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Vertrauen in unsicheren Zeiten schaffen

Change Management
Vertrauen in unsicheren Zeiten schaffen

Vertrauen in unsicheren Zeiten schaffen
Eine solide Vertrauensbasis gibt Mitarbeitern ein Gefühl von Sicherheit und bindet sie so enger ans Unternehmen. (Bild: Olivier Le Moal)
Veränderung – Change – stört viele Menschen: Sie sehnen sich vielmehr nach Stabilität, die ihnen ein Gefühl von Sicherheit vermittelt. In der von Veränderung geprägten VUCA-Welt können Unternehmen ihren Mitarbeitern die gewünschte Stabilität aber oft nicht bieten; also braucht die Beziehung zwischen Unternehmen und Mitarbeiter ein neues Fundament.

Viele Menschen reagieren auf Veränderungen in ihrem beruflichen und privaten Umfeld mit Unbehagen – gerade so, als gebe es einen statischen „Normalzustand“. Dabei ist Veränderung die einzige Konstante im Leben: Menschen verändern sich, Beziehungen wandeln sich, Dinge gehen kaputt…kurz: Stabilität ist eine Illusion.
Trotzdem haben die meisten Menschen eine große Sehnsucht nach Stabilität. Sie ist oft so groß, dass wir die Augen zukneifen und das Leben in so kleinen Zeitabschnitten betrachten, dass wir die Veränderung nicht sehen. Eine Ursache hierfür: In unserem Alltag erfordert es meist wenig Energie, Dinge (scheinbar) stabil zu halten. Verändern hingegen kostet Kraft. Doch reicht das als Begründung oder Rechtfertigung für das Festhalten an der Illusion „Stabilität“? Wenn wir ehrlich sind, wissen wir: Wir machen uns etwas vor.
Wie befreien wir uns aus dem Dilemma, dass wir Menschen einerseits eine tiefe Sehnsucht nach Stabilität haben, die oft in Bequemlichkeit mündet – und sich andererseits alles im stetigen Wandel befindet?
Diese Frage treibt natürlich auch viele Unternehmer um. Denn offensichtlich hat in unserer Wirtschaft die Weisheit, dass „alles fließt“, eine neue Dynamik gewonnen: Die Märkte verändern sich immer schneller, die technologische Entwicklung schreitet rascher voran, die Produktlebenszyklen werden stets kürzer, Strategien haben eine immer kürzere Halbwertszeit.
Mit der „Dauerunruhe“ leben
Früher konnte man als Chef nach einer Reorganisation oder strategischen Neuausrichtung den Mitarbeitern (und Kapitalgebern) ein gewisse Konstanz und Sicherheit versprechen; heute ist es oft sogar unmöglich, für ein Jahr ehrliche Prognosen abzugeben. Deshalb herrscht in zahlreichen Unternehmen eine Art Dauerunruhe-Zustand. Und viele Führungskräfte stecken im Dilemma, dass sie ihren Mitarbeitern nicht mehr versprechen können: „Ihr Job ist sicher“. Oder: „Unsere Strategie gilt für die nächsten Jahre.“ Zugleich fordern Mitarbeiter jedoch Sicherheit und eine längerfristige Planung.
Aktuell geistert durch die Management-Diskussion ein Begriff, der diesen Zustand der Dauerunruhe beschreibt: das Akronym VUCA ( volatility, uncertainty, complexity and ambiguity). Es fasst formelhaft zusammen, dass wir in einer immer volatileren, unsichereren, komplexeren und mehrdeutigeren Welt leben. Daran besteht zwar kaum ein Zweifel – doch was bedeutet das für uns Menschen? Wie gehen wir mit dieser Situation um, und wie finden wir uns in ihr zurecht?
Bei den Mitarbeitern von Unternehmen (wozu auch deren Führungskräfte zählen) sind oft folgende Reaktionsmuster zu beobachten:
Reaktion 1: Change-Müdigkeit. Sie zeigt sich unter anderem darin, dass Anpassungsanforderungen mit Lethargie, Fatalismus oder Zynismus kommentiert werden.
Reaktion 2: Change-Ignoranz. Manche Mitarbeiter haben gelernt, Neuerungen ein¬fach auszusitzen – gemäß der Maxime: „Wenn ich mich langsam genug bewege, ist diese Welle vorbei, bevor ich etwas ändern muss.“
Reaktion 3: aktiver Widerstand. Durch ein Festhalten an Überholtem sowie durch Endlos-Diskussionen und Stimmungsmache wird hierbei mit Zähnen und Klauen versucht, den Status quo zu erhalten.
Selbstverständlich begegnet man in den Unternehmen auch Mitarbeitern, die sich auf Veränderungen einlassen; doch das Gros leidet unter der Dauerunruhe und ist wenig offen für Veränderungen.
Agile Organisation – eine mögliche Antwort?
Was dagegen tun? In Management-Kreisen wird in jüngster Zeit als mögliche Lösung das Thema „agile Organisation“ diskutiert – also das Implementieren einer Unternehmenskultur, die sich der Veränderungsdynamik bewusst ist und darauf mit einer hohen Anpassungsfähigkeit antwortet. In einem solchen System, so die Hoffnung, organisieren sich die Menschen anders als bisher. Sie entscheiden schneller, tragen Verantwortung und tauschen sich aus.
Träger einer solchen Kultur sind die Menschen in der Organisation und ihre Beziehungen zueinander – also gilt es, hier den Veränderungshebel anzusetzen. Dies ist unter anderem nötig, weil in einer agilen Organisation, die weitgehend auf starre Organigramme, Bereichsgrenzen und Aufgabenbeschreibungen verzichtet, die Orientierungsanker andere als in der klassischen Top-down-Organisation sind. Und die Mitarbeiter können sich bei ihrer Arbeit weniger auf Beschlüsse in der Vergangenheit sowie Vorgaben von außen beziehen. Sie müssen stattdessen „wach“ sein und selbst einschätzen können, was gerade passiert, um hierauf dann sinnvoll zu reagieren. Statt Beständigkeit ist also geistige Flexibilität gefragt; statt Dienst nach Vorschrift sind Neugier und Selbstbewusstsein gefordert, statt Stabilität findet Entwicklung statt.
Eine solche Form des Miteinanders hat dramatische Auswirkungen auf das Beziehungskonstrukt Unternehmen – Führung – Mitarbeiter. Wir sind im betrieblichen Kontext ein Beziehungsmodell gewohnt, in dem getroffene Vereinbarungen sozusagen dauerhaft Gültigkeit haben – seien dies Vereinbarungen bezüglich der Arbeitszeit, Entlohnung, Zuständigkeiten, Arbeitsinhalte oder Karrierepfade. Und dies wird von vielen Mitarbeitern weiterhin erwartet. Doch wie soll das funktionieren, wenn sich die Rahmenbedingungen ständig ändern? Vermutlich müssen wir uns dann verstärkt auf „agile Deals“ zwischen den Unternehmen sowie deren Führungskräften und ihren Mitarbeitern einstellen.
Beziehungskitt: gemeinsame Werte
Das heißt, die Irritation der Mitarbeiter wird weiter wachsen: Worauf kann ich mich noch verlassen? Wem und auf was kann ich noch vertrauen?
Und die Frage wird virulenter. Was hält das „Soziale System Unternehmen“ noch zusammen, wenn dieses zentrale Bedürfnisse seiner Mitglieder (wie die nach Sicherheit und Verlässlichkeit) nur noch bedingt erfüllen kann?
Ein gemeinsames Wertesystem ist in Zeiten extremer Verunsicherung am ehesten in der Lage, Menschen und Organisationen zu stabilisieren. Wenn die vielen Einzelnen, die dem System angehören, durch bestimmte Werte miteinander verbunden sind, gehen sie gemeinsam durch Dick und Dünn – unter anderem, weil dann die Beziehungspartner berechenbar bleiben, weshalb Vertrauen entstehen kann. Wenn in Unternehmen die Veränderungsdynamik so groß wird, dass schriftliche Vereinbarungen das Papier nicht mehr wert sind, auf dem sie gedruckt sind, dann gewinnen die gemeinsamen Werte an Bedeutung: Sie schweißen zusammen. Und aus dem gemeinsamen Wertekanon erwächst der Zusammenhalt, den Planungen und Strategien nicht mehr schaffen können.
In die Unternehmenskultur eintauchen
Doch wie entsteht in Unternehmen eine solche gemeinsame Wertebasis? Was fördert einen entsprechenden Team-Spirit? Wie wächst das hierfür nötige Vertrauen? Die Antwort lautet: Indem das Unternehmen über seine Führungsmannschaft und letztlich die einzelnen Mitarbeiter die Unternehmenskultur gezielt beeinflusst und prägt. Das ist gewiss keine leichte, jedoch eine spannende und lohnende Aufgabe – und eines der Kernthemen von Führung in der VUCA-Welt.
Kulturentwicklung erfordert eine Art Tiefseetauchen. Denn wenn wir von Unternehmenskultur sprechen, sprechen wir vom kollektiven Gedächtnis einer Organisation – von den Erfahrungen, aber auch Narben, die im Untergrund wirken. Sie fließen in die Haltung und das Handeln der Menschen ein. Appelle hingegen verpuffen meist wirkungslos; ebenso wie bunte Poster mit Vertrauensslogans. Kulturarbeit erfordert tiefer gehende und wirkende Interventionen, damit sich etwas Neues bilden kann.
Wenn der Wandel als alltägliche Herausforderung akzeptiert und gelebt werden soll, dann bedeutet das für die Führung vor allem: Schnorchel anlegen und rein in die „Tiefen“ der Werte und Prinzipien, die das gemeinsame Verhalten prägen. Denn erst wenn nicht mehr die Symptome, sondern der eigentliche Kern im Fokus steht, kann eine echte, nachhaltige Veränderung stattfinden.
Dr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner in Bruchsal sowie Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence, der St. Gallener Business-School und der technischen Universität Clausthal.
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