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Risikomanagement im Einkauf - Risiken entgegentreten

Risikomanagement im Einkauf, Teil 1
Risiken entgegentreten

Risiken entgegentreten
Der Autor Heinrich Orths, Einkaufsexperte
Risiken im Einkauf sind vielschichtig. Nicht jedes Risiko ist in jedem Unternehmen gegeben. Wer nicht abhängig von börsennotierten Rohstoffen ist, keine Anzahlungen leistet, kein Projektgeschäft betreibt, für den mag das entsprechende Risikomanagement kein Thema sein. Ganz ohne Lieferanten kommt sicher kein Unternehmen aus. Diese in einer Portfolioanalyse zu strukturieren, ist die Basis für jedes strategische Vorgehen, nicht nur im Risikomanagement.

Risiken gehören zum alltäglichen Geschäft. Durch Ignoranz werden sie nicht kleiner. Sie müssen vielmehr rechtzeitig erkannt werden. Vermeidbare Risiken sind zu vermeiden, begrenzbare Risiken sind zu minimieren. Das klingt sehr einfach. Richtig und wichtig ist jedenfalls, sich von Beginn an mit möglichen Risiken zu befassen. Es ist besser, Risiken zu vermeiden, als Folgen von eingetretenen Risiken zu beseitigen. Wo aber liegen Risiken, auf die im Einkauf zu achten ist? Und wie kann man ihnen vorbeugen?

Ungesicherte Zahlungen. Wer außer dem Einkauf vereinbart Zahlungen an Lieferanten? Hoffentlich niemand anders als der Einkauf. In aller Regel ist hier von Zahlungsbedingungen in Bestellungen die Rede. Dort werden Leistung und Gegenleistung geregelt, einschließlich der entsprechenden Umstände (Lieferung, Zeitpunkt, etc.).
Vorzeitige Zahlungen, auch Teilzahlungen sollten Ausnahmen sein. Für den Lieferanten stellen sie eine vorteilhafte Unternehmensfinanzierung dar. Diese ist aber eher eine Aufgabe der Banken als der Kunden. Anzahlungen „als Sicherheit“ sind als Akt des Misstrauens zu betrachten. Wenn das Mistrauen gerechtfertigt ist, sollte eine Bankbürgschaft reichen. Wie sichert der Lieferant das Misstrauen des Kunden ab? Stellt er eine Durchführungsbürgschaft bzw. eine Gewährleistungsbürgschaft?
Ungesicherte An- und Teilzahlungen sind in jedem Fall zu vermeiden. Sie sollten vielmehr durch Bankbürgschaften gesichert sein. Sicherungsübereignungen machen nur dann Sinn, wenn die übereigneten Dinge frei von Rechten Dritter sind. Ungesicherte Zahlungen können im Falle einer Lieferanteninsolvenz sehr leicht verloren sein. Mit einem Insolvenzverwalter ist weitaus schlechter zu verhandeln als mit einem Lieferanten vor Vertragsabschluss.
Materialbeistellungen sichern. In vielen Fällen wird Lieferanten Material beigestellt. Die Gründe hierfür sind sehr unterschiedlich. Beispielhaft kommen infrage:
  • Oberflächenbehandlung
  • Umarbeitung (Rohmaterial)
  • mechanische Bearbeitung (Halbzeug)
  • Einbau (Geräte)
Durch die Beistellung kommt das Material in den Besitz des Lieferanten. Einkäufer versuchen meist Ihre Rechte durch einen formalen Eigentumsvorbehalt zu sichern. Das würde nur ausreichen, wenn und solange die Beistellung in der Sache erhalten bleibt, also weder vermischt noch verändert wird. In aller Regel ist aber genau das der Zweck der Beistellung. Besonders deutlich wird dies am Beispiel einer Beistellung von Kupferbarren. Diese werden z. B. zum Zweck der Herstellung von Gussstücken beigestellt. Spätestens im Schmelztiegel verlieren sie ihre Existenz als Barren. Damit zieht der einfache Eigentumsvorbehalt nicht mehr.
Es ist zu empfehlen, grundsätzlich einen erweiterten Eigentumsvorbehalt zu vereinbaren. Dieser verschafft dem Beisteller ein Miteigentum an dem neu entstandenen Gegenstand. Ein entsprechender Nachweis erleichtert die Diskussion mit einem Insolvenzverwalter in erheblichem Maß.
Lieferantenausfall – und dann? Der Ausfall eines Lieferanten erfolgt meist plötzlich unerwartet. Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Was tun, wenn der Lieferant ausfällt, aber der Bedarf noch gegeben ist? Viele Lieferanten sind vor allem für die Lieferungen und Leistungen gegeben, in denen es eine leichte Austauschbarkeit gibt, wo viele Lieferanten auf dem Beschaffungsmarkt gegeben sind. Wo geringes Versorgungsrisiko besteht, gibt es viele (austauschbare) Lieferanten; wo hohe Komplexität und somit hohes Versorgungsrisiko besteht, sind meist wenige Lieferanten gegeben. Risikomanagement sieht anders aus!
Welche Lieferanten „verdienen“ besondere Beachtung unter dem Blickpunkt Risikomanagement? Manche vertrauen „einfachen Lösungen“ aus teuren Computerprogrammen. Sie wundern sich anschließend über die vielen erforderlichen Eingaben. Dabei könnte eine Portfolioanalyse bereits Aufschluss über diese Risiken geben. Zwischen zwei Achsen (Wert: Versorgungsrisiko) werden vier Quadranten eingefügt (siehe Abbildung). Diesen Quadranten werden die vorhandenen Lieferanten zugeordnet. Der Begriff „Versorgungsrisiko“ kann auch durch „Komplexität“ ersetzt werden. Meist geht zunehmende Komplexität mit steigendem Versorgungsrisiko einher.
Hebelmaterialien
Hoher Wert bei niedrigem Versorgungsrisiko kennzeichnet diesen Quadranten. Demzufolge gibt es viele austauschbare Lieferanten, die kurzfristig für eine Versorgung infrage kommen. Diese sind sehr interessiert. Ein Versorgungsrisiko kann daher nahezu ausgeschlossen werden.
Unkritische Materialien
Niedriger Wert ist kombiniert mit niedrigem Versorgungsrisiko. Hier reden wir von den klassischen C-Artikeln. Sie sind leicht verfügbar. Woher sollte da ein Versorgungsrisiko kommen?
Engpassmaterialien
Relativ geringer Wert mit hohem Versorgungsrisiko kombiniert, charakterisiert diesen Quadranten. Eigentlich handelt es sich um C-Materialien, wenn man in ABC-Kategorien denkt. Demzufolge wären sie eigentlich zu vernachlässigen. Statt dessen verlangen sie immer wieder nach Aufmerksamkeit, nach Problemlösungen. Das Risiko ist permanente Realität. Mitunter hilft eine technische Änderung, meist bleiben nur Sicherheitsbestände als ultima ratio. Ist hier Risikomanagement erforderlich? Ja und nein! Da hier das Risiko tägliche Realität ist, wird permanent an der Risikominimierung gearbeitet.
Schlüsselmaterial
Hier kommen hoher Wert mit hohem Versorgungsrisiko zusammen. Das Risiko wird meist durch hohe Komplexität hervorgerufen. Die Bandbreite reicht von aus teuren Werkzeugen gefertigten Teilen über gemeinsame Entwicklungen bis zu speziellen Komponenten, die nur ein Lieferant liefern kann. Es gibt nur einen oder zumindest nur wenige Lieferanten. Genau in diesem Feld muss das Risikomanagement ansetzen.
Die Scheu, Risikomanagement bezüglich Lieferantenauswahl zu betreiben, wird durch eine Portfolioanalyse vereinfacht. Statt sich mit der großen Anzahl Lieferanten auseinanderzusetzen, bleiben nur einige wenige Prozent zu betrachten. Diese verdienen/erfordern die entsprechende Aufmerksamkeit. Lösungsmöglichkeiten im Rahmen des Risikomanagements gibt es mehrere. Hier einige Beispiele:
Multiple Sourcing
Der Bezug von mehreren Lieferanten ist eine gute Lösung, selbst wenn die Preise/Bezugskosten deutlich unterschiedlich sind. Versorgungssicherheit gibt es nicht immer zum 0-Tarif.
Lieferantenlösung
Mitunter können Lieferanten mit einem eigenen Risikomanagement aufwarten. Sie verfügen über mehrere eigene gleichartige Fertigungsstandorte. Sollte es Engpässe geben, kann ausgewichen werden.
Werkzeuggebundene Teile
Unabhängig von der Eigentumsfrage sollten unbenutzte Werkzeuge und Vorrichtungen stets sicher und separat von der Fertigung aufbewahrt werden. Dies reduziert das Risiko. Wenn der Lieferant keinen Notfallplan hat, kann er einem Ringtausch mit einem anderen Lieferanten zustimmen? Dies würde beiden – und vor allem dem Kunden – helfen. Die Investition in ein Zweitwerkzeug (bei einem anderen Lieferanten) scheidet meist aus Kostengründen aus.
Monopollösung
Wenn es nur eine technische Lösung (Produkt oder Komponente) gibt und der Lieferant kein Notfallkonzept anbieten kann, ist eine besonders kritische Situation gegeben. Zusammen mit den technisch Verantwortlichen (z. B. Entwicklung oder Marketing) muss zeitnah eine Lösung gefunden werden. Kann dies nicht herbeigeführt werden, ist dringend eine Information des Managements anzuraten.
Das Risiko eines Lieferantenausfalls muss möglichst früh ins Kalkül gezogen und regelmäßig überprüft werden. Die Portfolioanalyse begrenzt den Aufwand. Weiterhin führt die Verteilung auf mehrere Verantwortliche dazu, den Aufwand erträglich zu machen. Mit einem geeigneten Controlling kann die Realisierung sichergestellt werden.
Der zweite Teil des Beitrags „Risikomanagement im Einkauf“ erscheint in der März-Ausgabe von Beschaffung aktuell und handelt davon, wie man Währungsrisiken vermeiden und Rohmaterialschwankungen ausgleichen kann.
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