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Kosten sind nicht gleich Kosten

Beschaffungsmanagement in der Supply Chain
Kosten sind nicht gleich Kosten

Beim Einkauf von Logistikdienstleistungen ist der Frachtkostenpreis in der Praxis oft entscheidend. Dieser ist aber nur eine von vielen Komponenten, die die Kosten für den Transport bestimmen. Dr. Fabian Struck von FreightHub erklärt, wie die Gesamtkosten besser berechnet werden können.

Beschaffung hat das Ziel, Güter zum besten Preis, in der notwendigen Qualität und zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen. Was simpel klingt, ist in der Praxis nicht so einfach. Denn: Wie wird der „beste Preis“ ermittelt? Bei der Beschaffung von Logistikdienstleistungen kommen zur Messung des Preises vor allem Frachtkosten als Key Performance Indicator (KPI) zum Einsatz. Eine kürzlich durchgeführte Befragung von FreightHub, einer digitalen Speditionsplattform, bestätigt dies: Die Mehrheit der Unternehmen nannte darin als wichtigstes Ziel die Reduktion der Frachtkosten. Als zweitwichtigste KPI für erfolgreiches Beschaffungsmanagement in der Logistik folgte die Zuverlässigkeit des Logistikpartners, meist in Form der “On-Time-Performance”, also der zeitgerechten Bereitstellung. Interessant wird es, wenn man diese KPI mit den Faktoren vergleicht, die laut Befragung für die Auswahl des Dienstleisters ausschlaggebend sind: Dies sind völlig andere KPIs. Für die Auswahl rangieren an erster Stelle Faktoren wie transparente und schnelle Informationsbereitstellung. Ein Blick in die einschlägige Literatur bestätigt dieses Bild. Neben Zuverlässigkeit werden dort die Bindung des Betriebskapitals, Wareneinstandskosten, Bestellzyklen und eine korrekte Abrechnung zur Bewertung herangezogen.

Die Diskrepanz zwischen Preis- und Qualitätsmetriken liegt meist darin begründet, dass die angeführten Qualitätsmetriken, wie Informationsbereitstellung, Wareneinstandskosten, Bestellzyklen und Abrechnungsverfahren, nicht übersichtlich zur Verfügung stehen. Eine Lösung für dieses Missverhältnis bringt der Wechsel zu einer datengetriebenen Supply Chain und damit auch zu einer qualitätsorientierten Beschaffung. Zwei Erkenntnisse sind dabei wesentlich: Zum einen sind Frachtkosten nicht synonym mit den Gesamtkosten für die Fracht und zum anderen führen preisorientierte Bieterverfahren oft zu Problemen in der weiteren Zusammenarbeit und zu einem Qualitätsverlust.

Frachtkosten als Spitze des (Pr)eisbergs

Ein datengetriebenes Beschaffungsmanagement betrachtet nicht nur die einzelnen Preiskomponenten, sondern die Gesamtkosten, also die Total Cost of Shipment (TCoS), sowie etwaige Folgekosten für das gesamtunternehmerische Handeln. Am Beispiel einer Supply Chain mit Hunderten Seefrachtsendungen aus Asien hat FreightHub analysiert,, dass in einem Jahr bis zu 40 Prozent der gesamten Wareneinstandskosten außerhalb der eigentlichen Frachtkosten anfallen können. Die zusätzlichen Kosten ergeben sich aus administrativen Kosten, Kapitalbindungskosten, Lager- und Verwaltungskosten sowie „Notfallkosten“. Zu Letzteren zählen der Wechsel des Transportträgers bei intransparenten Verzögerungen, die Ersatzbeschaffungen bei Verspätungen oder Vertragsstrafen gegenüber eigenen Kunden. Bezieht man diese indirekten Kosten nicht in die Planung ein, ergeben sich wirtschaftliche Verzerrungen und Risiken in der Supply Chain. Analog einem Eisberg vernachlässigen preisorientierte Verfahren für Logistikleistungen den Teil unter der Wasseroberfläche.

Preisorientiertes Bieterverfahren unpassend

Qualitative Interviews zeigen auch, dass Mitarbeiter in der operativen Abwicklung mit dem Logistikpartner unerwartete Verzögerungen und den so entstehenden Zusatzaufwand als größten Stressverursacher wahrnehmen. Während aus Sicht der Abwicklung das Ziel darin bestehen muss, Verzögerungen zu reduzieren, führen rein preisorientierte Bieterverfahren zum Gegenteil.

Zwei Beispiele: Zum einen sind Informationen in der Angebotsanforderung bei preisgetriebenen Verfahren oft unvollständig, sodass ein qualifiziertes Angebot nicht im ersten Schritt erstellt ist. Das führt bei der Angebotsvereinbarung zu einem höheren Aufwand für das beschaffende Unternehmen.

Zum anderen sind die Vorgaben an die Abwicklung, wie Transportmodi oder Routing, fixiert. Daraus folgen geringe Flexibilität bei der Optimierung der Routen und geringer Spielraum für den Anbieter, ein Preis-Qualität-optimiertes Angebot zu erstellen.

Ein erster Schritt in Richtung messbarer Qualität sind Vorqualifizierungsrunden im Bieterverfahren, in denen Logistikanbieter definierte Kriterien erfüllen sollen. Damit erreicht man allerdings noch nicht die notwendige Datentiefe für eine Aussage über die tatsächlich anfallenden Gesamtkosten in der Supply Chain, die Qualität der Dienstleistung oder den Beitrag der Lieferanten im Rahmen der Warenbereitstellung.

Datengetriebenes Management als Lösung

Das Problem ist lösbar: Und zwar mit einem datengetriebenen Beschaffungsmanagement. Dieser Weg erfolgt in drei Schritten: Erstens muss das beschaffende Unternehmen einen Digitalspezialisten identifizieren, mit dem es eine Datenbasis aufbaut. Zusammen können die Partner in einem nächsten Schritt eine Bearbeitungsmatrix erarbeiten, die über die Frachtkosten hinaus anfallende Kosten beinhaltet. Im letzten Schritt können diese Daten genutzt werden, um Optimierungspotenziale auszunutzen (siehe Kasten).

Um mehr Transparenz in der Supply Chain herzustellen, sodass sich Optimierungspotenziale ableiten lassen, ist ein Wechsel der Kostenperspektive wichtig – hin zu den Total Cost of Shipment. Für die notwendige Transparenz sorgen Beschaffung und Logistik durch ein datengetriebenes Management. Es lohnt sich, denn die Frachtkosten sind nur die Spitze des Eisbergs – das wahre Optimierungspotenzial liegt häufig unter der Wasseroberfläche.


Praxistipp

Drei Schritte hin zum datengetriebenen Beschaffungsmanagement

Schritt eins. Eine moderne Beschaffung kann den Aufbau und die Nutzung einer Datenbasis für die Supply Chain durch die Auswahl eines Digitalpartners lösen, der umfassende Daten bereitstellt. Dabei geht es nicht nur um ein digitales Interface, sondern darum, mit den Daten der Logistikpartner die Planung und Abwicklung auf digitale Prozesse umzustellen. So lässt sich Arbeitszeit einsparen. Unternehmen können ihre Prozesse mithilfe der Informationen datengetrieben steuern, sodass Entscheidungen im operativen Geschäft faktenbasiert getroffen werden. Ein Beispiel: An der Schnittstelle zwischen Beschaffung und Logistik geht es um die Beurteilung der Leistungsfähigkeit von Lieferanten im Ursprungsland. Ohne verlässliche Daten bleiben Ursachen für Verzögerungen in Herkunftsländern häufig intransparent und werden nicht der verantwortlichen Partei zugeordnet. So kann keine Optimierung erfolgen.

Schritt zwei. Bei der Zusammenarbeit zwischen Beschaffung und Logistik ersetzt eine gemeinsam entwickelte Beurteilungsmatrix ein stufenweises Vorgehen. Neben den Frachtkosten werden in der Matrix operative Qualitätskennzahlen und der Aufwand der Zusammenarbeit erfasst, Auswirkungen auf die Supply Chain quantifiziert und in die Gesamtkostenbetrachtung einbezogen. Auf diese Weise lässt sich eine Bewertung in einheitlicher Dimension schaffen.

Schritt drei. Durch regelmäßige Reviews innerhalb des Unternehmens und in Zusammenarbeit mit dem gewählten Partner können Optimierungspotenziale nun datenbasiert identifiziert und gehoben werden.


Dr. Fabian Struck ist Vice President Growth der digitalen Spedition FreightHub aus Berlin. Zuvor war er sechs Jahre lang als Berater in der Logistik- und Transport-Practice von McKinsey tätig.

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