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Wie Maverick Buying verhindert werden kann – Motive und Lösungsansätze

Motive und Lösungsansätze
Wie Maverick Buying verhindert werden kann

Wie Maverick Buying verhindert werden kann
Eine übermäßige Fragmentierung von Prozessen und Lieferanten durch Maverick Buying führt zu einem Mangel an Transparenz. Bild: bakhtiarzein/stock.adobe.com

Die meisten Unternehmen einer gewissen Größe haben offizielle Einkaufsverfahren und -verträge, d. h. Regeln, nach denen die Beschaffung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ablaufen soll. Maverick Buying meint Einkäufe, die sich diesen Regeln widersetzen. Mitarbeitende, die sich entgegen dem festgelegten Ablauf verhalten, um Einkäufe zu tätigen, kosten Unternehmen viel Geld.  Aber auch eine zu hohe Anzahl an Lieferanten und fehlende Kostentransparenz sind Folgen von Maverick Buying. Da das Problem verteilt in der Organisation an vielen Stellen auftritt, ist es schwer den einen „Lösungsweg“ zu finden.

Der Schwerpunkt von Maverick Buying liegt beim Einkauf von indirekten Produkten und Dienstleistungen – Wartung, Reparatur und Betrieb sowie Bürobedarf, Hotelverträge, Reisen, IT-Hardware und -Software. Diese Posten machen in den meisten Unternehmen laut Lhotse bis zu 80 Prozent der Einkaufstransaktionen und bis zu 40 Prozent der Gesamtausgaben aus. Folglich kann sich ein abweichendes Einkaufsverhalten mit kleinen Verlusten bei jeder Transaktion zu einem stattlichen Betrag summieren. Kurz gesagt: Das Einsparpotenzial für Unternehmen ist enorm.

Laut einer Studie von Aberdeen Strategy & Research werden die durchschnittlichen Einsparungen durch vorschriftsmäßige Einkäufe branchenübergreifend auf 22 Prozent im Vergleich zu nicht vorschriftsmäßigen Einkäufen geschätzt. Nicht grundlos sehen sich Einkaufsabteilung aller Industrien daher immer häufiger mit der Frage konfrontiert, wie unterbindet man Maverick Buying? Viel lässt sich auf veraltete oder zu komplizierte Beschaffungsabläufe zurückführen. Oftmals sind Einkaufssysteme für den unregelmäßigen Nutzer zu komplex und zeitaufwändig, wenn schnell etwas beschafft werden muss. Um Maverick Buying entgegenzusteuern, lohnt es sich für Unternehmen, sich mit den unterschiedlichen Gründen und Ursachen für den nicht regelkonformen Einkauf auseinanderzusetzen. Denn die Motive für die Nichteinhaltung der Vorschriften sind äußerst verschieden.

Die Motive für Maverick Buying

Laut aktuellem Forschungsstand gibt es fünf verschiedene Arten von Maverick Buying in Unternehmen. Jede von Ihnen hat verschiedene Ursachen.

  1. Unbeabsichtigtes Maverick Buying liegt vor, wenn jemand die offiziellen Beschaffungsprozesse nicht kennt. Der Mitarbeiter ist kein Experte und wurde nicht ausreichend geschult. Da keine negative Absicht vorliegt, ist diese Form des Maverick Buying die am einfachsten zu behebende Form.
  2. Erzwungenes Maverick Buying meint Situationen in denen Mitarbeiter gezwungen werden, die offiziellen Verfahren zu umgehen. Gründe dafür sind z. B., dass Produkte oder Dienstleistungen noch nicht vom Beschaffungsteam definiert wurden und daher nicht über offizielle Verfahren verfügbar sind. Ein weiteres Szenario ist, dass die Produktion einen Notkauf außerhalb der Geschäftszeiten der Beschaffungsabteilung tätigen muss. In solchen Fällen ist es logisch, dass die Produktionslinie nicht die ganze Nacht darauf warten kann, dass das Beschaffungsteam am Morgen das entsprechende Teil kauft. Der Einkauf ist erzwungen und es liegt keine Absicht vor, dem Unternehmen zu schaden. Was fehlt ist mangelnde Flexibilität im Einkaufssystem.
  3. Gelegentliches Maverick Buying liegt vor, wenn sich Mitarbeiter absichtlich nicht an den offiziellen Einkaufsprozess halten. Gründe sind dabei oft Bequemlichkeit und der Widerwille, sich an neue Prozesse anzupassen. Diese Mitarbeiter handeln nach eigenen Interessen und Gewohnheiten und sind sich bewusst, dass sie gegen offizielle Regeln verstoßen und ihrem Unternehmen schaden.
  4. Gut gemeintes Maverick Buying entsteht, wenn Mitarbeiter die bestehenden Verträge und offiziellen Verfahren zwar kennen, sie aber bewusst ignorieren, weil sie vermeintlich im besten Interesse des Unternehmens handeln. Der Mitarbeiter glaubt, dass er ein besseres Angebot finden wird. Das kann zwei Ursachen haben – die wahrgenommene Überlegenheit einer Alternative und die wahrgenommene Überlegenheit der eigenen Einkaufskompetenz. Fast immer führt ein Mangel an Einsicht und Wissen über die Gesamtbetriebskosten zu diesem Verhalten. Die Mitarrbeiter versuchen nicht, dem Unternehmen zu schaden, im Gegenteil, sie glauben, dass sie dem Unternehmen helfen.
  5. Böswilliges Maverick Buying liegt vor, wenn der Mitarbeiter weiß, dass er bevorzugte Verträge nutzen könnte, dies aber bewusst nicht tut. Gründe können Opportunismus und Widerstand gegen Veränderungen sein. Die Einführung zentralisierter Beschaffungsteams in den letzten Jahrzehnten hat bei einigen Mitarbeitern das Gefühl ausgelöst, ungerecht behandelt und in ihrer Macht beschnitten zu werden.

Negative Folgen durch Maverick Buying nicht unterschätzen

Für Unternehmen steigen neben den Einkaufskosten durch Maverick Buying auch die Prozesskosten, d. h. nachgelagerte Kosten, die durch zusätzliche manuelle Arbeiten wie die Registrierung neuer Lieferanten und die Verwaltung der wachsenden Lieferantenzahl entstehen. Die Folgen sind aber noch weitgreifender: Durch Maverick Buying können Beschaffungsteams die Kontrolle über den Beschaffungsprozess und die Lieferantenbasis verlieren. Eine übermäßige Fragmentierung von Prozessen und Lieferanten führt zu einem Mangel an Transparenz und einem Mangel an Einblick in die Beschaffungsausgaben.

Mitarbeiter haben nicht das Verhandlungsgeschick und die Erfahrung eines Beschaffungsexperten. Infolgedessen führt Maverick Buying oft zu schlechter Produktqualität, verspäteten Lieferungen und Schadensersatzforderungen aufgrund von Vertragsverletzungen. Auch das Erreichen von ESG-Zielen ist durch den Mangel an Kontrolle über den Beschaffungsprozess gefährdet. Im schlimmsten Fall kann Maverick Buying dem Image eines Unternehmens schädigen, z. B. wenn Mitarbeiter bei Lieferanten einkaufen, welche die ESG-Kriterien nicht erfüllen oder in Skandale verwickelt sind. Kurz gesagt, die Einhaltung von Vorschriften und der Umgang mit vertraulichen Informationen an externe Parteien ist bei Maverick Buying nicht gewährleistet, was zu rechtlichen Problemen führen kann.

Maverick Buying bedarf verschiedener Lösungsansätze

  1. Unbeabsichtigtes Maverick Buying lässt sich am einfachsten beheben, da es auf Unkenntnis der Mitarbeiter beruht. Zunächst sollten Unternehmen einfache Einkaufsverfahren einführen, die schnell zu verstehen sind, aber auch stets als Teil des Onboarding-Prozesses und interner Mitarbeiterschulung kommuniziert werden. Die Zuweisung von Zuständigkeiten trägt ebenfalls zur Klarheit bei. Beispielsweise kann eine Person für die Überwachung des Einkaufs in der Geschäftseinheit zuständig sein.
  2. Erzwungenes Maverick Buying kann nur über eine benutzerfreundliche Plattform verhindert werden, die Mitarbeiter durch den Beschaffungsprozess führt. Wenn kein Produkt oder keine Dienstleistung vordefiniert ist, können Mitarbeiter eine Freitextanfrage erstellen und genau angeben, was sie möchten.
  3. Gelegentliches Maverick Buying ist als Fehlverhalten durch egoistisches Mitarbeiterverhalten gekennzeichnet. Hier helfen lediglich Kommunikation und ebenfalls vereinfachte Prozesse. Sobald der Einkäufer merkt, dass der konventionelle Weg zum Einkauf die bequemste und einfachste Option ist, wird gelegentliches Maverick Buying ausbleiben.
  4. Gut gemeintes Maverick Buying ist dahingegen schwieriger zu verhindern. Letztlich kann nur die Einsicht in die Gesamtbetriebskosten dieses Verhalten erheblich verbessern. Eine Möglichkeit, gut gemeintes Maverick Buying zu vermeiden, besteht darin, den Mitarbeiter direkt zu Listen bevorzugter Lieferanten zu führen, z. B. durch Kataloge. Auch gilt es die Zusammenarbeit zwischen Benutzern und Abteilungen noch enger zu gestalten. Eine stärkere Beziehung zwischen der Beschaffung und den einkaufenden Mitarbeitern trägt am stärksten dazu bei, Missverständnisse bei den Mitarbeitern auszuräumen.
  5. Böswilliges Maverick Buying ist am schwierigsten zu lösen und erfordert ein erhebliches Maß an Änderungsmanagement. Und selbst das ist keine Garantie für eine Verbesserung. Auch hier hilft es neben der richtigen Kommunikation vor allem Prozesse zu vereinfachen, um dem Widerstand gegen Veränderung entgegenzuwirken und Käufer von schlechten Gewohnheiten wegzulocken.

Neben den individuellen Strategien gegen die diversen Arten von Maverick Buying sollten Unternehmen einen breiteren Ansatz verfolgen und grundsätzlich der Komplexität von Beschaffungssystemen und -prozessen entgegenwirken. Die bekannteste Lösung ist dabei die Einführung eines digitalen Beschaffungssystems, das für mehr Transparenz bei den Ausgaben sorgt. Investitionen in Digitalisierung und Software als Ersatz oder in Ergänzung zu den bestehenden Systemen kann sich an dieser Stelle für Unternehmen auszahlen. Für viele Mitarbeiter fällt der Anreiz für Maverick Buying weg, wenn der offizielle Weg einfach genug gestaltet ist. Je nutzerfreundlicher, schlanker und effizienter das digitale Beschaffungssystem ist, umso besser lassen sich Mitarbeiter von ihren alten Kaufgewohnheiten befreien.

Diesen Ansatz verfolgt auch Lhotse und möchte mit Prozessexperten und Produktentwicklern das Problem aus Sicht der Bedarfsträger lösen, die in der Regel nichts mit dem Einkauf zu tun haben. Ziel ist es den Beschaffungsprozess so zu gestalten, dass sich die Nutzung nicht wie eine B2B-Software anfühlt, sondern wie eine Lösung, die Anwender auch für den privaten Einkauf nutzen würden. Jeder Nutzer muss in der Lage sein, das System sofort zu nutzen, unabhängig davon, ob er ein Beschaffungsspezialist ist oder nicht. Das ist eine solide Basis, um nicht regelkonforme Einkäufe zu eliminieren. Darauf aufbauend sollte jede Form des Maverick Buying im Einzelnen kommunikativ angegangen werden.

Beschaffung aus der Sicht des Bedarfsträgers denken

Bild: Lhotse

Der Autor:
Henning Hatje
ist einer der drei Gründer des 2020 gegründeten Procurement-Unternehmens Lhotse. Er ist für Kunden und Partnerschaften verantwortlich. Zuvor war Hatje mehrere Jahre Management Consultant bei der Boston Consulting Group und hat Unternehmen zu strategischen Themen im Einkauf, Compliance sowie Digitalisierung beraten.

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