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Kobalt aus dem Kongo

Rohstoff des Monats: Kobalt
Das Schlüsselmetall für die E-Mobility

„Bremst Kobalt die E-Mobilität aus?“ „Wer hoch fliegt, fällt tief.“ „Kinderarbeit im Kongo.“ Kobalt hatte in den letzten Monaten keine gute Presse. Was ist dran an den Gerüchten rund um das ferromagnetische Übergangsmetall aus der 9. Gruppe des Periodensystems?

Kobalt erlebt derzeit seine vierte Blütezeit. Die Erze wurden schon zu Zeiten der ägyptischen Pharaonen für die Färbung von Trinkgläsern verwendet. Die nächsten viertausend Jahre wurde es vor allem für die Glas- und Porzellanveredelung eingesetzt. Weltberühmt wurde es erstmals durch die Meißener Glasmanufaktur. Die industrielle Verwendung begann 1905 mit der Entdeckung von Kobalt-Eisenlegierungen. Ähnlich wie Nickel steigern zwei bis zehn Prozent Kobalt in der Eisenschmelze die Härte, Zähigkeit und Beständigkeit des entstehenden Stahls. Dieser kann dann in Flugzeug- und Gasturbinenschaufeln eingesetzt werden wie auch in schnelldrehenden Anwendungen sowie in der Medizintechnik. Der nächste Einsatzbereich entstand mit der schlagartigen Ausbreitung von magnetischen Anwendungen. Die lange gebräuchlichen Magnetbänder, Videokassetten und Floppy Disks enthielten etwa drei Prozent Kobalt.

Heute wird das Metall hauptsächlich für die Herstellung von Energiespeichern eingesetzt – eine Grundvoraussetzung für E-Mobilität. Dieser Bereich machte 2017 knapp 46 Prozent des Gesamtverbrauchs aus. Weitere
Anwendungen sind unter anderem Super-
legierungen (16,5 %), Karbide und Diamantwerkzeuge (8,5 %) oder Magnete (5,1 %).

Die einzige heute verfügbare Batterietechnologie, die im Praxisbetrieb ein tonnenschweres Auto mehrere Hundert Kilometer weit antreiben kann, ist die Lithium-Ionen-Batterie. Sie müsste eigentlich Lithium-Kobalt-Ionen-Batterie heißen – bis zu 16 Kilogramm Kobalt stecken in der Kathode eines europäischen E-Mobils. Zwar wird mit Hochdruck an der Verwendung von Materialalternativen gearbeitet, diese erreichen Stand heute aber noch nicht die gleiche Kapazität, Standfestigkeit und vor allem Wiederaufladbarkeit des Originals. Hersteller forschen weltweit an Substituten, Tesla nimmt dabei eine Vorreiterrolle ein. Asiatische Antriebsbatterien kommen mit deutlich weniger Kobalt aus als deutsche Lösungen. Der Teufel steckt dabei allerdings im Detail: Mit Nickel kann man zwar höhere Reichweiten erzielen – gleichzeitig steigt damit aber auch das Brandrisiko. Mit ein Grund, warum in letzter Zeit brennende Teslas in der Presse zu sehen waren.

Weltmarktführer Kongo

Kobalt ist in der Erdkruste reichlich vorhanden. Die sicheren globalen Reserven betragen derzeit 7,2 Mio. Tonnen; die Ressourcen belaufen sich auf 27 Mio. Tonnen, offshore werden über 200 Mio. Tonnen vermutet. Und doch wird Kobalt von der Deutschen Rohstoffagentur DERA mit dem höchsten Risikowert aller analysierten Rohstoffe bewertet. Kriterien dafür sind unter anderem Länder- und Preisrisiken, die Bedeutung für Zukunftstechnologien sowie die Substituierbarkeit.

Der Kobaltmarkt ist ein Markt der Oligopole. Fast zwei Drittel der weltweiten Produktion werden in der Demokratischen Republik Kongo gefördert – Tendenz steigend. Geschürft wird meist von ausländischen Unternehmen und Konsortien. Deren Marktmacht demonstrierte 2019 der weltweit größte Hersteller, der börsennotierte Schweizer Konzern Glencore (Umsatz: 220 Mrd. US-Dollar), mit der Ankündigung, sein Kupfer-Kobalt-Bergwerk Mutanda im Kongo zum Jahresende zu schließen. „Der Abbau sei nicht mehr wirtschaftlich“, so die Begründung. Marktbeobachter vermuten aber eher eine kalkulierte Zwangspause, weil der Kobaltpreis an der Londoner Metallbörse nach einem Höhenflug auf zeitweise knapp bei 90 USD/kg im April 2018 aktuell wieder bei knapp 35 Euro das Kilo notiert. Wer abwarten kann und will, den erwarten zukünftig bessere Preise – so hoffen offensichtlich einige Marktteilnehmer. Neben den großen Bergbauunternehmen sind im Kongo auch zahlreiche Kleinbergleute aktiv. Laut Schätzungen der DERA schürften bis zu 200.000 Menschen auf eigene Faust. Sie erreichten zur Boomzeit einen Marktanteil von rund 20 Prozent. Die Berichte über Kinderarbeit und menschenunwürdige Bedingungen stammen vor allem aus diesem Sektor. Die Suche nach alternativen Beschaffungsmärkten außerhalb des Kongos gestaltet sich allerdings schwierig. Die nächsten Kobalt-Produzenten folgen mit weitem Abstand: Russland (4,6 % Weltmarkt-Anteil im Jahr 2017), Australien (4,2 %) und Kuba (4 %). Auch wenn ein Großteil in Afrika zutage gefördert wird, die marktbeherrschende Position bei der Weiterverarbeitung und Veredelung nehmen chinesische Unternehmen ein.

E-Mobilität verdoppelt den Kobaltverbrauch

Die Erwartungshaltung an die E-Mobilität hat die Bergbauindustrie überrascht. Das Cobalt Institute CI, eine in England ansässige Nonprofit-Organisation schätzt, dass bis 2035 allein für die Pkw-Akkus jährlich 120.00 Tonnen Kobalt benötigt werden. Das entspricht ziemlich genau der aktuellen internationalen Gesamtproduktion. Die weitere Exploration, Erschließung und der Abbau neuer Lagerstätten werden Milliarden Dollar verschlingen und Jahre dauern. Verschärfend kommt hinzu, dass die chinesische Regierung die Batterieproduktion als strategischen Markt ausbauen will. Im Land der Mitte sollen in den nächsten 10 Jahren über 50 neue Batteriefabriken gebaut werden. Gleichzeitig haben die bestehenden chinesischen Akkuhersteller die Rohstoffmärkte quasi leer gekauft. Ohne Neuinvestitionen sind weitere Preissteigerungen mittelfristig absehbar.

Recycling von Kobalt aus Lithium-Ionen-Batterien wird bereits heute durchgeführt; entsprechende großtechnische Recyclingprozesse stehen zur Verfügung. Einen substanziellen Beitrag zum Kobalt-Gesamtangebot aus E-Autobatterien wird es laut Einschätzung der DERA aber erst ab dem Jahr 2030 geben. Dann erst werden nach einem signifikanten Markthochlauf der E-Mobilität unter Berücksichtigung der potenziellen Lebensdauer der Batterien das Wieder- und Weiterverwerten eine wichtigere Rolle im Rohstoffkreislauf darstellen.

Heute Märkte von morgen sichern

Die deutschen Autobauer sind neben Anwendungen in der Metallveredelung und in der Spezialchemie hierzulande die größten Kobalt-Verbraucher. Sie stehen teilweise gegensätzlichen Herausforderungen gegenüber: Einerseits müssen sie die Versorgung langfristig sichern, andererseits aus Compliance-Gründen die Einhaltung von Menschenrechten in ihrer Lieferkette garantieren. BMW beispielsweise wird mit Einführung der fünften Generation Elektrofahrzeuge ab 2020/2021 kein Kongo-Kobalt mehr verarbeiten. Auch VW fordert von seinen Lieferanten Transparenz und ausführliche Informationen, um eine „nachhaltige und soziale Rohstoffbeschaffung“ zu sichern. Mercedes-Benz verspricht „Transparenz, bei Bedarf bis hin zur Mine.“ Volvo geht einen Schritt weiter und plant den Einsatz fälschungssicherer Blockchain-Technologie für die gesamte Lieferkette. Die Blockchain soll Daten zur Herkunft des Kobalts, zu Gewicht und Größe sowie vor allem Konformitätsbescheinigungen enthalten. Die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) in der BGR empfiehlt die Etablierung gemeinsamer anerkannter und akzeptierter Standards für einen verantwortungsvollen Bezug von Kobalt aus dem Kleinbergbau. Gleichzeitig rät die Agentur Großverbrauchern heute schon zu geeigneten Ausweichstrategien wie etwa langfristigen Lieferverträgen oder Projektbeteiligungen, um den volatilen Märkten nicht passiv ausgesetzt zu sein.

Die Entwicklung des Kobaltpreises zeigt sich extrem volatil. Grafik: DERA

Michael Grupp, Fachjournalist in Stuttgart

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