Die Rezeptur ist einfach und seit fast 3000 Jahren bekannt: „Nimm 60 Teile Sand, 180 Teile Asche aus Meerespflanzen und 5 Teile Kreide – und du erhältst Glas.“ Diese erste Rezeptur wurde 650 v. Chr. auf Papyrus geschrieben und in der Bibliothek des assyrischen Königs Assurbanipal aufbewahrt. Am Grundrezept hat sich bis in die Gegenwart nicht viel geändert. Heutiges Industrieglas besteht überwiegend aus natürlichen bzw. naturidentischen anorganischen Rohstoffen, die zum großen Teil in Deutschland vorkommen bzw. produziert werden: Quarzsand, Soda, Kalk, Dolomit, Feldspat und Pottasche. Glas ist hundertprozentig recycelbar. In Deutschland beträgt die Recyclingquote 87 Prozent – weltweit sind nur die Schweizer mit 94 Prozent öfter am Altglascontainer. Am einfachsten ist Grünglas wiederverwendbar – weshalb im Zweifelsfall eine Flasche in den grünen Container gehört.
Kulturhistorisch betrachtet machte erst Glas aus einem Steinbau einen Wohnraum. In Zukunft wird es darüber hinaus in Form von Glasfasern dazu dienen, das Internet of Things überall schnell verfügbar zu machen. Licht kann sich in einem Glaskörper nahezu ungehindert ausbreiten und wird an der Glaswand wieder zurück in die Kabelmitte geworfen. Die dabei erzielte Bandbreite und nicht zuletzt auch Abhörsicherheit ist einem Kupferkabel deutlich überlegen.
Nur einzelne Unternehmen wachsen
In der deutschen Glasindustrie arbeiteten 2020 rund 54.000 Mitarbeiter. Sie erzielten einen Umsatz von rund 9,35 Mrd. Euro – das entspricht einem Rückgang von knapp 5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Betrag teilt sich auf diverse Branchen auf: So erzielten die Flachglas-Veredler knapp 4 Mrd. Euro Umsatz, die Flachglas-Hersteller knapp 1 Mrd. Euro. Die Spezialglasindustrie verzeichnete rund 1,35 Mrd. Euro, die Glasfaserhersteller kamen auf eine knappe Mrd. Euro, wohingegen die Produzenten von Wirtschaftsglas nur noch rund 0,4 Mrd. Euro erzielen konnten.
Diese Branche musste die höchsten Einbußen verbuchen (minus 38 %). In pandemischen Zeiten braucht die Gastronomie deutlich weniger Trinkgläser. Die Flachglas-Hersteller gerieten 9,6 Prozent ins Minus, vor allem wegen der zurückhaltenden Autoindustrie. Nur wenig verloren dagegen die Glasfaserhersteller (minus 0,9 %), wohingegen die Hersteller von Behälterglas (0,4 %) moderat zulegen konnten. Diese Unternehmen profitierten von der Verschiebung des Konsums von gastronomischen Betrieben in den häuslichen Bereich. Auf Hochdruck lief dagegen die Produktion von Pharmaglas für die Abfüllung von Impfstoffen.
Gestiegene Nachfrage und Kosten
Auch in der Glasbranche steigen die Preise: Über alle Hersteller gerechnet ergab sich 2021 ein Plus von 4 Proeznt im Vergleich zum Vorjahr – allerdings mit großen Unterschieden in den einzelnen Bereichen. Überdurchschnittlich zugelegt haben beispielsweise Glasbehälter mit einem Plus von mehr als 10 Prozent. Hier machen sich nicht nur die gestiegene Nachfrage, sondern auch die Energiekosten bemerkbar.
Die Zukunft der Branche
Glasherstellung ist energie- und damit CO2-intensiv. Drei alternative Technologien können zukünftig zur Dekarbonisierung der Glasindustrie beitragen: die Elektrifizierung mit Grünstrom, der Einsatz hybrider Glaswannen, die heute mit Erdgas und zukünftig mit umweltfreundlichem Wasserstoff betrieben werden, sowie der komplette Umstieg auf Wasserstoff. Allerdings erfordern Glasproduktionsanlagen hohe Anfangsinvestitionen. Eine Schmelzwanne zum Beispiel besitzt eine Lebensdauer von mindestens fünfzehn Jahren. Angesichts des internationalen Wettbewerbes werden selbst Global Player von sich aus nicht vorher in die nächste Anlagengeneration investieren. Abhilfe können hier nur wirtschaftliche Anreize durch die Politik schaffen – zum Beispiel durch marktgerechte Energiepreise.
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