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Schaut man sich die Erwartung der Mitarbeiter an die Führung in den Unternehmen an, wird das Bild düster.

HR-Report über die Rolle von Führungskräften
Führungskräfte in der Krise

Führungskräfte in der Krise
Führungskräfte als Coaches, die Mitarbeiter voranbringen, sind immer weniger gefragt. Wie überhaupt die Rolle von Führung in unseren Erhebungen seit einigen Jahren nach unten gerutscht ist. Die Zeichen stehen eher auf Eigenverantwortung und Selbstorganisation – in agileren Strukturen. Bild: visivasnc/Fotolia
Definierte Ziele, eine feste Rangordnung und klare Anweisungen, die es abzuarbeiten galt. So funktionierte Führung in der Vergangenheit. Heute sind Chefs gefragt, die Organisationen erneuern und Freiräume geben, anstatt Mitarbeiter in Routinen zu verschleißen. Nur, die wenigsten Führungskräfte setzen das bisher um.

Das Schreckensszenario, das Analysten und Forscher in den Anfängen der Digitalisierung vom drohenden Jobverlust gezeichnet hatten, scheint sich laut aktuellem HR-Report des Personaldienstleisters Hays nicht zu bewahrheiten. Demnach sieht die Mehrheit der befragten Entscheider aus unterschiedlichen Geschäftsbereichen den technologischen Fortschritt eher als Chance für mehr Jobs und Beschäftigung, denn als Risiko.

Führung enttäuscht Beschäftigte

Schaut man sich dagegen die Erwartung der Mitarbeiter an die Führung in den Unternehmen an, wird das Bild ungleich düsterer. Denn anstatt sich ernsthaft und mit dem nötigen strategischen Weitblick um die langfristige Beschäftigungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter zu kümmern, bleibt das Management tatenlos. Wie sonst ist es zu erklären, dass jeder zweite der Befragten die lebenslange Fort- und Weiterbildung als wichtigste Maßnahme wertet, diese dann aber nur von 38 Prozent mit Priorität umgesetzt wird? Gleiches gilt für die Maßnahmen Work-Life-Balance (44 Prozent) und Gesunderhaltung (39 Prozent). Auch hier erwarten die Befragten, dass sich ihre Führung diesen Themen annimmt und umsetzt. Bei diesen Punkten, die allesamt für die Sicherung von Beschäftigungsfähigkeit bis zum Rentenalter stehen, klafft eine Lücke zwischen zugeschriebener Bedeutung und tatsächlicher Umsetzung in den Unternehmen. Und es kommt noch schlimmer, wenn man die Zahlen des jüngsten Gallup Engagement Index hinzunimmt. Demnach haben ganze fünf Millionen Arbeitnehmer ihren Job innerlich gekündigt und besitzen keinerlei emotionale Bindung mehr zu ihrem Arbeitgeber. Drei von vier Beschäftigten machen nur noch Dienst nach Vorschrift (71 Prozent). Das kostet die deutsche Volkswirtschaft jährlich bis zu 103 Milliarden Euro, errechneten die Analysten. Daran haben natürlich auch die schlechten Chefs ihren Anteil. Schließlich prägen sie mit ihrem Führungsstil maßgeblich die Unternehmenskultur, und entscheiden damit über den wirtschaftlichen Erfolg der Firma.

Chefs taugen nicht zum Personalentwickler

Aber woher rührt diese gefühlte Untätigkeit der Führungskräfte? Warum scheint die stärkere Beschäftigung mit den Bedürfnissen der Mitarbeiter bei vielen so unpopulär? Schließlich kommt der demographische Wandel mehr und mehr in der Praxis der Unternehmen an. Schon allein aus diesem Grund sollte eine stärkere Hinwendung zu den Belangen der Mitarbeiter oberstes Gebot sein. Die Ergebnisse des HR-Reports lassen allerdings auf das Gegenteil schließen. Demnach sind die Befragten von ihren Führungskräften auch in der Rolle des „Personalentwicklers“ eher enttäuscht. Sie attestieren ihnen hier „geringe“ Fähigkeiten.

Insgesamt betrachtet resultiert die größte Unzufriedenheit bei den Mitarbeitern vermutlich aus dem „gefühlten“ Stillstand, der sich aus der Unbeweglichkeit der Führungskräfte ergibt. Viele Chefs haben Probleme damit, eine neue Führungsrolle einzunehmen, die den Mitarbeiter in den Mittelpunkt stellt. Zwar scheint vielen die Bedeutung und Wichtigkeit der Mitarbeiterbedürfnisse durchaus bewusst. Aber viel Gerede über gutes Betriebsklima, Mitarbeiterbindung sowie Führung 4.0 bleibt am Ende des Tages eher tatenlos. Hinter den Kulissen gibt es noch zu viel Unsicherheiten und Vorbehalte, sich endlich von alten Mustern zu lösen und auf Neues einzulassen.

Geht es hingegen um die Gemütsverfassung der Beschäftigten, scheint der Report darauf hinzudeuten, dass sie nicht mehr damit rechnen, echtes Interesse und Unterstützung für ihre persönliche Weiterentwicklung von der Führungskraft zu erhalten. Bei ihnen greifen allmählich Angst und Enttäuschung um sich, nichts mehr an der Situation verändern zu können, zumindest so lange Führungskräfte durch ihr Verhalten ein Fortkommen regelrecht „verstopfen“. Das ständige Wechselbad zwischen Hoffnung und düsterer Vorahnung, nichts geht voran, ist auf Dauer demotivierend für alle.

Führungskräfte keine Tiefbrettbohrer

Sicher, Führungskräfte unterliegen ökonomischen Zwängen, die man nicht einfach wegwischen kann. Dazu kommt, dass viele von ihnen einer fachlichen Laufbahn entstammen. Das heißt, bevor sie zur Führungskraft befördert wurden, waren sie Teil eines Fachbereiches. Sie kannten sich fachlich aus, haben aber nicht gelernt Mitarbeiter zu führen. Diese Entwicklung geht ebenfalls aus dem HR-Report hervor. Demnach geben ganze 56 Prozent an, dass Führungskarrieren sich in erster Linie aus fachlichen Kompetenzen ergeben. Besonders Vertreter aus der Industrie halten an dieser Sichtweise fest.

Damit dürfte sich auch erklären, warum sich Führungskräfte laut HR-Report immer noch so schwer damit tun, Verantwortung an ihre Mitarbeiter abzugeben. Sie sehen sich selbst immer noch mehr als der Fachexperte denn als Führungskraft. „Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass eine Führungskraft sich in ihrem Fachbereich nicht mehr auskennen sollte. Aber sie müssen kein inhaltlicher Tiefbrettbohrer sein“, erklärt Frank Schabel, Studieninitiator und Kommunikationschef bei Hays. „Das Gespür für die Führung jedes einzelnen Mitarbeiters im Team ist viel wichtiger als die fachliche Expertise,“ ergänzt er.

Wer jetzt das Ruder herumreißen möchte, um das Vertrauen seiner Mitarbeiter zurückzugewinnen, braucht allerdings eine konkrete Vorstellung davon, wie er seine Rolle künftig definieren und ausfüllen möchte. Der veränderte organisatorische Umbau mit seinen durchlässigen Strukturen, flachen Hierarchien und eigenverantwortlichen Mitarbeitern bietet dafür eine gute Grundlage. Denn hier kann es auf Dauer kein Verwalten des Bestehenden mehr geben. Führung darf heute nicht mehr länger als Auszeichnung verstanden werden, die man sich über viele Jahre verdient hat und deren Besitz es zu verteidigen gilt. Führung ist vielmehr eine große Aufgabe, ein Job, den es im Sinne der Mitarbeiter zu erledigen gilt. Sie legitimiert heute nicht mehr dazu, für andere mitzuentscheiden oder ihre Leistungen stets zu kontrollieren. Es geht darum, die Fähigkeiten und Stärken der Mitarbeiter zu erkennen und langfristig zu fördern. Und das möglichst so, dass es erkennbare Regeln gibt, die Beschäftige nachvollziehen können, um sich damit zu identifizieren. Wer diesen Schwerpunkt in seinem Führungsalltag setzt, wird langfristig profitieren. Auch wenn es anstrengend wird.


Die Studie

Der HR-Report 2019

… ist eine jährlich durchgeführte Studienreihe von Hays, dem internationalen Personaldienstleister, und dem Institut für Beschäftigung und Employability IBE. Er analysiert im achten Jahr in Folge zentrale HR-Trends und aktuelle Schwerpunktthemen. Befragt wurden mehr als 800 Führungskräfte aus unterschiedlich großen Unternehmen. Darunter befanden sich zu 17 Prozent Mitglieder von Geschäftsführungen, zu 21 Prozent Mitarbeiter aus Fachabteilungen ohne Führungsaufgabe, zu 22  Prozent Führungskräfte in Personalabteilungen und zu 40 Prozent Führungskräfte in Fachabteilungen.

In der März-Ausgabe von Beschaffung aktuell haben wir bereits einzelne Ergebnisse des HR-Reports‧ vorgestellt.


Silvia Hänig, Journalistin,
iKOM strategische Kommunikation

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