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Alles im Grid

Intralogistik-Lösung AutoStore
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Die AutoStore-Anlage misst 60 x 60 Meter und ist 16 Lagen hoch. Insgesamt lagern hier 117.000 Behälter.Bilder: Element Logic
Der Elektronikdistributor TTI Inc. verschickt pro Woche 85.000 Teile. Um sie platzsparend zu lagern und schnell und effizient zu kommissionieren, hat das Unternehmen vom Intralogistik-Spezialisten Element Logic eine AutoStore-Anlage in seine neue Lagerhalle einbauen lassen. Seitdem flutscht es.

Unter dem Dach der Lagerhalle von TTI, Inc. wird emsig gearbeitet, obwohl weit und breit kein Mensch zu sehen ist: Hier flitzen die annähernd quadratischen AutoStore-Roboter mit einem Affenzahn von 3,1 Meter pro Sekunde über ein 60 mal 60 Meter großes, stählernes Gitternetz, heben Kisten aus der Tiefe, stapeln diese um und liefern sie nach erfolgreicher Bergung an die Kommissionierstellen. Es wirkt schon fast hypnotisch, den feuerwehrroten Robotern dabei zuzusehen, wie sie zielsicher einen aus 117.000 Behältern ausgraben, die im Grid gestapelt sind.

Im Grid-System Platz sparen

Eine AutoStore-Anlage ist anders aufgebaut als herkömmliche Intralogistik-Systeme. Sie arbeitet einerseits mit verschiedenen Ebenen, andererseits fallen bei ihr die sonst üblichen Gassen zwischen den Regalen weg. Die Anlage spart so vier Fünftel des Volumens verglichen mit den klassischen, gassengebundenen Systemen und eignet sich für alle kleinen und mittelgroßen Teile. Die Aufteilung ist im Kern die folgende: Direkt unter den Fahrschienen befindet sich das sogenannte Grid, auf dem die Roboter agieren und die gestapelten Kisten bedarfsgerecht ausgraben. Die Kommissionierplätze befinden sich bei TTI im Zwischengeschoss direkt unter der Fahrschiene im sogenannten Kommissioniertunnel. Die Einlagerungsplätze für den Wareneingang befinden sich noch ein weiteres Stockwerk tiefer im Erdgeschoss der Halle und damit direkt dort, wo die Lkws die Ware anliefern.

Zukunftsweisende Lagerplanung

TTI hat etwas in seinen Hallen, was es in Lagerhallen sehr selten zu sehen gibt: Platz. Im Moment ist es bei TTI luftig leer. Das liegt daran, dass das Unternehmen sich jüngst räumlich stark vergrößert hat. Zur alten Halle mit ihrer mehrgeschossigen Fachbodenregalanlage und einem neu installierten Shuttlelager gesellten sich im September 2018 zusätzlich zwei neue, in Summe 15.000 Quadratmeter große Lagerhallen. In einer dieser Hallen wurde auf 3800 Quadratmetern die neue AutoStore-Anlage eingebaut. TTI hat so ganz klar sein Bekenntnis zum Standort in Maisach-Gernlinden bei München unterstrichen. Thomas Rolle, Vice President European Operations bei TTI, sagt: „Wir wollten am Standort wachsen und in der Region Arbeitsplätze sichern.“ Die zündende Idee, um das bei den begrenzten Platzverhältnissen umzusetzen, war AutoStore: „Mit dem AutoStore-Lager nutzen wir nicht nur die reine Fläche aus, sondern das gesamte Volumen der Halle.“ Das kommt daher, dass die Lagertechnik effektiv auf mehreren Ebenen positioniert ist. Deshalb ist die neue Halle mit knapp 14 Metern auch höher als die alte Halle. Aber auch in etwas niedrigeren Bestandshallen sieht Rolle ein großes Potenzial für das AutoStore-System. „Die meisten Hallen sind circa 7 bis 14 Meter hoch und damit hervorragend für AutoStore-Systeme geeignet. Von dieser Höhe werden im Wareneingang oft nur zwei Meter gebraucht, alles darüber ist meist ungenutzter Raum. Da die AutoStore-Anlage auf einer 5,5 Meter hohen Bühne steht, wird dieser Raum hervorragend ausgenutzt.“

Dabei kam der Bau der Halle gerade rechtzeitig, da das Unternehmen 2018 um 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gewachsen ist – geplant wurde eigentlich mit einem Wachstum von zehn Prozent. Rolle sagt: „ Die Erweiterung unserer Lagerkapazitäten erfolgte genau zum richtigen Zeitpunkt.“

Bauphase bei TTI

Der Intralogistik-Spezialist und AutoStore-Distributor Element Logic war es, der TTI bei der Planung und Umsetzung der gesamten Intralogistik des Lagers von Anfang an begleitet hat. Weit über den Einbau der reinen Anlage hinaus. Die Experten von Element Logic waren an der Planung der gesamten automatisierten Lagertechnik beteiligt.

Die ersten Treffen fanden im Jahr 2014 statt, eingeweiht wurde die Anlage im September 2018. Michael Kawalier, Managing Director bei Element Logic Germany, sagt stolz: „Der Terminplan galt für das ganze Projekt ohne Nachjustierungen. Tatsächlich sind wir sogar einige Wochen vor dem eigentlich Go-live-Datum fertig geworden.“ Gekostet hat die gesamte in der neuen Halle verbaute Technik 23 Millionen Euro.

TTI hatte bei diesem Projekt natürlich den Vorteil, dass ein Großteil der Anlage in den neuen Hallen implementiert wurde. Damit konnte der Regelbetrieb in den bestehenden Lagerbereichen relativ ungestört weiterlaufen, während die AutoStore-Anlage und die anderen beteiligten Gewerke langsam hochgefahren wurden. Rolle erklärt: „Wir haben das neue Lager ausschließlich mit neuer Ware befüllt.“ Ganz reibungslos ging der große Umbau aber nicht vonstatten: Kawalier sagt: „TTI musste während der Bauphase natürlich oft bestehende Arbeitsplätze umverlegen, damit im Bestand die Anbindungen an die neue Technik erfolgen konnten.“ Dies erforderte eine hohe Flexibilität sämtlicher Mitarbeiter.

Ab in die Kiste

Wie kann man sich das AutoStore-Lager bei TTI nun aber im Detail vorstellen? Der Kern der Anlage sind die direkt aufeinandergestapelten Kisten, die auf einer hohen Stahlbaubühne in der Halle stehen. Bei TTI sind es 16 Behälter, die übereinandergestapelt sind. In der Länge hat die Anlage 82 Kisten aufgereiht, in der Breite stehen 119 Kisten nebeneinander. Auf einem Quadratmeter der Hallenbühne lasten im schlimmsten anzunehmenden Fall bis zu zwei Tonnen Gewicht – auch eine bauliche Meisterleistung. Die Boxen des Systems sind in einer einheitlichen Breite und Länge, aber in drei unterschiedlichen Höhen erhältlich: 649 x 449 x 220/330/425 mm (LxBxH). Sie sind so um circa 22 Prozent größer als klassische Boxen, welche damit auch in den Behältern eingelagert werden können. Zusätzlich besteht auch immer die Möglichkeit, Boxen mit Trennwänden auszustatten und so verschiedene kleine Artikel einzulagern.

Intelligente Roboter im Einsatz

Über den so gelagerten Kisten ist ein Gitternetz, oder Grid, aus Aluminium angebracht, auf dem die Roboter eifrig herumsurren. Sie alle verfügen über Greifeinheiten, mit denen sie die Kisten aus der Tiefe ziehen. Insgesamt besitzt der weltgrößte Distributor von passiven und elektromechanischen Bauelementen ein Sortiment von über 250.000 Teilen. „Im AutoStore-Lager haben wir hauptsächlich die schnelldrehenden Artikel untergebracht“, erklärt Rolle, „von ihnen ist ungefähr ein Vorrat für vier Wochen eingelagert.“

Mit Anlauf zur Anlieferung

Die erste Frage, die sich dem Betrachter beim Anblick der Anlage stellt, ist sicherlich diese: Was, wenn ein gewünschter Artikel in einer Kiste steckt, die just beim Anfragen auf der untersten Ebene vergraben ist? Kawalier sagt: „Die Roboter brauchen maximal drei Minuten und 24 Sekunden, um für eine komplett ungeplante Expressauslagerung die unterste Kiste auszugraben.“ Wie das sein kann? Dazu muss man ein bisschen ausholen.

Tatsächlich ist es im Tagesbetrieb so, dass sich die Roboter in zwei Schwärme aufteilen. Der eine Schwarm beschäftigt sich mit dem Vorbereiten der gerade eingespeisten Aufträge. Das heißt, dass die Roboter die relevanten Kisten „ausgraben“ und an einfach zu erreichenden Positionen in der obersten Ebene ablegen. Der zweite Schwarm hat die Aufgabe, diese Kisten zu schnappen und an die Kommissionierstationen anzuliefern. Parallel dazu sind die Roboter damit beschäftigt, den Wareneingangsstationen leere Kisten anzuliefern und die gefüllten Kisten wieder im Grid zu verstauen.

Sogar schon in Zeiten, an denen keiner der Kommissionierer überhaupt in der Halle ist, zum Teil sogar nachts, bereiten die Roboter die ersten Aufträge vor. Sobald die Kommissionierer zum Schichtbeginn in den Betrieb kommen, beginnen die Roboter die schon vorbereiteten Kisten an den Arbeitsplätzen anzuliefern.

Mit dem AutoStore-System kann die von TTI geforderte Geschwindigkeit im Umschlag der Waren eingehalten werden: der Händler verspricht, fast alle seine Teile europaweit innerhalb von 24 Stunden zu liefern, und das bei über 8000 Auftragspositionen am Tag. Das Schöne: Die Anlage wird über die Zeit auch immer effektiver. „Das AutoStore-Lager optimiert sich im fortlaufenden Betrieb immer weiter“, erklärt Kawalier. „Häufig benötigte Artikel bleiben automatisch in oberen Regionen des Grids. Dies liegt daran, dass das Funktionsprinzip von AutoStore automatisch immer den zuletzt benötigten Behälter auf der obersten Position des Behälterstapels ablegt. Somit sinken selten benötigte C-Artikel automatisch tiefer und häufig benötigte A-Artikel bleiben automatisch in den oberen Regionen vorhanden. So verkürzen sich die Zugriffzeiten mit der Zeit immer weiter.“

Theoretisch könnte die Anlage im Hochbetrieb alle paar Sekunden eine neue Kiste an einen der 24 Kommissionierplätze anliefern, welche sich im Kommissioniertunnel innerhalb der AutoStore-Anlage befinden.

Aber so schnell können die Lagermitarbeiter gar nicht arbeiten. Rolle sagt: „Wir haben bei TTI viele aufwendige Teile, bei denen die Kommissionierung länger dauert.“ Deshalb ist er besonders stolz darauf, die Arbeitsplätze ergonomisch eingerichtet zu haben: Alle Arbeitsgegenstände sind in Reichweite. Zusätzlich unterstützt neueste Technik die Mitarbeiter: Sie alle sind mit den Scan-Handschuhen der Firma ProGlove ausgestattet, sodass sie nicht noch extra mit Scannern hantieren müssen.

Die Kisten aus der Anlage werden über den Port direkt an die jeweiligen Arbeitsplätze geliefert. Dort kann der Kommissionierer bis zu vier Aufträge gleichzeitig bearbeiten. Die Roboter liefern Positionen auftragsgerecht an. Das heißt, dass viele Aufträge schon am Kommissionierarbeitsplatz konsolidiert werden können und dann direkt in den Warenausgang geschickt werden. Die anderen Aufträge werden im Shuttlelager, welches als Konsolidierungspuffer fungiert, zwischengelagert. So spart sich TTI auch in der weiteren Materialflusskette erheblich Platz, da die Fläche für die Konsolidierung deutlich reduziert werden konnte.

Einfach skalierbar

Die AutoStore-Anlage ist einfach skalierbar. Auf der einen Seite können mehr Roboter zugekauft und auf das Grid gesetzt werden, um mehr „Manpower“ zu erhalten. Auf der anderen Seite kann einfach „angebaut“ werden, solange es die Hallengröße zulässt. Kawalier sagt: „Die Anlage kann einfach mitwachsen. Unsere Kunden müssen nicht lange im Voraus ihr Kapital blockieren, um eine Anlage zu errichten, welche perspektivisch die Anforderungen in fünf oder zehn Jahren abdeckt. Eine AutoStore-Anlage kann auf die präzisen momentanen Anforderungen abgestimmt werden.“

Auch über eine Halle hinaus kann ein AutoStore-System erweitert werden: Zwei benachbarte Anlagen können zum Beispiel über Fahrschienen komfortabel miteinander verbunden werden, auf denen Roboter nach Bedarf zwischen zwei Grids hin und her wechseln können. Das würde auch Sinn machen, wenn ein Lager bautechnisch vom anderen getrennt ist. So ist es laut Kawalier auch möglich, zwei AutoStore-Systeme zu verbinden, bei denen die Roboter auf einer solchen Schiene zwischen zwei baulich durch eine Straße getrennte Lager wechseln können.

Wie gut das Konzept der AutoStore-Anlage funktioniert, zeigen die Zahlen von Element Logic. „86 Prozent unserer Kunden erweitern ihre Anlagen“, sagt Kawalier. Die weltweit größte AutoStore-Anlage wurde von Element Logic in Ängelholm in Südschweden realisiert und hat mittlerweile eine Kapazität von 380.000 Behältern und 380 Robotern. Auch in die andere Richtung sind der Anlage wenig Grenzen gesetzt: Die kleinste Anlage hat gerade einmal 900 Behälter, erzählt Kawalier. Er sagt: „Der Einbau macht fast überall Sinn, wo es Artikel gibt, die in die Behälter passen.“

Die vorgehend erwähnte Riesenanlage in Schweden hat sich gar nicht weit von den Wurzeln des Systems entfernt; erfunden wurde das System nämlich im Nachbarland Norwegen, und zwar von Ingvar Hognaland, dem technischen Direktor des Elektronikhändlers Hatteland-Group im Jahr 1996. Seit den frühen 2000ern werden AutoStore-Anlagen auch von Element Logic errichtet. Es gibt weltweit diverse Distributoren, die AutoStore-Anlagen vermarkten und liefern. Element Logic war der erste der AutoStore-Distributor und hat in Europa mehr als 70 Anlagen erfolgreich errichtet.

Einsatzbereiche für die Anlagen gibt es viele. Kawalier sagt: „AutoStore ist in fast allen Industrien vertreten. Alles, was in diese Kisten passt, wird auch darin gelagert: von Geld über Lebensmittel bis hin zu Elektronikteilen, Schmuck, Maschinenbaukomponenten, Textil- und Fashionartikeln, Partybedarf – es gibt für AutoStore annähernd keine Grenzen.“

Auch bei TTI wird bald wieder angebaut. Schon jetzt ist in Maisach-Gernlinden die restliche neue Halle für eine zweite Ausbaustufe der Anlage vorbereitet, sodass die Anlage nochmals verdoppelt werden kann. „Damit hätte TTI die größte AutoStore-Anlage in Deutschland – zumindest temporär“, sagt Kawalier schmunzelnd. Natürlich wird Element Logic auch diese zweite Ausbaustufe begleiten.


Der Anwender

TTI, Inc.

… ist der ein weltweit agierender Vertriebsspezialist für passive, elektromechanische und diskrete Bauteile, Steckverbinder, Netzteile sowie Sensorkomponenten. Als Händler ist TTI, Inc. an 133 Standorten in Europa, Asien und Nordamerika aktiv und hat 6700 Mitarbeiter. Der Hauptsitz des europäischen Vertriebsnetzwerks befindet sich in Maisach-Gernlinden bei München. Im Jahr 2017 erwirtschaftete das Unternehmen 3,5 Milliarden US-Dollar.


Der Intralogistik-Spezialist

Element Logic

… wurde von den norwegischen Brüdern Kjell und Dag-Adler Blakseth im Jahr 1985 gegründet. 2003 fing das Unternehmen an, das von Jakob Hatteland entwickelte AutoStore-System als Distributor zu vertreiben und bei seinen Kunden zu installieren.

Heutzutage ist Element Logic ein Systemintegrator, der sich auf die Automatisierung von Lagerhäusern und Lösungen für die Intralogistik spezialisiert. Das Unternehmen hat aktuell 140 Mitarbeiter und im vergangenen Jahr
60 Millionen Euro Umsatz gemacht.


Sanja Döttling, Redakteurin Beschaffung aktuell

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