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Die europäischen Stahlhersteller in der Krise – Chinas Schuld?

Stahlpreisentwicklung aktuell – eine Analyse
Die europäischen Stahlhersteller in der Krise – Chinas Schuld?

Die europäischen Stahlhersteller in der Krise – Chinas Schuld?
Nachdem eine im WTO-Beitrittsprotokoll festgelegte Klausel, auf deren Grundlage China aktuell noch pauschal als Nichtmarktwirtschaft behandelt wird, im Dezember ausläuft, prüft die EU-Kommission derzeit Möglichkeiten, wie in Zukunft mit dem Status Chinas umzugehen sei, insbesondere ob sie China ab dem kommenden Jahr offiziell als Marktwirtschaft anerkennen sollte.

Würde China tatsächlich der Status einer Marktwirtschaft verliehen, gäbe es kaum noch wirksame EU-Handelsschutzinstrumente zugunsten der europäischen Stahlhersteller. Die deutschen Regierungsparteien sind sich insofern einig, dass die Durchsetzung fairer Wettbewerbsbedingen für die hiesige Stahlindustrie damit nahezu unmöglich würde. Ein entsprechender Antrag der Bundestagsfraktionen, die Bundesregierung aufzufordern, sich gegenüber der EU-Kommission dafür einzusetzen, die Auswirkungen der Anerkennung Chinas als Marktwirtschaft, insbesondere auf die Stahlindustrie, zu prüfen, wurde gestellt. Bei der Entscheidung sei die Einhaltung marktwirtschaftlicher Regeln seitens Chinas eine wichtige Grundlage. Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs äußerte sich beispielsweise dahingehend, dass die erhebliche Stahl-Überproduktion in China, die nach wie vor zu Niedrigstpreisen auf dem Weltmarkt landet, mit den geltenden Gesetzen einer Marktwirtschaft nur wenig zu tun habe (Quelle: www.finanznachrichten.de).

Die deutsche Stahlindustrie unterstützt den Antrag der Fraktionen selbstverständlich. Aufgrund der aktuellen Lage sowie einer Drohkulisse aus anstehenden Belastungen infolge der Klimapolitik in Kombination mit einer steigenden Stahlschwemme – zu subventionierten Preisen – aus China, wäre ein fairer Wettbewerb für die europäischen Hersteller ohne Zweifel hilfreich, ja notwendig, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Dies wird jedoch kein leichter Balanceakt. Zum einen würde eine Nicht-Anerkennung Chinas ohne Zweifel negative Auswirkungen auf den europäischen Export haben. Anderseits würde man mit dem Verlust der Handelsschutzinstrumente ein Druckmittel aus der Hand geben.
China selbst hat zwischenzeitlich offensichtlich erkannt, dass die eigenen Stahlüberkapazitäten dringend abgebaut werden müssen. Schon in den nächsten drei bis fünf Jahren soll die Produktion daher in einem Umfang von 100 bis 150 Millionen Tonnen heruntergefahren werden. Das bedeutet im Ergebnis nichts anderes, als dass viele unrentable Stahlwerke, die häufig so bezeichneten „Zombie-Unternehmen“, geschlossen würden. Ein lange überfälliger Schritt. Davon werden nach Auffassung von Wang Tao, Chef-Ökonomin für den Bereich China bei der Schweizer UBS-Bank, die verbleibenden Stahlhersteller profitieren, die dann auch eher bereit sind, sich zu modernisieren und in moderne Ausrüstung zu investieren. Dies dürfte zudem dazu führen, dass sich die Qualität des chinesischen Stahls verbessert, was bislang ein großes Manko im Vergleich zum europäischen oder auch dem japanischen Stahl ist (Quelle: www.tagesschau.de). Eine Öffnung hin zur verantwortungsbewussten Regulierung hat die chinesische Regierung weiterhin damit gezeigt, dass sie zwischenzeitlich ein eigenes Emissionshandelssystem eingeführt hat, das ausdrücklich auch für die Stahlbranche gilt.
Es tut sich also durchaus etwas in China, was als Schritt in die richtige Richtung, in Richtung eines fairen, weltweiten Wettbewerbes verstanden werden kann. Dies wird allerdings ein langfristiger Prozess sein, der erst in geraumer Zeit auch auf dem europäischen Stahlmarkt spürbar sein wird.
Andere Stimmen in Politik und Medien fordern zudem die deutsche Stahlindustrie auf, sich selbst ebenfalls (noch) weiter zu entwickeln. Mehr Recycling, weniger Materialeinsatz, weniger Emissionen, Nutzung der Digitalisierung für eine effizientere Auftragsabwicklung etc. sind Schlagworte, die in diesem Zusammenhang wiederholt fallen (Quelle: www.cicero.de). Fakt ist in diesem Zusammenhang aber, dass die eingesetzten Produktionsmethoden bereits sehr weit optimiert sind. Andererseits werden die noch möglichen Optimierungen verpuffen, wenn in anderen Ländern zu Preisen unter – ohnehin schon geringeren – Herstellkosten verkauft wird und wenn Angebot und Nachfrage nicht irgendwann wieder in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Die genannten Forderungen sind nett, klingen politisch toll und scheinen zukunftsorientiert. Sie werden die europäische Stahlindustrie aber nicht aus ihrer Krise führen, da grundlegende marktwirtschaftliche Gesetze nicht einfach so aufgehoben werden können. Auch die von EU-Binnenmarktkommissarin Elzbieta Bienkowska geforderte Anpassung europäischer Regeln, um staatliche Hilfen, die heute noch gegen Wettbewerbsregeln verstoßen, für Stahlunternehmen zukünftig zu ermöglichen, können nicht der richtige Weg sein.
Wir haben bereits zahlreiche Millionen Tonnen an Überkapazitäten im Markt. So hart es klingt, aber die müssen irgendwann abgebaut werden, und zwar mit allen Konsequenzen. Ansonsten produzieren wir auch in Europa irgendwann Stahlberge analog der in der EU noch gut bekannten Milchseen oder Butterberge. Früher oder – durch versenkte Millionen Steuergelder in Form von Subventionen – eventuell auch später werden sich Angebot und Nachfrage angleichen. Einige Stahlunternehmen haben sich darauf bereits vorbereitet, z. B. durch Konzentration auf Spezialstähle oder durch Diversifikation. Diese Firmen werden auch in Zukunft überlebensfähig sein. Nostalgiker hingegen, die hoffen, die „Stahlwelt“ werde schon wieder wie früher, der wird massive Probleme bekommen und ggf. in einigen Jahren nicht mehr am Markt zu finden sein.
Unserer Meinung nach wird sich in den kommenden Jahren die chinesische Angebotsstruktur sicherlich verändern, wie oben bereits erwähnt. Unsere Politik sollte sich zwar durchaus, auch massiv für faire Bedingungen einsetzen. Die vielfach prognostizierten und in vorherigen Artikeln von uns ausführlich beschriebenen, dringend erforderlichen strukturellen Änderungen am europäischen Stahlmarkt sind jedoch unabhängig davon unerlässlich.
Entwicklungen hinsichtlich der Preise
In den Monaten März und April haben sich die Stahlpreise in China bereits deutlich erhöht. Auch in den USA deuten einige Werte ebenfalls nach oben. Wir gehen aber zunächst nicht von einer anhaltenden Steigerung aus, sondern vermuten, dass dieser Anstieg teilweise mit Lagerauffüllung und dem kurzzeitigen Anstieg der Rohstoffkosten zusammenhing, nicht bereits mit den (in China, siehe oben) eingeleiteten Strukturmaßnahmen. In den letzten Tagen (Stand: 1.5.2016) war die Preisentwicklung jedenfalls schon wieder rückläufig.
Wir rechnen aber auch in Europa in den nächsten Monaten nicht mehr mit fallenden Stahlpreisen. Einige Indikatoren (Stahlpreise in China und den USA, Auftragslage im Maschinenbau und der Bauindustrie) deuten auf eine steigende Nachfrage bzw. steigende Preise hin. Nach unserer Einschätzung sind zwischenzeitliche Anstiege aber nur kurzfristig, da die Marktstrukturen mit ihrem massiven Angebotsüberhang weiterhin Bestand haben.
Für Einkäufer bedeutet dies im Ergebnis, dass mit einigermaßen konstanten Preisen bei kurzzeitigen Ausschlägen nach oben gerechnet werden kann. Bei gutem Preisniveau sollte daher nicht zu kurzfristig agiert werden.

STAHLkompakt ist ein Angebot der HKN & Internet Solutions GbR, Hamburg www.stahl-kompakt.de
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