Ein Albtraum für Einkäufer ist Realität geworden: Es herrscht zurzeit und wohl noch bis in das nächste Jahr hinein eine schmerzliche Mangelwirtschaft. Ob Plastikdübel, Schrauben, Verpackung, Holz, Baustoffe, Stahl oder Polyurethan – die Beschaffungsmärkte sind leergefegt, und die Preise galoppieren davon. Verstärkend kommen ungekannte Engpässe in der Logistik zu Wasser und zu Lande hinzu. Sie gehen mit einer Vervielfachung der Frachtraten einher. An eine solche Stresssituation können sich die heute aktiven Einkäufer, abgesehen von denjenigen, die bereits in der späten DDR in den volkseigenen Betrieben tätig waren, nicht erinnern.
Versorgungsengpässe gab es in den letzten Jahrzehnten allenfalls punktuell und temporär etwa infolge von Naturkatastrophen. Im Prinzip durften die Einkäufer jedoch Verfügbarkeit voraussetzen. Sie wurden darauf getrimmt, mit spitzem Bleistift Preise und Konditionen zu kalkulieren, mit ihren Lieferanten hart zu verhandeln und die Lagerbestände möglichst gering zu halten. Savings waren King, und Jit-Lieferketten wurden als das Non Plus Ultra wo immer möglich angestrebt.
Doch dann kam Corona, und über Nacht wurden die internationalen Lieferketten zur Achillesferse. Verfügbarkeit mutierte zum (unerreichbaren?) Ziel Nr. 1 bei den Einkäufern. Nach dem Abflachen von Corona wurde die Versorgungssituation alles andere als besser. China und die USA saugen sich ob ihres rasanten Wachstums voll mit Vorprodukten, die in Europa nicht zur Verfügung stehen. Wegen des hohen Stahlbedarfs im eigenen Lande hat die chinesische Regierung die frühere Exportförderung aufgehoben und erwägt sogar Abgaben auf Stahlausfuhren. Holz geht in die USA und nach China, weil dort die höchsten Preise gezahlt werden.
Die derzeitigen gravierenden Versorgungsengpässe bedrohen den Konjunkturaufschwung: In vielen Unternehmen quellen die Auftragsbücher über, aber die Aufträge können nicht abgearbeitet werden, weil das erforderliche Material fehlt.
Eine Besserung ist kurzfristig nicht in Sicht. Hier sei jedoch die Prognose gewagt, dass sich die Verhältnisse in weiten Teilen bis Mitte nächsten Jahres wieder normalisieren werden, vorausgesetzt die Regierungen lassen die Marktkräfte walten.
Was kann man den Einkäufern nun für die nächste Zukunft, abgesehen von Augen zu und durch, empfehlen?
- Sie sollten auf Hamsterkäufe, die über den berühmt berüchtigten Bullwhip-Effekt die Situation in den Lieferketten nur verschlimmbessern, verzichten.
- Sie sollten ihr Supply Chain Risk Management professionalisieren.
- Sie sollten stärker auf Rohstoffrecycling und höhere Materialeffizienz setzen.
- Sie sollten sich eine höhere Transparenz über ihre Lieferkette verschaffen und sich um eine bessere Koordination und Kooperation mit allen Third Parties bemühen.
Diese Vorschläge sind nicht das Ei des Columbus, aber es sind Ansatzpunkte für eine die Resilienz fördernde SupplyChain-Strategie und für einen Kurswechsel des Einkaufs, der die Weichen für die neue Normalität der Post-Corona- und nicht zu vergessen Klimawandel-Zeit richtig stellen muss.