Welche Risiken sind in diesem Jahr in den globalen Lieferketten zu erwarten? Wie können Unternehmen sich darauf vorbereiten? Auf diese Fragen geht der Spezialist für Supply-Chain-Risikoanalysen, Everstream Analytics, in seinem aktuellen Risk Report 2023 ein.
Die politischen und wirtschaftlichen Krisen der Welt haben im Jahr 2022 regelmäßig für Unterbrechungen in globalen Lieferketten gesorgt. Steigende Preise, Energiekrise, Krieg und Covid-19: Die Ursachen von Unterbrechungen in den Lieferketten sind ebenso vielfältig wie auch die Folgen. Unternehmen müssen sich zunehmend mit der Sicherheit ihrer Versorgung auseinandersetzen.
Die Analysten von Everstream Analytics haben Prognosen darüber aufgestellt, welche Risiken in diesem Jahr zu Herausforderungen führen werden:
1. Insolvenzen
Insolvenzen kleinerer Betriebe führen zu Störungen in der Lieferkette. Immer mehr Unternehmen gehen dem Experten für Risikoanalysen zufolge überall auf der Welt insolvent. Diese weggebrochenen Subzulieferer und Störungen in der Lieferkette können oft nicht schnell genug ausgeglichen werden.
Risikobewertung: 60 Prozent
Empfehlung: Unternehmen sollten nicht nur ihre direkten Zulieferer auf dem Radar haben, sondern auch deren Zulieferer und die darunter. Werden Engpässe frühzeitig erkannt, können Unternehmen Alternativen schaffen, bevor sie auf diese angewiesen sind.
2. Cyberangriffe
Zulieferer werden weiterhin Opfer von Cyberangriffen. Die voranschreitende Digitalisierung vergrößert die Fläche für Cyberangriffe, besonders für Ransomware-Angriffe, die auf hochwertige Organisationen und Betreiber kritischer Infrastrukturen abzielen. Beliebte Ziele sind Elektronik-, Fertigungs- und Logistikunternehmen. Seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs sei aber vor allem die Zahl der Cyberangriffe auf die Öl-, Gas- und Chemieindustrie gestiegen, die zu Produktionsausfällen führen.
Risikobewertung: 70 Prozent
Empfehlung: Unternehmen sollten eine engere Zusammenarbeit mit Auftragnehmern und Lieferanten aufbauen, um die Sicherheit und Integrität ihres Netzes zu schützen.
3. ESG-Verstöße
In Deutschland gilt es seit dem ersten Januar 2023 (LkSG) und viele weitere europäische Länder werden ebenfalls Gesetze zur Sorgfaltspflicht in der Lieferkette verabschieden. Die Zahl der Medienberichte über ESG-Verstöße steigt aber jetzt schon.
Mehr als ein Drittel aller Unternehmen, die mit Zwangsarbeit in Xinjiang in Verbindung gebracht werden, sind laut Everstream Teil der Bekleidungsindustrie. Weitere anfällige Branchen sind die Elektronikindustrie und der Sektor der erneuerbaren Energien. Watchdog-Gruppen untersuchen auch weitere Verstöße in der Lieferkette in Bezug auf Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG), darunter Luft- und Wasserverschmutzung, hoher Energieverbrauch, Abfallentsorgung und Arbeitsbedingungen.
Risikobewertung: 75 Prozent
Empfehlung: Die Einhaltung der ESG-Richtlinien in Bezug auf Themen wie Zwangsarbeit oder Energienutzung kann nicht mehr durch den Vergleich einer Liste der bekannten Lieferanten eines Unternehmens mit einer Liste staatlicher Stellen oder gar durch eine direkte Befragung der Lieferanten zu ESG-Themen erreicht werden, da sie wahrscheinlich nicht genug Einblick haben. Unternehmen sollten jetzt aktiv werden, um problematische Beziehungen aufzudecken.
4. Teure Rohstoffe aus Europa
Die stark gestiegenen Gaspreise haben weitreichende Folgen. Erhöhte Produktionskosten und die Regierungsaufrufe zum Energiesparen werden auch weiterhin zu Produktionsausfällen in energieintensiven Sektoren in Europa führen, darunter Chemie- und Metallindustrie, Textil- und Lebensmittelindustrie, aber auch Glas und Papier. Immer mehr Unternehmen verzichten deswegen auf Rohstoffversorgung aus Europa und schauen sich in den USA und Asien um, prognostiziert Everstream Analytics.
Risikobewertung: 80 Prozent
Empfehlung: Es handelt sich hierbei um eine langfristige Störung, nicht um eine kurzfristige Erscheinung. Unternehmen sollten darauf achten, dass ihre Rohstoffversorgung durch Subzulieferer auf mehrere Quellen verteilt ist.
5. Unsichere Lieferungen aus China
Die Covid-19 Maßnahmen in China werden aktuell ständig verändert und sind weder einheitlich noch vorhersehbar heißt es im Risk Report. Das resultiert in Unsicherheiten auf Seiten der Hersteller. Während des Höhepunkts der COVID-19-Pandemie und der Chip-Knappheit in den Jahren 2020-2021 beschlossen demnach viele Chip-Hersteller, China zu verlassen.
Da der Aufbau eines Werks für Halbleiterchips etwa drei Jahre dauert, wird die Abwanderung aus China im Jahr 2024 ihren Höhepunkt erreichen, wenn die neuen Werke in Betrieb genommen werden.
Risikobewertung: 90 Prozent
Empfehlung: Unternehmen, die noch keine Diversifizierungsstrategie für ihre Produktion haben, sollten diese in ihren Plan für 2023 aufnehmen. Bestehende Diversifizierungsstrategien sollten vorangetrieben werden. (ys)