Startseite » News »

Steht das Ende der Globalisierung bevor?

Studie: Verschiebung der Beschaffungsmärkte
Steht das Ende der Globalisierung bevor?

Die Unternehmensberatung Abels & Kemmner hat 250 Manager zu den Auswirkungen von Corona auf ihr Supply Chain Management befragt. Die nun veröffentlichte Studie gibt ein Schlaglicht auf das, was ihnen derzeit wichtig ist und wie sich ihre Prioritäten auch für Zeiten nach der Pandemie verschoben haben.

Eine der bedeutendsten Prognosen aus der Studie sind signifikante Veränderungen der Lieferantenstrukturen. In der Summe gehen die Macher der Studie davon aus, dass in der Beschaffung mindestens mit einer deutlichen Verlangsamung, wenn nicht sogar einem deutlichen Rückgang des Globalisierungstrends auszugehen ist. Die Studie lässt eine klare Tendenz ‚zurück nach Europa‘ erkennen. Verstärkt wird dieser Effekt durch die zunehmende wirtschaftliche Aggression Chinas, das erratische Verhalten der amerikanischen Bundesregierung sowie den Austritt Großbritannien aus der EU, die alle mit rückläufigen Beschaffungsmengen aus Europa rechnen müssen. Rund zwei Drittel der 250 befragten deutschen Unternehmenslenker und Supply-Chain-Experten gehen von einer steigenden Bedeutung der europäischen und nationalen Beschaffungsmärkte aus. Jeder sechste geht sogar von einer deutlich steigenden Beschaffung in Europa und dem jeweiligen Heimatland aus. Steht damit die Globalsierung vor dem Aus und wird Großbritannien unter diesen Vorzeichen den Austritt aus der EU verkraften?

Die Re-Balancierung ist unvermeidlich

„Diese Frage ist berechtigt. Wenn jeder so könnte, wie er wollte, würde es gravierende Verschiebungen in den globalen Supply Chains geben. Da sind wir ganz sicher und eine Re-Balancierung ist auch immer die Konsequenz aus einem Richtungstrend, der teils wohl überzogen wurde. Letztlich muss dieser Wille aber im Spannungsfeld der Kosten entschieden werden“, erklärt Professor Kemmner. Höhere Wertschöpfungstiefen, Multiple Sourcing aus mehreren Weltregionen und höhere Sicherheitsbestände produzierten alle jeweils Kosten. Die Frage ist dann, wie viel einem die erhöhte Sicherheit wert ist. Aktuell ist sie uns viel wert. Das Supply Chain Risk Management soll nach unserer Umfrage nämlich deutlich ausgebaut werden. 91% aller Beteiligten wollen hier mehr Zeit und Geld investieren.“

Erhöhte Investitionen in das Risk-Management

Um Risikomanagement und Supply Chain Transparenz zu verbessern, setzen 79% der Befragten auf eine durchgängige Planungskette, mit der sie die planerischen und dispositive Zügel ihres Liefernetzwerks anziehen wollen. Die planerischen und dispositiven Zügel zukünftig zu lockern und den einzelnen Produktions- und Distributionsknoten zukünftig mehr Spielraum zubilligen werden, wird von zwei Drittel der Befragten Experten eher abgelehnt (55%) oder ganz abgelehnt (12%). Auch die Cashflow-Sicherung gewinnt deutlich an Bedeutung. Auf lange Sicht gehen drei Viertel der befragten Experten davon aus, dass das Sicherstellen des Cashflows deutlich (34%) oder zumindest leicht (41%) an Bedeutung gewinnen wird. Die Bestandsreduzierung, die man von diesen Liquiditätsaspekten her ableiten könnte, steht aktuell jedoch nicht im Trend. Das scheint verständlich, denn ‚sicher ist sicher‘. Die Reduzierung der Lieferzeiten von Lieferanten steht hingegen hoch im Kurs. Mit ein Grund auch, wieder vor Ort kaufen zu wollen. Zudem ermöglicht dies die Reduzierung von Beständen und damit Liquiditätsschonung, ohne die Lieferbereitschaft zu riskieren. „Ob insgesamt aber der Trend hin zu europäischen Lieferanten nachhaltig ist, bleibt abzuwarten, denn im Allgemeinen sind die Einkaufspreise bei europäischen Lieferanten – sofern die Produkte überhaupt in Europa beschafft werden können – bei vielen Gütern höher als in China und Fernost,“ meint Kemmner.

Der Preis bleibt ein wichtiger Faktor

Die Fokussierung des Einkaufs auf den Faktor Preis war in der Vergangenheit ein wesentlicher Treiber des ‚Asian Sourcing‘ und dieses bleibt auch weiterhin bedeutend, denn praktisch die Hälfte (46%) der Befragten geht davon aus, dass sich die Bedeutung des Ziels, Einkaufspreise zu reduzieren, zukünftig nicht verändern wird. Der Anteil derjenigen Experten, die eine leichte (25%) oder deutliche (2%) Abnahme, beziehungsweise eine leichte (19%) oder deutliche (7%) Zunahme des Preiskriteriums sehen, neutralisiert sich praktisch. Werden wir also letztlich aus der Krise nur an den Stellschrauben drehen, bei denen der Staat seine hoheitliche Aufgabe der Versorgungssicherheit mit Steuergeldern bezahlt? Die Zeit wird es zeigen. Sie wird auch zeigen, inwieweit wir zukünftig mehr auf Sicherheit in unseren Supply Chains bedacht sein werden. Ganz vergessen wird man Corona im aktuellen Jahrzehnt sicherlich nicht. „Der Preis bleibt aber sicherlich weiter heiß, nur wird er vielleicht aus Sicherheitsgründen weniger heiß gegessen, was ja verständlich ist, wenn man sich den Mund einmal verbrannt hat“, meint Kemmner. (sas)

Zur Studie

Mitte April 2020 wurde zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Fertigung drei Online-Workshops mit Vertretern von 23 Mitgliedsunternehmen durchgeführt. In diesen Workshops wurden Erwartungen und Hypothesen zur Entwicklung von Supply Chain Managements und Operations auf dem Wege aus der Corona-Krise und nach der Corona-Krise zusammengetragen. Auf Basis dieser drei Workshops wurde eine Umfrage erstellt und vom 20. April bis 24 April 2020 durchgeführt. Angesprochen wurden dazu Personen aus Produktions- und Handelsunternehmen, die in den Bereichen Produktion, Logistik, Supply Chain Management, Einkauf und Arbeitsvorbereitung tätig sind, sowie eine kleinere Anzahl an Beratern, die sich mit Logistik, Supply Chain Management und Lean Management beschäftigen. An der Umfrage nahmen 250 Personen teil. Das knapp 40-seitige Dokument steht kostenfrei unter www.ak-online.de zum Download bereit.

Unsere Webinar-Empfehlung
Aktuelles Heft
Titelbild Beschaffung aktuell 4
Ausgabe
4.2024
PRINT
ABO

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de