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Kreislaufwirtschaftsgesetz

Neue Abfallgesetzgebung ist in Kraft
Green Procurement per (Abfall-)Gesetz

Deutschland geht einen weiteren Schritt in Richtung nachhaltige öffentliche Beschaffung. Im reformierten Kreislaufwirtschaftsgesetz ist nun ausdrücklich festgelegt, dass ökologisch vorteilhafte Produkte stets zu bevorzugen sind. Das hat Auswirkungen auf Ausschreibungen und Vergabeverfahren.

Rohstoffschonend, abfallarm, reparierbar, schadstoffarm und recyclingfähig: das sind die neuen Maximen für die öffentliche Hand. Seit Ende Oktober 2020 müssen die Beschaffungsstellen in Bundesbehörden und bundeseigenen Unternehmen diese Vorgaben des novellierten Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) umsetzen. Zwar war der öffentliche Sektor auch bisher schon aufgefordert zu prüfen, ob Umweltbelange in Kaufentscheidung und Auftragsvergabe berücksichtigt werden können (= Prüfpflicht). Doch nun ist es quasi amtlich: nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen ist zwingend der Vorzug zu geben (= Bevorzugungspflicht).

Problem: Informationsbeschaffung

„Für die Beschaffenden ist jetzt insbesondere die Markterkundung wichtig, sonst kennt man die nachhaltigeren Alternativen möglicherweise gar nicht“, sagt Ilse Beneke, Leiterin der Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung im Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern (KNB). „Insbesondere für kleinere Institutionen ist es herausfordernd, Nachhaltigkeitsaspekte zu beachten, wenn es über Standardprodukte hinausgeht.“

Zwar gelten die neuen Regelungen des KrWG explizit nur für die rund 6000 Beschaffungsstellen in Bundesbehörden und bundeseigenen Unternehmen. Doch die Tendenz ist klar: Auch auf kommunaler Ebene wird Green Procurement immer mehr zur gesetzlichen Verpflichtung. Manche Bundesländer und auch Stadtstaaten wie Berlin und Hamburg haben bereits entsprechende Regelungen erlassen. Dazu Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags: „Um diesen Trend zu stärken, sind bessere und rechtssichere Grundlagen der Beschaffung nötig.“ Hilfreich seien zudem Prüfsiegel wie der Blaue Engel oder der Global Organic Textile Standard, weil sie den Aufwand für die Vergabestellen reduzierten. Dedy fordert: „Auch die Hersteller müssen reagieren und das Angebot passender Produkte ausweiten.“

Die grüne Vergabe

Rechtlich ergänzen die Vorgaben im neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz die vergaberechtlichen Normen, die sich im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) befinden. Dort verlangte § 97 GWB bisher schon, dass „umweltbezogene Aspekte“ bei der Vergabe berücksichtigt werden. § 45 KrWG konkretisiert diese etwas schwammige Formulierung und stellt vier Forderungen an ein Produkt: ressourcenschonende Herstellung aus recyceltem oder nachwachsendem Material, mit hoher Wiederverwendbarkeit oder Recyclingfähigkeit und geringer, schadstoffarmer Abfallmenge. „Allein die Kenntnis der neuen Normen ist jedoch nicht ausreichend“, sagt KNB-Leiterin Beneke, „vielmehr muss den Beschaffenden aufgezeigt werden, wie sie die rechtlichen Kriterien in den Vergabeprozess einbinden können.“

Dass öffentliche Aufträge dem Vergaberecht unterliegen und ab einem gewissen Volumen ausgeschrieben werden müssen, soll sicherstellen, dass die Gelder nicht nur ökonomisch, sondern eben auch ökologisch sinnvoll eingesetzt werden. „Grüne“ Aspekte zu berücksichtigen, ist dabei auf allen Ebenen eines Vergabeverfahrens möglich: im Rahmen der Eignungskriterien, bei der Festlegung des Auftragsgegenstandes, bei der technischen Spezifikation in der Leistungsbeschreibung, als Zuschlagskriterium oder als zusätzliche Ausführungsbestimmung. Was einfach klingt, ist in der praktischen Umsetzung schwieriger, denn das Verfahren ist stark formalisiert. Bei allen öffentlichen Auftragsvergaben gelten unterschiedliche rechtliche Regelungen, je nachdem, ob der Wert des zu vergebenden Auftrages oberhalb oder unterhalb der Schwellenwerte liegt. Oberhalb der Wertgrenze sind die Vergabevorschriften – europarechtlich bedingt – besonders streng.

Corona-bedingte Erleichterungen

Doch es gibt einen Lichtblick, und der ist ausgerechnet dem Corona-Virus zu verdanken. „Für die Dauer der Pandemie haben Bund und Länder bereits lange bestehende Forderungen des Deutschen Städtetages aufgegriffen und Erleichterungen im Vergaberecht vorgenommen“, berichtet Geschäftsführer Dedy. „Dazu zählen zum Beispiel höhere Schwellenwerte, ab denen die stark formalisierten Vergabeverfahren in der Bundesverwaltung einsetzen.“ Für Waren und Dienstleistungen beträgt der neue Wert 3000 Euro, für Bauleistungen 5000 Euro. Bis zu diesen Grenzen kann der öffentliche Auftraggeber unmittelbar den Auftrag erteilen, ohne zeitaufwendiges Vergabeverfahren. Außerdem können die Fristen für die Einreichung der Angebote und Teilnahmeanträge leichter verkürzt werden. Die Regelung ist Teil des Konjunkturpaketes der Bundesregierung und gilt vorerst bis Ende des Jahres 2021. „So kann die öffentliche Hand flexibler und schneller handeln“, sagt Dedy. Und hat dabei vielleicht eine Hand mit einem „grünen Daumen“ frei.


§ 45 Abs. 2 KrWG

Das Gesetz – „Pflichten der öffentlichen Hand“

Der neue § 45 Abs. 2 Kreislaufwirtschaftsgesetz: „Pflichten der öffentlichen Hand“

(2) Die Verpflichteten … haben … bei der Gestaltung von Arbeitsabläufen, bei der Beschaffung oder Verwendung von Material und Gebrauchsgütern, bei Bauvorhaben und sonstigen Aufträgen, … Erzeugnissen den Vorzug zu geben, die

1. in rohstoffschonenden, energiesparenden, wassersparenden, schadstoffarmen oder abfallarmen Produktionsverfahren hergestellt worden sind,

2. durch Vorbereitung zur Wiederverwendung oder durch Recycling von Abfällen, insbesondere unter Einsatz von Rezyklaten, oder aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt worden sind,

3. sich durch Langlebigkeit, Reparaturfreundlichkeit, Wiederverwendbarkeit und Recyclingfähigkeit auszeichnen oder

4. im Vergleich zu anderen Erzeugnissen zu weniger oder schadstoffärmeren Abfällen führen oder sich besser zur umweltverträglichen Abfallbewirtschaftung eignen.


Einkaufstipps

Wie ökologische Aspekte in die einzelnen Vergabeschritte einfließen können

  • Bei den Eignungskriterien: Bereits bei der Prüfung, ob ein Unternehmen generell die nötige Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit bietet, einen öffentlichen Auftrag auszuführen, können Nachhaltigkeitsgesichtspunkte eine Rolle spielen. „Verstöße gegen Umweltnormen etwa können zum Ausschluss aus einem Vergabeverfahren führen“, erläutert ein Sprecher des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw).

  • Bei der Leistungsbeschreibung: Als zentrales Element jeder Ausschreibung kommt der Leistungsbeschreibung große Bedeutung zu. Der Auftragsgegenstand kann so konkret spezifiziert werden, dass Umweltschutz, Nachhaltigkeit und schonendes Ressourcenmanagement an erster Stelle stehen. „Dies kann sich durch Vorgaben zu den zu verwendenden Materialien, dem Strom- oder Energieverbrauch, der Recyclebarkeit, der Entsorgungsfreundlichkeit, der Ressourceneffizienz oder anderen materiellen Vorgaben ausdrücken“, sagt der Sprecher der Bundeswehrbeschaffung. Hier ist auch der richtige Ort, um bestimmte Umwelt- oder Nachhaltigkeitssiegel einzufordern.

  • Bei den Zuschlagskriterien: Neben dem Preis können auch umweltbezogene Aspekte als Entscheidungselement zwischen den Angeboten der Bieter herangezogen werden. Ausschlaggebend für die Zuschlagserteilung kann zum Beispiel die Darstellung von konkreten Lebenszykluskosten sein oder der Einsatz von Ökostrom. Bei zwei gleichen Preis-Leistungs-Angeboten muss jetzt stets das ökologisch vorteilhaftere gewählt werden.

Anja Falkenstein, Rechtsanwältin, Karlsruhe

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