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Das schwarze Gold – derzeit unverzichtbar

Rohstoff des Monats: Kohle
Das schwarze Gold – derzeit unverzichtbar

Das schwarze Gold – derzeit unverzichtbar
Ende Februar 2022 kostet eine Tonne Kohle auf dem Weltmarkt 186 Dollar. (Im Bild: Kohlemine bei Nacht) Bild: Redpixel/stock.adobe.com
Kohle ist gefragt wie nie. Befeuert wird die Nachfrage durch leere Gasspeicher und nicht in Betrieb genommene Pipelines, ein windschwaches Jahr 2021 sowie durch die anziehende Stromnachfrage von Industrie und Verbrauchern.

Michael Grupp, Journalist, Stuttgart

Bis in die 80er-Jahre wurde in Deutschland Kohle hauptsächlich in Form von Briketts zum Heizen verwendet. Dafür kommen inzwischen überwiegend Öl und Gas zum Einsatz. Kohle sorgt seither in Grundlastkraftwerken für eine sichere Stromversorgung. Nach Angaben des Fraunhofer ISE wurde im Jahr 2020 mehr als die Hälfte (51 %) des deutschen Strommix mithilfe von Sonne, Wind und Biomasse erzeugt. 2021 fiel der Anteil der regenerativen Energie auf 46  Prozent zurück. In gleichem Maße legte der Kohle-Anteil an der Stromerzeugung wieder zu. Deshalb bezeichnet das BMWi konventionelle Energieträger als „derzeit unverzichtbar für eine verlässliche Energieversorgung“. Dabei ist der Kohleausstieg längst beschlossene Sache. Mitte 2020 hat die Bundesregierung die Abschaltung aller Atomkraftwerke bis 2022 sowie das Aus für Kohlekraftwerke bis spätestens 2038 besiegelt – obwohl diese grundlastfähigen Kraftwerke bis dato das Rückgrat der deutschen Stromversorgung darstellen.

Die internationalen Märkte sind davon unbeeindruckt: Rund die Hälfte der international agierenden Unternehmen in der Kohleindustrie hegen Expansionspläne. Wilfried Rickels vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) bringt es auf den Punkt: „Das Ausmaß der Kohlekraftwerke, die nach wie vor in Betrieb sind oder neu gebaut werden, ist immer noch sehr groß.“ Vor allem die asiatischen Länder, aber auch Australien und Russland bauen ihre Kohlegewinnung weiter aus. Mit Abstand weltweit größter Hartkohleförderer ist China (54 %), gefolgt von Indien (11 %) und Indonesien (8 %). Zwar kündigte Staatschef Xi Jinping 2021 in einer UN-Generaldebatte an, keine neuen Kohleprojekte außerhalb der eigenen Grenzen zu finanzieren – allerdings sind in China selbst derzeit 238 Kohlekraftwerke mit insgesamt 250 Gigawatt in der Entwicklung oder im Bau. Das entspricht ungefähr der Hälfte aller neuen Anlagen weltweit. Rund 40 Prozent des weltweiten Stroms werden aktuell durch das Verbrennen von Kohle erzeugt.

Die guten Nachrichten

Immerhin ist ein langfristiges Umdenken zu verzeichnen: Auf der UN-Klimakonferenz 2021 in Glasgow haben sich 47 Länder zu einer Transformation von der Kohle hin zu erneuerbaren Energien verpflichtet. Weltweit betrachtet und in absoluten Zahlen gemessen werden immer weniger Kohlekraftwerke projektiert. Selbst China hat sich ein Null-Emissions-Ziel gesteckt – zumindest bis zum Jahr 2060. Und Deutschland hat es trotz des Atomausstiegs geschafft, den Verbrauch von Kohlestrom in den letzten zehn Jahren zu halbieren. Europäischer Vorreiter ist allerdings Portugal: Zwei Jahre früher als geplant hat das Land die Kohleverstromung inzwischen komplett eingestellt.

Braun- und Steinkohle

Der schlechte Ruf der Kohle hängt mit CO2 zusammen: Kein anderer Energieträger erzeugt pro kWh mehr Kohlendioxid als der schwarze Stoff. Kohlekraftwerke sind für knapp die Hälfte der jährlichen CO2-Emissionen verantwortlich. Braunkohlekraftwerke stoßen bis zu 1200 g CO2 pro Kilowattstunde aus – rund dreimal so viel wie ein modernes Gaskraftwerk. Kohlekraftwerke haben zudem einen schlechten Wirkungsgrad von bestenfalls 45 %.

Braunkohle entstand vor etwa 65 bis zwei Millionen Jahren aus organischen Materialien unter Druck und Luftabschluss. Sie wird in Deutschland heute noch im Tagebau abgebaut – beispielsweise in Garzweiler. Steinkohle ist dagegen ein Sammelbegriff für höherwertige Kohle. Sie entstand vor 300 Millionen Jahren in größeren Tiefen und unter höheren Drücken. Dadurch besitzt sie einen höheren Kohlenstoffgehalt sowie eine bessere Energieausbeute. Steinkohle wird zumeist unter Tage abgebaut; in Deutschland wurde der letzte Steinkohlebrocken am 21. Dezember 2018 im Ruhrgebiet ans Licht des Tages gebracht. Danach war hierzulande Schicht im Schacht.

Zu schade fürs Verbrennen

Steinkohle ist ein unverzichtbarer Rohstoff auch für die Chemieindustrie. Aus ihr wird beispielsweise Teer, Schwefel und Ammoniak hergestellt. Das schwarze Gold kann darüber hinaus mithilfe der Pyrolyse unter Wärmeeinwirkung und Luftabschluss zu Koks weiterverarbeitet werden – Koks wiederum wird vor allem zur Eisenherstellung gebraucht. Dabei entsteht als Nebenprodukt Steinkohlenteer, ein wichtiger Ausgangsstoff für die chemische Industrie: Aus diesem Teer lassen sich Aromate und Phenole synthetisieren, die zur Herstellung von Kunststoffen und Farbstoffen gebraucht werden. Und nicht zuletzt ist Braunkohle auch ein essenzieller Bestandteil von schwarzer Schuhcreme.

Das langjährige Mittel des Kohlepreises pendelte bis Mai 2021 um die 50-Dollar-Marke. Mit der Renaissance des schwarzen Energieträgers zogen die Preise an: Derzeit (Stand Ende Februar 2022) kostet eine Tonne Kohle auf dem Weltmarkt 186 Dollar und ist damit nicht mehr weit vom Allzeithoch Anfang Oktober 2021 (rund 250 Dollar) entfernt. Allerdings sorgt die CO2-Abgabe für eine politisch gewollte Deckelung – wenn Kohlekraftwerke durch die staatlich verordneten Zuschläge im Vergleich zu Gaskraftwerken unrentabel werden, wird die Kohle-Nachfrage und damit auch der Preis in Europa auf hohem Niveau verharren.


Im Überblick

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BGR-Energiestudie

Nach den aktuellen Untersuchungen der BGR-Energiestudie (Datenstand Ende 2020) ist Erdöl mit einem Anteil von 31 Prozent am Primärenergieverbrauch der wichtigste Energieträger weltweit, gefolgt von der Kohle mit einem Anteil von 27 Prozent. Die Kohleförderung nahm insgesamt um rund 5 Prozent ab – allerdings gibt es global gesehen große Unterschiede. So förderte China allein mehr als die Hälfte der globalen Hartkohle. Der Anteil von Erdgas – Nummer 3 unter den weltweiten Energieträgern – stieg auf knapp 25 Prozent.

Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe

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