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Ursachen von Preisschwankungen –  Faktencheck

StahlpreisRückblick 2016
Ursachen von Preisschwankungen –  Faktencheck

Ursachen von Preisschwankungen –  Faktencheck
Ein Rückblick auf die Stahlpreisentwicklung des vergangenen Jahres macht deutlich, dass es in deren Verlauf zu teilweise sehr deutlichen Anstiegen kam. Durch Fakten allein lassen sich diese jedoch nicht erklären.

Erstmals im Frühjahr 2016 kam es zu nennenswerten Preissteigerungen, teilweise um bis zu 25 %. Vorhergesehen hatte diesen plötzlichen Anstieg kaum jemand. Hat man in dieser Phase mit Marktteilnehmern gesprochen und nach den möglichen Ursachen gefragt, kam immer wieder das Argument des Einbruchs der Stahlimporte aus China und Russland. Ist bzw. war das aber tatsächlich zutreffend?

Schaut man auf die Anteile von China und Russland am europäischen Markt, erscheint ein Einfluss in dieser Größenordnung fraglich. Beide Länder zusammen haben in 2015 nur etwas mehr als 10 Mio. Tonnen Stahl in die 28 EU-Länder importiert (Quelle: eurofer.org). Bei einem Marktvolumen von ca. 160 Mio. Tonnen in Europa haben diese Länder damit einen Anteil von gerade einmal 6 bis 7 %.
Betrachten wir weiterhin die tatsächlichen Mengenreduzierungen dieser Länder in 2016, hat China in 2016 etwa 1,7 Mio. t und Russland etwa 0,17 Mio. t weniger in die EU importiert als in 2015. Bezogen auf den europäischen Gesamtmarkt ergibt sich damit eine Mengenreduzierung von knapp 1,5 %. Aus marktwirtschaftlicher Sicht ist es daher unwahrscheinlich, mit diesem kleinen Anteil die Preise um bis zu 25 % nach oben zu treiben.
Betrachtet man zudem noch etwas genauer die Importstruktur dieser Länder, so erkennt man, dass sich die Mengenreduzierungen auf kaltgewalzte Bleche beschränken. Eine reine Betrachtung von nur zwei Ländern reicht für eine abschließende Bewertung jedoch ohnehin nicht aus. Aus den Importzahlen anderer Länder wie Indien, Südkorea, Brasilien oder Taiwan lässt sich nämlich schließen, dass die kaltgewalzten Mengenverluste aus Russland und China eigentlich vollständig kompensiert worden sind und in Summe gar nicht weniger Mengen im Markt verfügbar waren.
Berücksichtigen wir nun auch noch die rückläufigen Exporte aus der EU – folglich also geringere Abflüsse aus dem EU-Markt bzw. tendenziell höhere Angebotsmengen in Europa – lässt sich mit der Begründung der reduzierten Importe aus Russland und China keine nachhaltige Preiserhöhung erklären, da wir tatsächlich keine andauernd reduzierten Angebotsmengen hatten, sondern einen kurzfristigen Anstieg. Aber dieser hätte sich eben eigentlich auch nur auf kaltgewalztes Material beziehen dürfen und nur kurzzeitig.
Wurde eventuell weniger produziert und so das Angebot reduziert?
In den ersten drei Monaten 2016 wurden 0,3 bis 0,4 Mio. t weniger Stahl in Deutschland produziert als in 2015. Bezogen auf den deutschen Stahlmarkt sind das etwa 3 % der Produktionsmenge. Auf europäischer Ebene sieht es noch etwas extremer aus. Hier lagen die Produktionsmengen in den ersten drei Monaten etwa 4 bis 5 Mio. t, bzw. 10 % unterhalb des Vorjahres. Diese Reduzierungen sind bei einigen Einkäufern vermutlich spürbar gewesen.
Welchen Einfluss hatte die Nachfrageseite?
Schaut man sich einmal die wesentlichen Stahlverbraucher an, ergibt sich Folgendes: Maschinenbau und Automotiv lassen keinen Anstieg im Frühjahr erkennen. Feststellbar ist hingegen ein Anstieg im Bausektor von etwa 20 % gegenüber 2015. Da der Bausektor etwa 25 % des deutschen Stahlbedarfes ausmacht, ergibt sich dadurch ein Nachfrageanstieg von ca. 5 % bezogen auf den Gesamtmarkt.
Zusammenfassung: Eine nachhaltige Ursache lag faktisch nicht in den reduzierten Importmengen aus Russland und China. Aufgrund der Medien und der aus der Politik häufig unterstützten Meldungen zu China ergab sich hieraus vermutlich ein eher psychologischer Faktor, der bei dem einen oder anderen Einkäufer dazu geführt hat, „auf Nummer sicher“ zu gehen und sich längerfristig auch zu etwas höheren Preisen einzudecken.
Unterstützt wurde dieser Effekt durch die tatsächlich recht sprunghaft angestiegenen Aufträge im Bausektor sowie die auf europäischer Ebene reduzierte Produktionsmenge. Dass diese Effekte über den Sommer hinaus anhielten, könnte ein Grund sein, warum das Preisniveau dann nicht wieder zurückging.
Da wir jedoch auf Jahressicht immer noch einen Angebotsüberhang im europäischen Markt hatten, können wir den nachhaltigen Anstieg nicht zu 100 % nachvollziehen.
Zweiter Anstieg zum Jahresende
Auch für das Jahresende 2016 gelten grundsätzlich die beschriebenen Ausführungen zu Import- und Exportmengen. Die Produktionsmenge in Europa lag im 2. Halbjahr leicht über Vorjahresniveau und in Deutschland leicht darunter. Ein nennenswerter Effekt konnte sich hieraus eigentlich nicht ergeben.
Aus Daten der verbrauchenden Industrien des 2. Halbjahres lässt sich auch keine gesteigerte Nachfrage ableiten, sodass sich auch aus dieser Richtung keine Erklärung für den Preisanstieg ableiten lässt. Der einzige Faktor, der sich nennenswert verändert hat, sind die Einsatzkosten der Hersteller:
  • Der Preis für Kokskohle hat sich mit über 100 € mehr als verdoppelt; bei einem Einsatz von 0,35 t (Oxygenstahl) sind die Kosten pro Tonne Stahl um 15–20 € gestiegen;
  • Eisenerz hat sich etwa um 20 €/t verteuert und führt damit zu 25–30 €/t an Zusatzkosten für Stahlhersteller;
  • Der Schrottpreis ist bis Dezember um 30–40 €/t gegenüber den Sommermonaten gestiegen, bezogen auf Oxygenstahl ergibt sich daraus eine Kostensteigerung in der Herstellung von 5–10 €/t Stahl, bezogen auf Elektrostahl steigen die Herstellkosten um 30–40 €/t.
In Summe ergaben sich also für Oxygenstahl damit etwa 50–60 €/t Kostensteigerungen zum Jahresende, für Elektrostahl von 30–40 €/t Kostensteigerungen.
Wie geht es nun weiter mit den Stahlpreisen?
Effekt 1 – Rückläufige Produktionsmengen: Auf europäischer Ebene sah die zweite Hälfte 2016 schon wieder besser aus. Zusätzlich könnten sich Exportmengen – z.B. in die USA – weiter reduzieren. Der oben beschriebene Effekt ist daher nicht nachhaltig, auf Basis der Angebotsmenge im Markt müssten sich eher wieder rückläufige Preise in Europa ergeben.
Effekt 2 – Nachfrageentwicklung: Hier sehen wir keine nennenswerten Veränderungen. Erste positive Signale der südeuropäischen Wirtschaften könnten hier zu Belebungen auch der dortigen Stahlnachfrage führen. Bezogen auf den europäischen Gesamtmarkt ist die Wirkung aber im Moment noch als eher gering einzuschätzen. Bezüglich der Nachfrage erwarten wir eine konstant bis leicht positive Entwicklung. Unserer Meinung nach werden diese Effekte jedoch aufgrund des ohnehin noch vorhandenen Angebotsüberhangs und der zu Effekt 1 beschriebenen Entwicklung keine Preiserhöhungen mit sich bringen.
Effekt 3 – Kostensituation: Der Schrottpreis ist im Januar 2017 noch mal deutlich gestiegen. Bezüglich Eisenerz erkennt man Ende Dezember ebenso noch immer einen Aufwärtstrend. Nur der Preis für Kokskohle war Ende Dezember schon wieder leicht rückläufig. Einer Vorhersage ist schwer. Es ist daher äußerst wichtig, diese Werte wirklich kontinuierlich zu beobachten, um bei Schwankungen möglichst schnell reagieren zu können.
Unser Fazit: Zur Erklärung der steigenden Preisentwicklung in 2016 reicht das in den Medien überwiegend verbreitete Argument der rückläufigen Chinamengen nicht aus. Die Fakten sind nur sehr bedingt in der Lage, die Preisanstiege 2016 zu erklären. Vielmehr dürfte hierbei die Psychologie eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt haben.
Für 2017 erwarten wir jedenfalls konstante bis leicht fallende Preise. Zu beobachten sind aber die Rohstoffkosten, die schnell „einen Strich durch die Rechnung“ machen könnten.

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