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Reiff: Wer Zukunft gestalten will, muss Zukunft vorausdenken

Hubert und Alec Reiff, Geschäftsführer der Reiff Technische Produkte GmbH
Wer Zukunft gestalten will, muss Zukunft vorausdenken

Technische Kompetenz und ein breites Produktsortiment von 140.000 Artikeln machen Reiff Technische Produkte zu einem wichtigen Partner von der A-Teil- bis zur C-Teile-Versorgung. Wie sich das Handelsunternehmen nach der Abspaltung der Reifensparte neu positioniert hat und wie Einkäufer von digitalen Neuerungen der Reutlinger profitieren, erläutern die Geschäftsführer Hubert und Alec Reiff im Interview.

Beschaffung aktuell: Vor zwei Jahren haben Sie Ihre umsatzstärkste Division „Reifen + Autotechnik“ verkauft. Was macht eine Abspaltung in dieser Größenordnung mit dem zurückbleibenden kleineren Unternehmensteil?

Hubert Reiff: Es macht insofern nicht ganz so viel mit einem, weil die zwei Bereiche, einerseits Reifen, andererseits Technischer Handel und Elastomerfertigung, getrennt voneinander marschiert sind. Die Belegschaften der operativen Bereiche hatten keine Berührungspunkte. Gemeinsam genutzt wurden nur die kaufmännischen Dienstleistungen wie etwa Buchhaltung, Personalwesen und IT. 2020 wird auch diese Phase beendet sein, bis dahin treten die Verwaltungsbereiche peu à peu Aufgaben an die neuen Eigentümer ab. Doch weder für die Verwaltung noch für den zurückbleibenden Unternehmensteil war die Abspaltung ein Kulturschock.

Alec Reiff: Im Gegenteil. Durch diesen Carve-out, also die Abspaltung der Reifensparte, steht die Reiff-Gruppe jetzt für 100 Prozent Technik-Kompetenz für das Industriegeschäft. Dieser Fokus beendet auch das hausinterne Konkurrieren um Ressourcen, etwa um die IT-Services. Bisher war beispielsweise ein SAP-Entwickler im Reifen- wie auch im Industriebereich involviert. Wer jedoch zwei Prozesse bedienen muss, kann die Anforderungen des jeweiligen Einzelprozesses nicht immer optimal lösen. Deshalb ist es von Vorteil, wenn wir jetzt tiefer auf das Business-to-Business-Geschäft fokussieren.

Beschaffung aktuell: Was verbinden Sie noch mit dieser Neupositionierung?

Hubert Reiff: Mit dem Positionierungsprozess definieren wir zugleich die Arbeitgebermarke nach außen hin neu. Strategisch müssen wir nichts nachjustieren, da sind wir voll auf Kurs. Bei der Außenwahrnehmung hingegen sind wir mit Blick auf die Arbeitgebermarke besonders gefordert. Schließlich werden die Marke Reiff und die Reifensparte in der Öffentlichkeit oft in einem Atemzug genannt. Dazu beigetragen haben das engmaschige Filialgeschäft ebenso wie die Partnerschaft mit dem VfB Stuttgart. Umso wichtiger ist es, dass unser neues Erscheinungsbild samt der damit verbundenen Markenwerte die Eigenständigkeit des Technischen Handels manifestiert.

Alec Reiff: Zudem fällt der Positionierungsprozess zeitlich mit dem Generationswechsel zusammen. Wir haben die Nachfolge auf die vierte Generation des Familienunternehmens weitsichtig geplant. Mit meinem Onkel Hubert Reiff arbeite ich bereits im zweiten Jahr eng zusammen. Damit verbinden wir auch in der Unternehmensführung Tradition und Moderne.

Hubert Reiff: Der Wechsel auf meinen Neffen erfolgt zum Jahresende. Wie mein Bruder bin auch ich an die vertraglich festgeschriebene Alterszeit gebunden, damit auch Gesellschaftergeschäftsführer wissen, wann sie loslassen müssen.

Beschaffung aktuell: Wie werden Sie als Nachfolger die Marktposition der Reiff-Gruppe weiter ausbauen?

Alec Reiff: Ich bin überzeugt, dass Reiff auch in Zukunft eine bedeutende Position im Technischen Handel einnehmen wird. Heute verstehen wir uns als Entwicklungspartner, Beschaffungsspezialist und Systemlieferant der Industrie mit einem klaren Schwerpunkt in der Erstausrüstung. Und gerade im Hinblick auf die digitale Transformation ergeben sich vielseitige Chancen, die weit über die elektronische Wissens- und Datenbereitstellung hinausgehen. Dabei spielt die enge Vernetzung von Kunden und Lieferanten eine wichtige Rolle.

Beschaffung aktuell: Welche digitalen Chancen ergeben sich und wie setzt Reiff sie um?

Alec Reiff: Wer Zukunft gestalten will, muss Zukunft vorausdenken. Getreu diesem Motto testen wir für uns sinnvolle Ansätze. Mitarbeiter, die sich einbringen wollen, finden in verschiedenen Zukunftslabs spannende Möglichkeiten. Beispielsweise befasst sich ein Lab mit Künstlicher Intelligenz, ein anderes mit dem papierlosen Büro. Ein weiteres Zukunftslab beschäftigt sich mit unserem 1400-seitigen Blätterkatalog und forciert das Thema „Beyond Printkatalog“. Künftige Lösungen sollen noch vertriebs- und kundenorientierter ausgelegt sein als die heutige Printausgabe und deren Hybridformen. In diesem Zusammenhang kommt auch Data Mining zum Zuge, um den Predictive-Analytics-Bereich auszubauen. So könnten beispielsweise Algorithmen sekundenschnell abgleichen, ob die Bestellung des Kunden schlüssig ist und ihm ein nicht geordertes, gleichwohl wichtiges Produkt vorschlagen.

Hubert Reiff: Entscheidend für das Gelingen ist die Haltung der Mitarbeiter gegenüber automatisierten Abläufen. Deshalb ist diese Aktion auch eine Art Kulturprogramm, das wir parallel zu der strategischen Positionierung aufsetzen.

Alec Reiff: Wer sich einbringt, erhält die Zeit, um etwas auszuprobieren. Frei nach unserer Devise: Groß denken und klein anfangen. Dabei ist auch ein Scheitern möglich.

Beschaffung aktuell: Produkte können heute weltweit per Online-Shop beschafft werden. Was setzen Sie als standortorientierter technischer Händler dem entgegen?

Hubert Reiff: Im Technischen Handel betreiben wir ja B2I, also Business to Industry. Anders als Werkstätten und Handwerk als Abnehmer, lassen sich Industriekunden eher mit Systemen binden. Zudem greift das differenzierte Industriegeschäft nicht in dem Ausmaß in unser Artikelspektrum ein, wie im B2C-Bereich. Es gibt viele Kundenteile nach Zeichnung oder weiterbearbeitet. Hinzu kommt, dass das Ordern im Internet zeitintensiv ist, um Artikel zu finden und zu bewerten. Die Industriegewohnheit ist eine andere und zielt aufs Outsourcen und Beratung ab. Damit stehen die servicebezogenen Produkte völlig konträr zu jenen des formatierten Internethandels, auch wenn es sich um denselben Artikel handelt.

Beschaffung aktuell: Das reine Shop-Geschäft halten Sie also nicht für relevant?

Alec Reiff: Strategisch gesehen schon. Wir beabsichtigen aber nicht, ins standardisierte Internetgeschäft einzusteigen. Obwohl wir hier viel Erfahrung aus dem Reifenbereich haben. Im technischen Handel gehen wir auf die individuellen Bedürfnisse unserer Kunden ein. Mit ihnen entwickeln wir gemeinsam Teile und sind Systemlieferant mit hoher Kompetenz bei Dienstleistung, Be- und Verarbeitung und Belieferung, beispielsweise montierte Schläuche, beschichtete Riemen und Klebe- und Biegeteile. Dennoch ist es denkbar, bei kleinen Kunden in den standardisierten Internetvertrieb zu gehen. Wir machen mit zehn Prozent unserer Kunden
90 Prozent des Umsatzes. Bei rund 17.000 Kunden sind wir besonders in der Breite vertreten, bedienen also viele kleinere Unternehmen. Prozessual gesehen ist das nicht sehr effizient. Aber auch ein kleiner Kunde kann ein Potenzialkunde werden, wenn wir ihn entwickeln. Hier sehe ich aber weniger die Shop-Lösung, sondern eher Landingpages, Whitepaper oder Konfiguratoren.

Beschaffung aktuell: Was kann ein Einkäufer in der Zukunft von Reiff erwarten?

Hubert Reiff: Der Einkäufer braucht auch in Zukunft den zuverlässigen und berechenbaren Lieferanten. Festigen lässt sich dies mit den angesprochenen Digitalisierungslösungen. Über Vernetzung und Datenauswertung in der Supply Chain erhält er von uns über seine Abforderungs- und Verbrauchsmuster Anleitungen oder Informationen über sich verändernde Wiederbeschaffungszeiten. All dies wird unter dem Stichwort Predictive immer vorausschauender. Mehr Sicherheit erhält der Einkäufer auch in puncto Lieferzeiten. Zudem können wir so manche Produktentwicklung forcieren, wenn wir die Entscheidung darüber übertragen bekommen. Zudem sehen wir die Internationalisierung der Beschaffung als unsere Aufgabe an. Dabei decken wir vor allem die Märkte für den mittleren Verbrauch ab. Etwa wenn es sich für einen Kunden nicht lohnt, beispielsweise in China oder den USA selbst eine Einkaufsaktion zu starten.

Beschaffung aktuell: Planen Sie eine stärkere Expansion auf internationalen Märkten?

Alec Reiff: Wir sind weltweit gut vernetzt, planen aber aktuell keine weiteren Standorte wie in China, wo wir seit 2011 vertreten sind. Unser Tochterunternehmen in Shanghai betreut vorranging unsere europäischen Kunden in China vor Ort mit der Teilebereitstellung für deren lokale Fertigung. In dem Riesenreich entwickelt sich jetzt ein Beschaffungsmarkt, den unsere Kunden nutzen wollen. Dabei geht es darum, Maschinen passgenau auf die landestypischen Anforderungen zu modifizieren, aber auch um die Beschaffung in China gefertigter Teile.

Hubert Reiff: Unsere Expertise in der Lieferantenbewertung rechnen uns die in China aktiven Kunden hoch an. Indem wir uns in deren Prozesse integrieren, unterstützt dies deren Lokalisierung und Local-Content-Strategie. Als Kümmerer ist Reiff dort in einer guten Position

Beschaffung aktuell: Halten Sie auf der Produktebene Ausschau, um Ihr Portfolio zu arrondieren?

Alec Reiff: Eine neue Produktgruppe muss sinnvoll zum bestehenden Portfolio passen. Auf der grünen Wiese etwas Neues zu installieren, passt nicht zu unserer Philosophie.

Hubert Reiff: Innerhalb unserer Produktgruppen nehmen die intelligenten Komponenten zu. Sensoren und Aktoren etwa, die Zustände melden oder Parameter nachstellen können. Beispielsweise sind wir mit einem Markenhersteller im Gespräch über mögliche Lösungen aus dessen Sortiment, die in unsere Produkt- und Kundenschiene passen. Da werden sich neue Dinge auch außerhalb der Antriebstechnik ergeben.

Das Interview führte Dietmar Kieser, Redakteur Beschaffung aktuell


Die Reiff-Gruppe

Reiff wurde 1910 mit dem Vertrieb von technischen Produkten gegründet und beschäftigt heute 875 Mitarbeiter in sechs Ländern an 17 Standorten, davon fünf Produktionsstandorte. 2018 betrug der Gruppenumsatz rund 210 Mio. Euro. Das Handelshaus versteht sich als Experte für Antriebs-, Fluid- und Dichtungstechnik sowie für Anwendungen aus Gummi und Kunststoff. Laut eigenen Angaben gehört das Reutlinger Unternehmen zu den Top 5 seiner Branche in Deutschland. Über 20 % des Umsatzes werden mit eigenen be- und verarbeiteten Produkten erzielt. Zur Reiff-Gruppe zählen die Firmen Reiff Technische Produkte mit neun Standorten in Deutschland, Reiff Technical Products Shanghai/China, Kremer in Wächtersbach, Roller mit zwei Standorten in Belgien und jeweils einem Standort in Luxemburg und Marokko, Delta.tec in Reutlingen sowie der Elastomerteile-Hersteller R.E.T. GmbH mit Zweitwerk in Sacele/Rumänien, der überwiegend die Automobilzulieferindustrie beliefert.
www.reiff-gruppe.de

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