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Barbara Frenkel, Mitglied des Vorstands Beschaffung, Porsche AG: „Es gilt, die Lieferanten mitzunehmen“

Barbara Frenkel, Mitglied des Vorstands Beschaffung, Porsche AG
„Es gilt, die Lieferanten auf den Weg der Transformation mitzunehmen“

„Es gilt, die Lieferanten auf den Weg der Transformation mitzunehmen“
Bei der Weltpremiere des Formel-E-Rennwagens 99X Electric Gen3 im Porsche Experience Center Franciacorta/Italien beantwortete Barbara Frenkel die Fragen unserer Redakteurin Sabine Schulz-Rohde (l.). Bild: Porsche
Für ambitionierte junge Menschen ist sie ein Vorbild: Barbara Frenkel hat es als erste Frau in den Vorstand des Stuttgarter Autobauers geschafft. Wer sie erlebt, erkennt dass, Porsche keine bessere Markenbotschafterin hätte finden können. Bei der Weltpremiere des neuen Formel-E-Porsches 99X Electric Gen3 heißt es, darin stecke „viel Arbeit, Erfahrung, Leidenschaft und Herzblut“. Das kann man auch von der Einkaufschefin sagen.

Beschaffung aktuell: Frau Frenkel, Ihr Einstieg als CPO war bestimmt nicht einfach. Sie sind mitten in der Pandemie mit allen darauffolgenden Problemen gestartet. Wie haben Sie sich in die neue Aufgabe eingefunden?

Barbara Frenkel: Für mich ist das ein Traumjob. Es macht wahnsinnig viel Spaß. Ich bin auf ein großartiges, vielfältiges Team getroffen. Es ist erfahren und arbeitet sehr professionell. Klar ist: Wir befinden uns in einer anspruchsvollen Zeit. Ich habe mein Amt inmitten der Corona-Krise angetreten. Dazu kam die Halbleiterknappheit. Der Krieg in der Ukraine stellt uns vor besondere Herausforderungen. Die Folgen werden uns noch lange beschäftigen. Und in China merken wir, dass die Corona-Pandemie noch nicht vorbei ist. Dort kommt es immer wieder zu temporären Unterbrechungen von Lieferketten. Aber in jeder Krise gibt es Chancen. Darauf konzentriere ich mich.

Sehen Sie sich eher als Einkaufsleiterin oder als Teamleiterin?

Frenkel: Ich bin beides. Aktuell ist meine wichtigste Aufgabe, den Kompass auszurichten und Ziele klar zu formulieren. Es gilt, die aktuellen Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen, die richtigen Strategien aufzusetzen. Und die Teams zusammenzustellen, die auf dem Spielfeld unsere Pläne umsetzen. Parallel haben wir natürlich auch unser alltägliches Beschaffungsgeschäft zu bewältigen. Etwa mit neuen Fahrzeugprojekten, bei denen wir Aufträge vergeben und Innovationen unserer Partner in unsere Fahrzeuge bringen. Mich interessieren die Technologien. Wann immer es geht, bin ich im direkten Kontakt mit den Lieferanten. Mein Team und ich treffen Entscheidungen für die Zukunft.

Sie sind eher Technikerin als Betriebswirtschaftlerin?

Frenkel: Ich komme aus einer motorbegeisterten Familie. Seit ich 16 Jahre alt bin, faszinieren mich Autos. Ich habe auch selbst an Autos geschraubt. Mein erstes Fahrzeug war ein Golf 1. Da habe ich die Bremsen und die Kupplung gewechselt und den durchgerosteten Kotflügel gespachtelt und lackiert. Mich hat schon immer interessiert, wie etwas funktioniert, wie die einzelnen Teile zusammenspielen. Und jetzt bin ich in der Beschaffung. Die Faszination für Technik war immer da, auch im privaten Umfeld.

„Die Zusammenarbeit von Lieferanten und Herstellern kenne ich von beiden Seiten.“

Sie haben die Aufgabe von Uwe-Karsten Städter übernommen, der zuvor 10 Jahre lang die Beschaffung geleitet hat. Gab es Probleme, weil sie selbst nicht aus dem Einkauf kamen?

Frenkel: Ich bin seit 2001 bei Porsche, war zuletzt Europa-Chefin im Vertrieb. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennen mich seit vielen Jahren. Ich weiß, wie wir Herausforderungen angehen und mit welchen Strategien wir erfolgreich sind. Bevor ich zu Porsche kam, habe ich in der Zuliefererindustrie gearbeitet. Dort war ich unter anderem mit Beschaffung, Produktion und Lieferantenentwicklung befasst. Die Zusammenarbeit von Lieferanten und Herstellern kenne ich also von beiden Seiten. Das ist enorm hilfreich.

Seit Ihrem Einstieg bei Porsche vor 21 Jahren im Qualitätsmanagement haben Sie in unterschiedlichen Verantwortungsbereichen viele in dem Unternehmen überzeugt – bis in den Vorstand hinein.

Frenkel: Ich habe in den vergangenen 20 Jahren viel Erfahrung im Unternehmen sammeln dürfen. Als ich zu Porsche ins Qualitätsmanagement kam, ging es in einem meiner ersten Projekte darum, eine neue Methode einzusetzen. Dabei sollten schon in der Entwicklungsphase des Fahrzeugs die richtigen Meilensteine definiert werden, damit die Teile vom Lieferanten „on-Time“, „on-Budget“ und mit der spezifizierten Qualität bei uns ankommen. In dieser Zeit hatte ich viel mit den Porsche-Lieferanten und unserer Beschaffung zu tun. Natürlich hat sich in der Zwischenzeit einiges weiterentwickelt. Die Porsche-Beschaffung leistet einen echten Wertbeitrag, bringt Innovationen ins Unternehmen. Das geht nur, wenn wir gemeinsam mit den Lieferanten den Entstehungsprozess begleiten. Ganz wichtig dabei: Die enge Zusammenarbeit mit der Entwicklung. Nur so finden wir die besten Lösungen für das Unternehmen. Auch die Abstimmung mit der Produktion ist essenziell. Fahrzeuge bauen ist mehr denn je ein Teamsport, der Flexibilität verlangt: Wir müssen gemeinsam damit umgehen, dass nicht alles jeden Tag nach Plan laufen kann. Deshalb sind wir im ständigen Austausch.

„Es gilt, die Lieferanten auf den Weg der Transformation mitzunehmen.“

Wo werden Ihre Akzente liegen? Was wollen Sie anders machen?

Frenkel: Ich habe die Verantwortung für die Beschaffung in einer neuen Zeit übernommen. Wir sind mitten in der Transformation zur Elektromobilität. Wir haben den Taycan, unseren ersten vollelektrischen Sportwagen, erfolgreich auf die Straße gebracht. Das zeigt, dass wir mit der Elektrifizierung den richtigen Zeitpunkt gewählt haben. Jetzt folgen weitere Baureihen. Damit verändert sich unsere Lieferantenbasis. Es gilt, die Lieferanten auf den Weg der Transformation mitzunehmen. Das ist eine wichtige Aufgabe.

Ein großes Ziel ist auch, unsere Lieferketten resilienter aufzustellen. Das haben wir beispielsweise bei den Halbleitern schon gut geschafft.

Ganz besonders am Herzen liegt mir das Thema Nachhaltigkeit: Wir haben uns bereits damit beschäftigt, als es noch keine regulatorischen Vorschriften wie das Lieferkettengesetz gab. Einfach, weil wir davon überzeugt sind und es gut zu Porsche passt. Wir sind ein Fahrzeughersteller im Luxussegment, dazu gehört Nachhaltigkeit. Und das im ganzheitlichen Sinne – ökologisch, ökonomisch und sozial.

Ein Großteil der CO2-Emissionen bei Elektrofahrzeugen kommt aus der Lieferkette, entsteht vor allem bei der Batterieherstellung. Deshalb fragen wir uns: Wie können wir dort zusammen mit unseren Partnern nachhaltiger werden? Das ist eine spannende Aufgabe.

Nachhaltigkeit ist eine Voraussetzung, um gemeinsam mit uns in die Zukunft zu gehen.

Last but not least beschäftigen wir uns mit der Digitalisierung. In der Beschaffung arbeiten wir mit großen Datenmengen. Die Transparenz in der Lieferkette verbessern wir mit künstlicher Intelligenz und cleveren Software-Tools. Ich denke es wird deutlich: Es gibt viel zu tun!

„Mithilfe von künstlicher Intelligenz haben wir über 4000 Lieferanten im Blick.“

Wie weit sind Sie bei der Digitalisierung der Lieferkettentransparenz?

Frenkel: Es ist ein langer Weg zur Lieferkettentransparenz. Wir haben bei Porsche rund 7000 direkte Lieferanten und eine Vielzahl an Unterlieferanten in der Kette. Das ist wie beim Bergsteigen. Sie gehen nicht in einem Zug auf den Achttausender, sondern legen Zwischenstationen ein.

Die erste Zwischenstation war die digitale Abbildung der Lieferketten unserer wichtigsten Tier-1-Lieferanten. Wir arbeiten dabei mit dem IT-Tool ‚Riskmethods‘. Mit dieser Software bekommen wir tagesaktuell Informationen, wenn es irgendwo auf der Welt in unserer Lieferkette ein Risiko gibt. Damit können unsere Beschaffer dem Hinweis nachgehen und Kontakt aufnehmen – manchmal sogar, bevor die Lieferanten informiert sind. Das funktioniert gut.

Zusätzlich arbeiten wir mit dem Startup ‚Prewave‘ zusammen. Mithilfe von künstlicher Intelligenz haben wir über 4000 Lieferanten im Blick. Auch dort beobachten wir die Nachrichtenlage, um proaktiv potenzielle Nachhaltigkeitsrisiken zu identifizieren.

„Mir macht es Freude, wenn sich Menschen weiterentwickeln und erfolgreich werden“

Warum fahren Sie zweigleisig?

Frenkel: Beide Tools haben unterschiedliche Schwerpunkte. Wir wollen die Modellierung der Lieferketten nicht nur für uns allein machen, sondern auch unseren Lieferanten zur Verfügung stellen. Am besten funktioniert das, wenn man die Systeme permanent mit Daten befüllt. Hier gehen wir Hand in Hand mit unseren direkten Lieferanten: Sie müssen in der Datentransparenz einen Vorteil erkennen. Perspektivisch möchten wir die n-Tier-Kette bis in die tiefsten Stufen modellieren. Bei unseren priorisierten Bauteilen sind wir dabei bereits auf einem guten Weg.

Hier geht es weiter zum zweiten Teil des Interviews mit Barbara Frenkel, Einkaufsvorständin der Porsche AG.

Hier finden Sie den dritten Teil des Gesprächs mit Barbara Frenkel, Einkaufsvorständin der Porsche AG.


Zur Person: Barbara Frenkel

… ist die erste Frau im Porsche-Vorstand. Sie leitet seit Juni 2021 das Ressort Beschaffung und verantwortet ein jährliches Einkaufsvolumen von mehr als neun Milliarden Euro.

Die Fränkin stammt aus Hof, studierte nach dem Abitur Chemie und Kautschuktechnologie. Erster Arbeitgeber waren die Helsa-Werke unweit von Bayreut, wo sie bereits mit 27 Jahren erste Führungsaufgaben übernahm.

Nach 10 Jahren wechselte sie zu einer Tochter des französischen Autozulieferers Valeo, einige Jahre später ging sie zum US-Autozulieferer TRW Automotive. Hier wie dort arbeitete Frenkel im Einkaufsbereich.

2001 wechselte sie zu Porsche als Leiterin Qualitätsmethoden und -systeme. 2006 wurde sie zur Leiterin Zentrales Training, 2013 Leiterin Vertriebsnetzmanagement und -entwicklung und 2017 setzte sie ihre Porsche-Karriere als europäische Vertriebsleiterin fort.

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