking wird den Lieferanten gemäß ihrer Bewertungsergebnisse ein Tabellenplatz relativ zu allen bewerteten Lieferanten zugewiesen, der den Lieferanten regelmäßig mitgeteilt wird. Der Rangplatz kann jedoch nur eine Zusatzinformation für den Lieferanten sein, da sich dieser relativ zur Leistung aller Lieferanten verändert. Die Aufstellung von Lieferanten-Rankings geht oftmals mit regelmäßigen, beispielsweise jährlichen Lieferantenauszeichnungen einher. Zulieferunternehmen betonen oft den Prestigegewinn von derartigen Auszeichnungen und nutzen sie zur Kundenakquisition.
Direkte Förderung – aktive Unterstützung
Die Grenze zwischen Lieferantenhonorierung und Anreizsystemen ist fließend. Neben der Erhöhung der Lieferquote können dem Lieferanten auch längerfristige Verträge oder Preiszugeständnisse als Anreiz gesetzt werden. Als weiterer Anreiz gilt der Einsatz von Zielvereinbarungen in Verbindung mit der Lieferantenbewertung. So kommt es bei Nichterreichen der Zielgrößen zu Sonderzahlungen an den Abnehmer, während bei Erreichung oder Übererfüllung Prämien ausgeschüttet werden.
Als letztes Mittel der Lieferantenmotivation gelten Sanktionen bzw. deren Androhung. Als Beispiele seien hier die Reduzierung des Liefervolumens oder der Aufbau weiterer Bezugsquellen genannt.
Bei der direkten Lieferantenförderung handelt es sich um die aktive Unterstützung des Lieferanten durch den Abnehmer bei konkreten Problemen, die der Lieferant mit eigenen Mitteln nicht ausreichend bewältigen kann. In diesem Beitrag liegt der Fokus – analog zur Lieferantenbewertung – auf Fördermaßnahmen zur Verbesserung der Lieferqualität und -logistik. Primäres Ziel jeder direkten Lieferantenförderung in diesen Bereichen ist die Optimierung der Prozesse beim Lieferanten und nicht nur eine Reduzierung der Einkaufspreise. Vielmehr sollen durch ein vereintes Vorgehen die Gesamtkosten gesenkt werden.
Direkte Fördermöglichkeiten lassen sich nach Stark in
  • stofflich-technische,
  • informationell-kommunikative,
  • wirtschaftlich-wertmäßige und
  • menschlich-soziale Maßnahmen differenzieren.
Der Schwerpunkt des Beitrags liegt auf den stofflich-technischen und informationell-kommunikativen Maßnahmen, die eine unmittelbare Beeinflussung der lieferantenseitigen Qualität und Logistik erlauben. In der Praxis werden meist Maßnahmenbündel realisiert.
Zu den stofflich-technischen Maßnahmen zählen Qualitätsaudits der Lieferanten durch den Abnehmer. Qualitätsaudits liefern einen umfassenden Soll-Ist-Vergleich, der den Ausgangspunkt für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) schafft. Anlass für ein Audit können ein Negativerlebnis (reaktiv) oder eine periodische Überprüfung (präventiv) sein. Auf dem Prüfstand stehen dabei die Lieferprodukte (Produktaudit), die Fertigungsverfahren und einzelne QS-Prozesse (Verfahrens-/Prozessaudit) oder das ganze QS-System (Systemaudit). Während bei außerplanmäßigen Audits insbesondere das Produkt, bei dem akute Probleme in der Lieferqualität bestehen, und dessen Fertigungs- und Prüfprozesse kontrolliert werden, stehen bei einem planmäßigen Audit eher das QS-System und allgemeine QS-Prozesse im Mittelpunkt.
Weitere stofflich-technische Maßnahmen sind Schulungen, durch die ein gezielter Know-how-Transfer vom Abnehmer zum Lieferanten erfolgt (z. B. Kaizen- oder KVP-Workshops). Darüber hinaus kann ein Austausch von Mitarbeitern oder eine Übertragung von Fertigungs- oder Prüfeinrichtungen erfolgen. Eine weitere Maßnahme zur Förderung der Lieferqualität setzt am Lieferteil selbst an. Durch Konstruktionsänderungen kann ein Bauteil bezüglich seiner Anfälligkeit gegenüber Qualitätsfehlern verbessert werden. Ebenso können dadurch die Fertigungsprozesse stabilisiert werden.
Die wohl häufigste Form der direkten Qualitätsförderung stellen informationell-kommunikative Maßnahmen dar. Im Falle akuter Qualitätsprobleme sind es besonders Verhandlungen zwischen Lieferant und Abnehmer, bei denen die Problemsituation analysiert wird und Fördermaßnahmen beschlossen werden. Als präventive Maßnahme gilt der Abschluss einer Qualitätssicherungsvereinbarung zwischen beiden Parteien, bei der Qualitätssicherungsmaßnahmen konkretisiert werden. Weitere präventive Maßnahmen sind Besuche beim Lieferanten, bei denen sich der Abnehmer mit den Produktionsprozessen und dem QS-System des Zulieferers auseinandersetzt. Auch die Einführung von betriebsübergreifenden Qualitätszirkeln kann zur Prävention gezählt werden.
Direkte Fördermaßnahmen im Bereich der Logistik zielen auf die Optimierung der zwischenbetrieblichen Material- und Informationsflüsse. Ansatzpunkt können Termin- und Mengenabweichungen bei der Anlieferung oder das Bestreben des Abnehmers nach einer Reduzierung des Dispositionsaufwandes sein.
Rein reaktive Maßnahmen sind eine Erhöhung der Sicherheitsbestände und der Aufbau weiterer Bezugsquellen. Dadurch werden aber die Ursachen des Lieferverzugs nicht beseitigt. Zur nachhaltigen Steigerung der Termintreue des Lieferanten sollte stärker an den Ursachen angesetzt werden. Dazu sind stofflich-technische Maßnahmen angebracht, was durch Beispiele erläutert werden soll:
Im Fertigungsbereich des Zulieferers sind häufig hohe Ausschussraten und Durchlaufzeiten für eine verspätete Anlieferung verantwortlich. Durch eine gemeinsame Ablaufplanung mit und Qualitätsförderung durch den Abnehmer kann beides verbessert werden. Mangelnde Transportkapazitäten, erhöhter Handlingsaufwand sowie große räumliche Entfernung können ebenso zu Lieferverzug führen. Die Verringerung der räumlichen Distanz beider Unternehmen, die Wahl effizienter Transportmittel und die Vermeidung von Umfrachtprozessen durch einheitliche Transportbehälter können die Transportzeiten verkürzen. Zumeist wird dabei auf das Know-how eines Logistikdienstleisters zurückgegriffen. Dieser kann auch den Wareneingang beim Abnehmer optimieren, indem er den „Engpass Rampe“ durch Bündelung der Einzelanlieferungen entlastet bzw. durch ein Logistikzentrum in Abnehmernähe die operative Logistik übernimmt. Darüber hinaus können Probleme beim Lieferanten auftreten, wenn seine Produktionskapazitäten gering sind und er infolgedessen die Nachfrage nicht vollständig decken kann. Die Profitabilität des Lieferteils entscheidet dann über eine bevorzugte Belieferung. Eine Beeinflussung der Lieferbereitschaft kann durch Erhöhung der Abnahmemengen, Gewährung höherer Einkaufspreise oder Abschluss langfristiger Kooperationsverträge erfolgen.
Auch in der Disposition kann eine Ursache für eine Terminabweichung liegen, beispielsweise durch eine ineffiziente Dispositionsabwicklung bzw. fehlende oder fehlerhafte Bedarfsprognosen. Eine gewisse Optimierung der Disposition kann insbesondere durch die Ergreifung informationell-kommunikativer Maßnahmen erreicht werden. So lassen sich z. B. Informationsflüsse durch Lieferantenkanbans oder eine Online-Disposition per EDI beschleunigen und vereinfachen. Weiterhin sollten dem Lieferanten regelmäßige Bedarfsprognosen übermittelt werden, damit dieser seine Produktion planen und Kapazitäten bei den Vorlieferanten reservieren kann. Die aufgeführten Maßnahmen können sowohl reaktiv bei bestimmten Problemsituationen als auch präventiv eingesetzt werden.
Literatur:
  • Arnolds, H., Heege, F., Tussing, W.: Materialwirtschaft und Einkauf, 9. Aufl., Wiesbaden 1996
  • Krause, D., Ellram, L.: Critical elements of supplier development, in: European Journal of Purchasing & Supply Management, 3. Jg. (1997), Heft 1, S. 21–31
  • Muschinski, W.: Lieferantenbewertung, in: Strub M. (Hrsg.), Das große Handbuch Einkaufs- und Beschaffungsmanagement, Landsberg 1998, S. 77–126
  • Stark, H.: Lieferantenpflege – ein Instrument aktiver Einkaufspolitik, in: Beschaffung Aktuell, 25. Jg. (1978), Heft 8, S. 19–25

  • 460351

    Die Autoren


    Lieferantenförderung

    Zusammenfassung

    Durch den Abbau der Fertigungstiefe wird die Leistungsfähigkeit der Zulieferer zu einem wesentlichen Einflussfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Es obliegt dem operativen Lieferantenmanagement, das Leistungsvermögen der Zulieferer permanent zu überprüfen und durch geeignete Maßnahmen zu steigern. Ein Lieferantenbewertungssystem dient dazu, das Leistungsverhalten der Zulieferer im Bereich Lieferqualität und -treue realitätsnah zu evaluieren. Durch den Einsatz von IuK-Systemen kann eine Lieferantenbewertung effizient durchgeführt und können die Bewertungsergebnisse allen Entscheidungsträgern zeitnah übermittelt werden. Darauf aufbauend sind adäquate Lieferantenfördermaßnahmen zu ergreifen.
    Neben den indirekten Maßnahmen bilden insbesondere Maßnahmen der direkten Lieferantenförderung ein wichtiges Instrument, um Lieferqualität und -treue zu steigern. Die Verbesserung der Lieferantenleistung führt nicht nur zu Kosteneinsparungen, sondern trägt maßgeblich zur Steigerung der Lieferqualität und -treue des Abnehmers gegenüber seinen Kunden bei. Der nachhaltige Erfolg des operativen Lieferantenmanagements gerade auch im Kontext eines unternehmensübergreifenden Supply-Chain- Management-Ansatzes hängt dabei entscheidend von einer kooperativen Ausgestaltung des Abnehmer-Lieferanten-Verhältnisses ab.

    Operatives Lieferantenmanagement

    Serie

    • Teil I: Grundlagen des Lieferantenmanagements und der -bewertung (11/05)
    • Teil II: Ausgestaltung und Umsetzung der Lieferantenbewertung (12/05)
    • Teil III: Prinzipien und Maßnahmen der Lieferantenförderung (1/06)
    • Unsere Whitepaper-Empfehlung
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