Startseite » Stahleinkauf »

Rohstoff des Monats: Platin

Der Rohstoff des Monats: Platin
Eine glänzende Zukunft

Wenn es nach Scheckkarten-Anbietern geht, ist die Reihenfolge klar: Silber, Gold, Platin. Das aber stellt die Wertverhältnisse auf den Kopf. Anfang März 2020 kostet die Feinunze Gold 1460 Euro, Platin dagegen nur gut die Hälfte: circa 770 Euro.

Nomen est omen: Platin steht im Spanischen für die negativ besetzte Verkleinerungsform von Plata, gleich: „Silber“. Der Name stammt von den spanischen Konquistadoren, die mit dem silbrig glänzenden Metall nichts anzufangen wussten. Da es genauso schwer wie Gold ist, wurde es beim Goldwaschen zu einem Problem. Man hielt es für „unreifes“ Gold und warf die silbernen Nuggets wieder in die Flüsse Ecuadors zurück. Ein klassischer Fehlstart für das Edelmetall. Erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde es wiederentdeckt und hauptsächlich zu hochwertigen Gebrauchsgegenständen und Schmuck verarbeitet. Da Platin härter als Gold ist, wurde es auch gerne für die Fassung von Edelsteinen verwendet. So ruht der legendäre „Kohinoor“ des englischen Kronschatzes in einer Platinfassung. Richtig los ging es für Platin aber erst mit der industriellen Verwendung. 1863 zum Beispiel als Glühdraht in Edinsons Lampen und später als Katalysator bei der Herstellung von Salpetersäure.

Heute werden Platinlegierungen unter anderem für Laborgeräte verwendet, da es keine Flammenfärbung erzeugt. Die exzellente Leitfähigkeit wird in Kontaktwerkstoffen und in der Halbleiterindustrie genutzt, die gute Formbarkeit und Haltbarkeit in der Zahntechnik gebraucht. Und fast ein Drittel geht in die Schmuckindustrie, welche die Anlaufbeständigkeit und Seltenheit des edlen Metalls schätzt. Platin ist ein korro-sionsbeständiges, schmiedbares und weiches Schwermetall. Es lässt sich zu Folien von 0,0025 mm Stärke walzen, zu einem Draht von nur 0,001 mm Durchmesser ziehen und ist zu hohem Glanz polierbar – dieser Effekt wird für die Spiegelproduktion ausgenutzt.

Hauptabnehmer ist heutzutage aber die Autoindustrie (41 % des weltweiten Verbrauchs). Als Katalysator setzt das Edelmetall die notwendige Aktivierungsenergie bestimmter chemischer Reaktionen herab, die dann schneller und bei niedrigeren Temperaturen ablaufen können. Unter diesen Umständen reagieren im Autoabgaskatalysator das Atemgift Kohlenstoffmonoxid sowie unverbrannte Kohlenwasserstoffe mit Stickoxiden und Sauerstoff und verwandeln sich zu Kohlenstoffdioxid (CO2) sowie Stickstoff und Wasser.

Der Markt macht den Preis

Und der Markt bewegt sich momentan weg von Dieselfahrzeugen und hin zu Benzinern – mit weitreichenden Folgen für die Edelmetallmärkte. Denn während in Dieselfahrzeugen vor allem Platin zum Einsatz kommt, wird dagegen in den Katalysatoren von klassischen Ottomotoren hauptsächlich Rhodium und Palladium verwendet. Das hat technische Gründe: Dieselmotoren arbeiten mit einem Oxidationskatalysator und erzeugen einen hohen Sauerstoffanteil im Abgas – dafür eignet sich Platin am besten, manchmal im Zusammenspiel mit Palladium. Ottomotoren besitzen einen Drei-Wege-Katalysator und bringen es auf deutlich höhere Temperaturen, die den Einsatz von Rhodium und/oder Palladium erfordern. Allerdings: Platin könnte ein Comeback gelingen. Denn jenseits der Verbrennermotoren wartet bereits die Brennstoffzellen-Technologie. Und zu deren Kats passt (das günstigere) Platin. Allein China will bis 2030 zwei Millionen Wasserstoff-Brennstoffzellenfahrzeuge produzieren.

Entgegen allen Trends

Stand heute ist Platin fast ein Schnäppchen, Gold deutlich teurer. Das war nicht immer so: Historisch betrachtet hielten sich die Preise lange Zeit ungefähr die Waage. In Krisenzeiten hatte Gold oft die Nase vorn, in wirtschaftlichen erfolgreichen Zeiten konnte Platin immer wieder aufholen: Platin ist ein Industriemetall. Bei seinem Allzeithoch am
4. März 2008 kostete Platin mit 2045 Dollar fast doppelt so viel wie Gold. Knapp zehn Jahre später, am Oktober 2017 überholte Gold einmal mehr und ist seither auf dem Weg zu neuen Höchstständen. Platin dagegen dümpelt auf unverändert niedrigem Niveau. Als unverzichtbares Element für Katalysatoren? Ja, denn Platin, Rhodium und Palladium kommen geologisch betrachtet meist zusammen vor; man spricht deshalb auch von Platingruppenmetallen (PGM). Die Förderung eines Metalls bringt auch die beiden anderen in unterschiedlichen Verhältnissen zutage. In Südafrika beispielsweise werden mit jedem Kilo Platin gleichzeitig 400 Gramm Palladium gewonnen. Bei Rhodium ist das Verhältnis noch drastischer und beträgt circa zwanzig zu eins. Steigt die Nachfrage nach Pd und Rh und sinkt der Platinbedarf, fällt der Platinpreis zwangsläufig.

Verboten attraktiv

Die Republik Südafrika und die Russische Föderation beherrschen den globalen PGM-Markt in der Bergwerksförderung und sind auch bei der Weiterverarbeitung weltweit führend. Aufgrund unterschiedlicher Mengenverhältnisse in den geschürften Erzen ist Südafrika der größte Platinproduzent, die Russische Föderation wiederum der führende Palladiumproduzent. Beide Länder stellen ca. 83 % der globalen Platinförderung. Die Deutsche Rohstoffagentur stuft die Angebotsseite als „kritisch“ ein. Gründe dafür sind mögliche Kostensteigerungen im südafrikanischen Bergbausektor – Marktbeobachter erwarten steigende Lohn- und Stromkosten sowie eine sinkende Produktivität. Darüber hinaus könnte die Versorgung mit Platin und Palladium aus Russland durch weitere Sanktionen und mögliche Handelsbeschränkungen aufgrund des Ukrainekonfliktes beeinträchtigt werden.

Nach Recherchen der Europäischen Union verschwinden Jahr für Jahr circa vier Millionen Altfahrzeuge spurlos. Sie landen nach Expertenschätzungen ungefähr zu gleichen Teilen in Drittweltländern oder in den Hinterhöfen illegaler Demontagebetriebe. Damit verbleiben für die Wiederverwertung aber immer noch Millionen Fahrzeuge. Das keramische Herz eines Katalysators ist je nach Antriebstechnologie mit den Edelmetallen Platin, Palladium und Rhodium beschichtet. Ungefähr drei Gramm der „Platingruppenmetalle“ (PGM) stecken im sogenannten Monolith. In Palladium umgerechnet entspricht das aktuell ungefähr 180 Euro. Um ein Gramm Edelmetall zu gewinnen, sind entweder 300 Kilogramm Minenerz oder 500 Gramm Monolithmasse notwendig. 2018 wurden in Deutschland damit mehr als zwei Millionen Unzen im Wert von circa 1.5 Mrd. Euro zurückgewonnen; das entspricht einem Viertel des gesamten Marktangebotes. Der Materialwert macht gebrauchte Automobil-Katalysatoren zu einer gesuchten Handelsware – nicht nur für Ehrenmänner. So häufen sich Diebstähle aus Recyclingbetrieben ebenso wie „gefälschte“ Katalysatoren. Dabei werden die Edelmetalle mit Säure ausgespült und der verbleibende geringwertige Kat anschließend auf dem Gebraucht- oder Recyclingmarkt zu handelsüblichen Preisen verkauft.

Platin hat sich von der Edelmetall-Rallye abgekoppelt.
Chart: Deutsche Rohstoffagentur

Michael Grupp, freier Journalist in Stuttgart

Aktuelles Heft
Titelbild Beschaffung aktuell 3
Ausgabe
3.2024
PRINT
ABO

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de