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Stahlpreiswende? Hintergründe und Ausblick

Stahlpreisentwicklung aktuell – eine Analyse
Stahlpreiswende? Hintergründe und Ausblick

Stahlpreiswende? Hintergründe und Ausblick
Im ersten Halbjahr ist es insgesamt zu einer Erholung der Stahlpreise gekommen, auf breiter Front heben Stahlhersteller ihre Gewinnprognosen an. Aber woher kommt dieser Effekt und wie wird es weitergehen?

Die Summe sämtlicher Stahlimporte in die EU ist in den ersten Monaten des Jahres 2016 deutlich angestiegen. Die Stahlnachfrage in Europa stieg im ersten Quartal zwar immerhin um 3 % (ca. 1–1,5 Mio. Tonnen), die Importe stiegen hingegen gleich um etwa 24 % (ca. 2 Mio. Tonnen). Dementsprechend ergab sich aus der Nachfragesteigerung auch kein positiver Effekt für die europäische Produktion.

Von vielen Seiten ist nun immer wieder zu hören, dass die reduzierten Importmengen aus China zu einer Verknappung des Angebots geführt hätten und dadurch die Preise stiegen. Aber wie sind die Fakten?
Steigende Importe
Es ist zunächst zu erkennen, dass in den meisten Fällen die Importmengen eher gestiegen sind. Schaut man sich sodann den bis jetzt umgesetzten Kapazitätsabbau in China von 13 Mio. t im Verhältnis zur chinesischen Gesamtkapazität von über 1000 Tonnen an, so ist dieser Abbau tatsächlich nahezu verschwindend gering und noch weit entfernt von den insgesamt angekündigten 100 bis 150 Mio. Tonnen. China ist daher auch weiterhin gezwungen, massiv zu exportieren und tut dies weiterhin, auch in Richtung Europa.
Lediglich der Import kaltgewalzter Bleche ist deutlich zurückgegangen. Dies betrifft im Übrigen nicht nur China, auch aus Russland ist ein deutlicher Rückgang der Importe festzustellen. Eine Kompensation durch Importe aus anderen Ländern war hingegen nur teilweise möglich, sodass hier im Monatsschnitt aller Import-Länder etwa 70 000 Tonnen weniger kaltgewalzte Bleche die EU erreichten als noch 2015 (2015: 298 000 Tonnen/Monat | 2016 YTD 228.000 Tonnen/Monat – Quelle: eurofer.org). Diese Reduzierung auf der Angebotsseite ist im Verhältnis zum gesamten europäischen Markt jedoch eigentlich nicht so groß, dass massive Preissteigerungen gerechtfertigt wären.
Die aktuellen Preissteigerungen sind daher allein mit den reduzierten Importen kaum – mit Abstrichen eventuell im Bereich kaltgewalzter Bleche – erklärbar.
In Europa hatten wir in 2015 eine Stahlnachfrage von etwa 146 Mio. Tonnen, dies bei einer eigenen Produktion von 166 Mio. Tonnen und leichtem Importüberschuss von rund 4 Mio. Tonnen. In Summe ergab sich damit ein deutlicher Überschuss im Markt von über 20 Mio. Tonnen.
Aktuell laufen wir auf eine geringere Produktion von hochgerechnet ca. 155 Mio. Tonnen zu. Zu Beginn dieses Jahres kam es im Wesentlichen aufgrund von Lagerauffüllungen und einem deutlichen Auftragsplus in der Bauindustrie zu einem Bedarfsanstieg. Auch die Produktionszahlen der Automobilindustrie liegen leicht über Vorjahresniveau. Damit dürften nach derzeitiger Lage in 2016 einer Nachfragemenge von geschätzten 150 bis 155 Mio. Tonnen ein Angebot von etwa 160 bis 165 Mio. Tonnen (155 + x, je nach Außenhandelsbilanz) Tonnen gegenüberstehen Die aktuelle Marktlage deutet also auf eine deutliche Reduzierung des Angebotsüberhangs hin, von ca. 24 Mio. Tonnen in 2015 auf „nur“ noch ca. 10 Mio. Tonnen 2016. Das bedeutet aber im Ergebnis immer noch über einen Überschuss im Gesamtmarkt.
Diese Zahlen betreffen den Stahlmarkt insgesamt. Für einzelne Stahlsorten, z.B. im Bereich kaltgewalzter Bleche (s. o.), kann es natürlich zu einer kurzfristigen Unterversorgung und somit auch zu steigenden Preisen kommen. Aufgrund des geringer gewordenen Überhangs könnten außerdem kurzfristige Effekte, wie etwa Lagerbestandsauffüllungen, deutlicher spürbarer sein als zuvor.
Vor diesem Hintergrund sind die Preissprünge aus dem ersten Halbjahr 2016 alles in allem nur bedingt nachvollziehbar.
Zu beobachten sind auch die Rohstoffkosten
Schrott hat sich von März bis Mai 2016 beispielsweise um 90 € pro Tonne verteuert und damit die Kostensituation für Elektrostahl verschlechtert. Mittlerweile ist der Wert zwar wieder zurückgegangen, wir konnten jedoch beobachten, wie schnell sich hier Veränderungen ergeben können. Eisenerz ist längerfristig immer noch auf einem sehr niedrigen Niveau, hat sich aber von Dezember 2015 (38,50 $) bis jetzt (56,25$) um 46 % verteuert. Auch hier ist die Entwicklung zu beobachten.
Die Stahlwerke haben nach unserer Einschätzung versucht, die Situation und die Verunsicherung auszunutzen, um die Preisspirale endlich wieder nach oben zu drehen. Denn ein faktenbasierter Grund hierfür ist auf breiter Front nicht wirklich zu erkennen. Es dürfte hier vermutlich auch viel Psychologie im Spiel sein. Man verkündet deutlich längere Lieferzeiten, alles spricht von fehlenden Mengen aus zurückgegangenen Importen, sodass Ängste geschürt werden, und schon lassen sich wieder höhere Preise durchsetzen.
Wir glauben daher, dass es sich nicht um einen langfristig anhaltenden Preisanstieg handelt. Viel weiter nach oben sollte es mit den Stahlpreisen in den folgenden Quartalen nicht mehr gehen. Aus unserer Sicht ist es zudem fraglich, ob die gestiegenen Preise überhaupt gehalten werden können. Absolute Tiefstpreise wie vor einigen Monaten werden wir in absehbarer Zeit kaum mehr erreichen.

STAHLkompakt ist ein Angebot der HKN & Internet Solutions GbR, Hamburg www.stahl-kompakt.de
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