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Chatbot Nelson bei der Telekom

Peter Tasev, Senior Vice President der Telekom-Tochter Deutsche Telekom Services Europe (DTSE)
„Chatbot Nelson führt die Verhandlungen mit Lieferanten automatisiert“

Peter Tasev, Senior Vice President der Telekom-Tochter Deutsche Telekom Services Europe (DTSE) über die digitalisierte Beschaffung der Telekom Deutschland. Ein wesentliches Element davon ist der Chatbot Nelson.

Beschaffung aktuell: Bei der Telekom wurde eine P2P-Lösung aufgesetzt; wann wurde damit begonnen?

Peter Tasev: Wir haben 2016 die Bereiche Procurement, Accounts, Payable und Payment in der Zuständigkeit eines Managers zusammengefasst. Eigentlich aber haben wir bereits 2008 mit der Optimierung dieser Bereiche unter dem Begriff „One ERP“ begonnen. 2016 haben wir dann einen Riesensprung nach vorne gemacht durch eine end-to-end-Verantwortung und damit auch eine durchgehende Verbesserung der Prozesskette.

Früher mussten Verbesserungen in den genannten Bereichen immer mühsam aufeinander abgestimmt werden, es gab also kein durchgehendes Prozessdesign. Das wurde erst mit Procure-to-Pay geschaffen. Wir haben im operativen Einkauf viel verbessert und neue Technologien eingeführt, dadurch konnte die gesamte Kette automatisiert werden.

P2P-Lösung der DTSE

Beschaffung aktuell: Wodurch unterscheidet sich die P2P-Lösung der DTSE von der allgemeinen Entwicklung?

Tasev: Mir ist in Gesamteuropa kein anderer Konzern unserer Größenordnung bekannt, der den operativen Einkauf unter einem Dach so konsequent und end-to-end bündelt, wie wir es im Shared Service Center (SSC) der Deutschen Telekom realisiert haben. Wenn wir im Einkauf eine Prozessverbesserung vornehmen, werden alle weiteren Prozesse der anderen Bereiche ebenfalls verbessert. Das gilt auch in die andere Richtung. Wenn wir veränderten Rahmenbedingungen Rechnung tragen, etwa der aktuellen Mehrwertsteuersenkung, beeinflusst das die gesamte P2P-Kette.

Das gilt genauso für die Ausbildung und Schaffung neuer Skills unserer Mitarbeiter, um die Methodik dieser neuen Technologien optimiert anwenden zu können. Auch das betrifft die komplette Prozesskette: den Einkauf, das Accounting und den Zahlungsverkehr. Diese umfassende Wechselwirkung auf der gesamten operativen Management-Ebene sorgt dafür, Reibungsverluste möglichst gering zu halten.

 

Beschaffung aktuell: Was ist denn konkret der USP der Telekom-Lösung?

Tasev: Bei anderen Großkonzernen sind die Zielsetzungen durchaus andere. Dort fokussiert man sich in der Regel auf die Preise beim Einkauf, wir aber stellen sehr stark die Effizienz der Gesamtlösung in den Vordergrund. Das belegen unsere KPIs, also die relevanten Leistungskennzahlen, sehr eindrucksvoll in den Benchmarks, die wir zu anderen Unternehmen durchführen. Unser Vorteil ist, dass wir diese Bereiche in der Konzernorganisation auf Vorstandsebene unter einer Verantwortung zusammengeführt haben.

 

Beschaffung aktuell: Wie weit ist die P2P-Transformation abgeschlossen und welche wichtigen Schritte stehen noch an?

Tasev: Diese Lösung ist bereits prozessual und organisatorisch sehr stabil. Wir haben deutschland- und europaweit die Prozesse weitgehend automatisiert: Wir nutzen eine Plattform, also keine individuellen Lösungen für die unterschiedlichen Bereiche mehr, wir arbeiten mit der Cloud-Lösung Ariba von SAP prozessual und technisch von der IT-Seite her sind wir sehr gut aufgestellt und skalierbar. Wir können also jederzeit neue interne Kunden bedienen, ohne erneut große Investitionen zu leisten. Wir verbessern uns weiterhin, indem wir Voraussetzungen dafür schaffen, dass ein Einkaufsmitarbeiter mehrere Warengruppen betreuen kann.

 

Beschaffung aktuell: Wer sind solche neue Kunden?

Tasev: Neue Kunden entstehen in der Regel durch Mergers and Acquisitions mit und von anderen Unternehmen, aktuell etwa mit der holländischen Tele2. Für solche Aufnahmen in den Konzernverbund haben wir Templates entwickelt, die eine schnelle, automatisierte und standardisierte prozessuale Einbindung erlauben.

Diese Skills fordert die Telekom von ihren Einkäufers

Beschaffung aktuell: Zu den Mitarbeitern: Die werden durch die ständige Weiterentwicklung sicher extrem gefordert. Welche Skills brauchen sie?

Tasev: Eine sehr enge Spezialisierung auf bestimmte Tätigkeiten wird immer obsoleter im operativen Einkauf. Heute werden über 90 Prozent des Einkaufs automatisiert abgewickelt, die Einkäufer befassen sich deshalb vor allem mit sehr komplexen Sachverhalten. Die erforderlichen Skills sind also nicht mehr eng spezialisiert auf bestimmte wenige, meist iterative Aufgaben, sie müssen nun ein generelles Verständnis der Wertschöpfung des Einkaufs und der eingesetzten Technologien beinhalten. Es geht also bei den Hard Skills um ein ganzheitliches, generalistisches Verständnis.

Dazu kommen noch Soft Skills, die absolut notwendig sind: Man muss durch die Transformationen, durch die Bündelung bislang getrennter Bereiche, ständig mit neuen Kollegen und Lieferanten interagieren, muss sich auch mit neuen Produkten befassen. Die Mitarbeiter müssen bereit sein, ständig auf Änderungen zu reagieren, sie anzunehmen und mit zu gestalten. Das sind die Kriterien für neue Mitarbeiter, aber auch für die Aus- und Weiterbildung bereits vorhandener Mitarbeiter.

Auch die Trennung zwischen Fachbereich und IT wird immer fließender: Wir holen Personen an Bord, die beides abdecken. Ich selbst bin dafür ein Beispiel: Von der Ausbildung her Diplom-Informatiker habe ich über mein gesamtes Berufsleben das Zusammenspiel zwischen IT, Projekten und Fachbereichs-Fragestellungen gelöst.

 

Beschaffung aktuell: Konkret heißt das für Ihre Mitarbeiter …

Tasev: Wir investieren in die Schulung neuer Technologien, aber auch in Training für Change Management: Wie gehe ich mit Veränderungen um? Dafür nutzen wir u.  a. System Coaches, um unsere Mitarbeiter im Umgang mit den Transformationsprozessen zu unterstützen.

 

Beschaffung aktuell: Bleiben wir bei den Mitarbeitern: Wie viele haben Sie derzeit?

Tasev: Wir haben im Jahr 2020 etwa 3500 Mitarbeiter in Europa und Standorte in Deutschland, der Slowakei, Rumänien und Tschechien. Im letzten Jahr haben wir die DTSE umgewandelt in eine SE (Societas Europaea), eine europäische Aktiengesellschaft. Übergeordnetes Ziel ist die Stärkung der länderübergreifenden Zusammenarbeit sowie eine Vereinfachung bzw. Beschleunigung unserer Entscheidungsprozesse.

 

Beschaffung aktuell: Wie hoch ist das jährliche Einkaufsvolumen der Deutschen Telekom?

Tasev: Das Einkaufsvolumen der Deutsche Telekom AG liegt jährlich weltweit in einem zweistelligen Milliardenbetrag. Knapp 50 Prozent davon werden über das SSC prozessiert. Die DTSE wickelt über 90 Prozent aller Einkäufe in Deutschland und Europa für die Telekom ab.

Automatisierung durch BOTs bei der Telekom

Beschaffung aktuell: Kommen wir zu den neuen Technologien: Die P2P-Lösung setzt auf Process Mining und BOTs, also Automatisierung durch Software-Roboter. Wer ist Nelson, und was tut er?

Tasev: Wir waren und sind einer der Pioniere, was Process Mining angeht, DTSE und die Telekom waren unter den ersten Nutzern der Software von Celonis und wir wenden sehr anspruchsvolle Methoden der Datenanalyse an.

Zu Nelson: Dieser Chat Bot wurde in Kooperation mit der Bosch AG und einem Start-up aufgesetzt. Die weitere Entwicklung wurde aber von unseren Mitarbeitern realisiert, um nicht zu sehr von externen Firmen abhängig zu sein. Natürlich sind wir weltweit in ständigem Austausch mit großen Herstellern von Künstlicher Intelligenz, dennoch war es mir wichtig, Nelson soweit wie möglich selbst weiter zu entwickeln. Die gesamte Realisierung betrug etwa drei Jahre und wir bauen ständig zusätzliche Funktionalitäten ein, damit sind intern fünf Entwickler befasst.

Was kann und tut Nelson? BOTs wurden vor allem dazu entwickelt, manuell durchgeführte iterative Schritte zu automatisieren. Nelson kann aber weitaus mehr: Mit ihm automatisieren wir die Verhandlungen mit externen Lieferanten.

 

Beschaffung aktuell: Wie muss man sich das vorstellen?

Tasev: Nelson hält Verhandlungsstrategien vor und bildet Inhalte ab, also etwa Intent Recognation, Natural Language Processing, das alles haben wir während der vergangenen zwei, drei Jahre geschafft. Jetzt geht es darum, weitere und möglichst viele Inhalte in die Technologie einzubringen, unter anderem auch Machine Learning. Je mehr Verhandlungen via Nelson absolviert werden, umso cleverer wird der BOT. Ich denke, es wird noch ein Jahr dauern, bis Nelson all das abwickeln kann, was wir planen.

 

Beschaffung aktuell: Nelson verhandelt völlig eigenständig ohne humane Unterstützung?

Tasev: Vereinfacht gesagt: Für bestimmte Vorgänge kontaktiert Nelson den Lieferant, stellt sich vor und führt mit dem Lieferanten die Verhandlungen durch. Der Lieferant kommuniziert also ausschließlich mit dem BOT, Telekom-Mitarbeiter greifen nicht in die Verhandlungen ein. Die Mitarbeiter überwachen aber diesen Prozess im Sinne einer Steuerung und Qualitätssicherung, sie passen auch die Verhandlungsstrategie des BOTs an die entsprechenden Gegebenheiten an.

Früher hat sich der Mitarbeiter in einem bestimmten Umfeld ausgekannt und selbst die Verhandlungen geführt, jetzt aber muss sich der Mitarbeiter in der Technologie auskennen und verstehen, wie Einkaufsverhandlungen ablaufen und die jeweils optimale Strategie dem BOT beibringen.

 

Beschaffung aktuell: Herr Tasev, wie weit ist die P2P-Lösung autark, wie weit sind andere Unternehmensfunktionen beteiligt?

Tasev: Die gesamte Verantwortung für die P2P-Lösung liegt bei uns, der DTSE. Die Fachbereiche, also Procurement, HR, Accounting, fungieren als Stakeholder, die wir ständig über den Status und die Weiterentwicklung informieren und wir teilen auch unsere Technologie-Erkenntnisse mit diesen Partnern. Dabei haben diese oft andere Prioritäten als wir: So entwickelt etwa HR selbst einen Chat BOT, der aber nicht wie bei uns auf Verhandlungen ausgerichtet ist, sondern auf die Beantwortung von Fragen der Mitarbeiter zu und über HR Produkte und Services.

 

Beschaffung aktuell: Wie weit schafft die Deutsche Telekom die zukunftsorientierte Transformation aus eigener Kraft und mit Ihrer Hilfe?

Tasev: Die Kooperation mit Bosch habe ich ja bereits erwähnt. Und die Hackett Group, die ja bereits an der Entwicklung des SSC in den Jahren bis 2008 beteiligt war, schätze ich besonders im Bereich des Benchmarking: Wir überprüfen mit Hackett regelmäßig, wo wir mit unseren Entwicklungen stehen, wie erfolgreich wir im Vergleich zu anderen Unternehmen sind und wo wir Bedarf an Veränderungen und Verbesserungen bei unseren KPIs und unserer Performance haben. Darüber hinaus nutzen wir die Berater auch als Ideen- und Impulsgeber und erfahren durch die Kooperation, ob und wo wir bereits im Best-Practice-Bereich liegen. Dazu haben wir regelmäßigen Austausch mit unseren Key Accountern bei Hackett, durch Corona wurde das auf digitale Kontakte verlagert. (sas)


Der Mann

Peter Tasev

Nachdem Peter Tasev als Berater bei Accenture in verschiedenen internationalen Projekten tätig war, wechselte er 2010 zur Deutsche Telekom AG. Seitdem haben sich seine Aufgabenbereiche stetig erweitert: Als Vice President ERP Governance and Control bei Deutsche Telekom Services Europe SE (DTSE) verantwortete er den konzernweiten Rollout von standardisierten ERP-Prozessen in den Funktionen Personal, Beschaffung, Rechnungswesen und Stammdatenmanagement. Seit März 2019 leitet er als Senior Vice President die Serviceline Procure-to-Pay der DTSE und verantwortet u. a. die holistische Transformation des Bereichs mit dem Ziel, die Wertschöpfung der gesamten Prozesskette aus einer Hand anbieten zu können.


„Früher hat sich der Mitarbeiter in einem bestimmten Umfeld ausgekannt und selbst die Verhandlungen geführt, jetzt aber muss sich der Mitarbeiter in der Technologie auskennen und verstehen, wie Einkaufsverhandlungen ablaufen und die jeweils optimale Strategie dem BOT beibringen.“

Peter Tasev, DTSE


„Der Lieferant kommuniziert ausschließlich mit dem BOT, Telekom-Mitarbeiter greifen nicht in die Verhandlungen ein. Die Mitarbeiter überwachen aber diesen Prozess im Sinne einer Steuerung und Qualitätssicherung. Sie passen auch die Verhandlungsstrategie des BOTs an die entsprechenden Gegebenheiten an.“

Peter Tasev, DTSE

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