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Logistik: Woher kommt der Fahrermangel?

Hintergründe, Maßnahmen, Zukunftsaussichten
Woher kommt der Fahrermangel?

Woher kommt der Fahrermangel?
Eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer kommt für den potenziellen Nachwuchs oft nicht infrage. Gründe hierfür sind die Arbeitszeiten und -bedingungen. Bild: Drazen/stock.adobe.com
Wenn der Verkehrsausschuss des Bundestags den Mangel an Berufskraftfahrern als existenzbedrohend einordnet, ist es höchste Zeit zu handeln. Nachfolgend wird erläutert, warum sich die Lage so zuspitzt und wie Unternehmen sich entsprechend aufstellen.

Olga Polasik-Rüffer, Senior Communications Manager, Timocom

Die Straßengüterindustrie ist für einen Großteil der Logistik verantwortlich. Die Bedeutung hat sich über die letzte Zeit noch weiter zugespitzt. Gründe hierfür liegen im veränderten Konsumverhalten, wo E-Commerce und Online-Shopping immer wichtiger werden. Hinzu kommen politische Entwicklungen wie der Brexit, der die europaweite Logistik vor neue Herausforderungen gestellt hat.

Unattraktive Arbeitsbedingungen

Leider wird auch der Beruf des Kraftfahrers nach Ansicht von Timocom immer unattraktiver. Gründe hierfür sind unter anderem die komplizierte Vereinbarung zwischen Familie und Beruf: Überstunden und Wochenendarbeit, sowie längere Touren, die mehrere Tage Unterwegssein bedeuten. Der jährliche Durchschnittslohn eines Lkw-Fahrers für diesen Aufwand liegt laut Stepstone Ende August bei 33.100 Euro.

80.000 bis 100.000 Lkw-Fahrer fehlen aktuell in Deutschland laut Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), die Dunkelziffer ist vermutlich noch höher. Die Anzahl der Berufskraftfahrer in Deutschland unter 25 Jahren beträgt laut Bundesamt für Güterverkehr nur 2,7 Prozent. Insbesondere jungen Menschen ist die Planbarkeit ihrer Arbeitszeiten wichtig. Daher kommt dieser Beruf für den potenziellen Nachwuchs oft gar nicht erst infrage. Durch Weiterbildungen oder Umschulungen sollen Quereinstiege ermöglicht oder leichter gemacht werden.

Pandemie und Ukraine-Krieg

Als Corona kam, wurden die weltweiten Lieferketten massiv zerrüttet und der Druck auf die Straßengüterindustrie weiter erhöht. Seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine fallen dazu Lkw-Fahrer weg. Nicht nur aus der Ukraine selbst, auch aus Polen, Belarus und Russland. „Die europäischen Frachtkapazitäten im Straßengüterverkehr sind […] hierdurch um bis zu sieben Prozent eingeschränkt“, heißt es laut einem Bericht des Spiegels vom März.

Auch das neue Mobilitätspaket der Europäischen Union ist der Lage nicht zuträglich, wie Steven van Cauteren, Director of Key Account & Partner Management bei Timocom, erklärt: „Das Mobilitätspaket führt dazu, dass es für ausländische Unternehmen immer unattraktiver wird, gewisse Kabotage-Transporte auszuführen. Die werden sich deswegen primär auf ihre Märkte konzentrieren. Was dann bedeutet, dass weniger Kapazitäten für den deutschen Markt zur Verfügung stehen.“

Zunehmende Digitalisierung

Laut einer Studie von meinestadt.de (2020) sehen 35 Prozent der Befragten ihren Arbeitsplatz in der Logistik durch die Digitalisierung bedroht. Die Annahme herrscht vor, dass der Mensch in Zukunft beim Transport von Waren nicht mehr benötigt werden würde. Dabei umfasst das Tätigkeitsfeld von Berufskraftfahrern nicht nur das Fahren von Ladung von einem Ort zum nächsten. Es gehören unter anderem die Kontrolle und Wartung des Fahrzeugs sowie die Koordination und Kommunikation mit anderen am Transport Beteiligten dazu. Viele dieser Tätigkeiten können nicht vollumfänglich digital ersetzt werden. Neue Technologien helfen dabei, Prozesse zu verbessern. Die Einführung dieser birgt somit Vorteile für Arbeitnehmer im Transportgewerbe.

Richtungswechsel im Markt

Die Nachfrage an Kapazitäten und Lkw-Fahrern steigt also seit Jahren. Verlader sehen die Logistik nicht mehr als notwendiges Übel, sondern als Alleinstellungsmerkmal und Wettbewerbsvorsprung. Die Kontrolle über die eigene Supply Chain zu erhalten wird immer wichtiger. Das bezieht sich auf die Transparenz, was die Durchführung des Transportes betrifft, aber auch, was die Sicherstellung der Kapazitäten angeht. Der Markt hat sich gewandelt. Immer mehr Transportdienstleister entscheiden heute darüber, mit wem sie zusammenarbeiten möchten und wie die Vergütung aussieht.

Problem proaktiv angehen

Die vergangenen zwei Jahre stellten ein negatives Novum für die Logistik und gesamte Weltwirtschaft dar. Darauf entsprechend zu reagieren war nur mit einem umfangreichen Rahmenwerk für das Risikomanagement möglich und hat viele Unternehmen vor massive Herausforderungen gestellt. Die Unternehmensberatung McKinsey hat das Supply-Chain-Risk-Management in zwei Bereiche unterteilt:

  • Unbekannte Risiken sind Bedrohungen, die spontan auftreten und nicht absehbar sind.
  • Bekannten Risiken sind Bedrohungen, die antizipiert, systematisch kategorisiert und im Vorfeld mit alternativen Handlungsempfehlungen versehen werden können.

Der Fahrermangel ist demnach ein bekanntes Risiko, denn das Problem ist identifiziert, lässt sich beschreiben und kann proaktiv angegangen werden. Denn aktives Management minimiert das Risiko. Industrie- und Handelsunternehmen aber auch Transportunternehmen benötigen ein hohes Maß an Flexibilität, um auf Marktveränderungen und schwankende Kundenbedürfnisse reagieren zu können. Da die Anzahl geeigneter Fahrer immer stärker sinkt, reicht es nicht mehr aus, bei Nachfragespitzen oder kurzfristigen Aufträgen nach Alternativen zu suchen. Es muss ein Umdenken stattfinden, das den Wechsel zu proaktiven Entscheidungen vorantreibt.

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