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Mit Plan und Prognose gegen unsichere Zeiten

Supply Chain Performance – Wettbewerbsfaktor am Markt
Mit Plan und Prognose gegen unsichere Zeiten

Mit Plan und Prognose gegen unsichere Zeiten
Bild: EKATERINA/stock.adobe.com
Lieferengpässe, knappe Containerkapazitäten, unterbrochene Transportketten – global herrscht ein Lieferkettenchaos. Wenn man international die Risiken nicht mehr im Griff hat, scheint Local Sourcing eine Möglichkeit, die Probleme wieder in den Griff zu bekommen. Das ist keine Lösung, meint der Autor Steffen Franz, ein radikales Umdenken ist jetzt notwendig.

Die Kurzschlussreaktion vieler deutscher Unternehmen auf die Auswirkungen der Corona-Krise lautete: Kooperationen mit internationalen Zulieferern einschränken und Lieferketten nationaler ausrichten. Dass diese Maßnahmen schon allein wirtschaftlich gesehen kontraproduktiv wären, zeigt ein Gutachten, das der VDMA im Auftrag der Impuls-Stiftung erstellt hat. Gerade die Maschinen- und Anlagenbauer beziehen einen Großteil der Vorprodukte direkt oder indirekt aus dem Ausland. Eine Abschottung würde deutsche Wettbewerber nicht wie vermutet widerstandsfähiger gegen Krisen machen, sondern zu einem Rückgang des Realeinkommens um jährlich 3,3 Prozent führen – so das Gutachten. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2019 entspricht das 114 Milliarden Euro. Kurz gesagt: Werden offene Grenzen, Vernetzung und Austausch gekappt, wird die Supply Chain in ihrer Stärke und Flexibilität eingeschränkt. Und die deutsche Wirtschaft zählt auf lange Sicht zu den Verlierern.

Ein radikales Umdenken beim Thema Supply Chain Management ist dennoch notwendig – aber in eine andere Richtung. Deutsche Unternehmen müssen sich ganzheitlicher, internationaler und digitaler aufstellen, um gegen fortschrittliche Wettbewerber aus China, Südkorea und Skandinavien bestehen zu können. Mit diesem Umdenken tun sich allerdings viele schwer. Jahrelang reichte Ingenieurskunst „made in Germany“ aus, um Produkte erfolgreich zu vermarkten. Im gesamtwirtschaftlichen Aufschwung wurden etliche mittelständische Betriebe zu Weltmarktführern. Doch statt mit dem Erfolg bestehende Kunden zu binden, neue Absatzmöglichkeiten zu erschließen und eine langfristige Digitalisierungsstrategie zu entwickeln, lag der Fokus oft nur in der Umsetzung von „Quick Wins“. Auch die Scheu vor hohen Investitionskosten und einer langen Projektdauer war lange größer als der Veränderungsdruck. Die Folgen: Traditionelle Unternehmensabläufe, starre Strukturen und veraltete IT sind noch immer weit verbreitet. Prozesse entlang der gesamten Supply Chain werden isoliert betrachtet. Fachbereiche stehen oft in internen Zielkonflikten – und tauschen relevante Daten nur bedingt aus. Ein eingeschränktes Partnernetzwerk schafft zudem Abhängigkeiten von einzelnen Lieferanten. Die Corona-Krise hat die Defizite im Supply Chain Management deutscher Unternehmen noch einmal eindrücklich offengelegt – und zeigt gleichzeitig enorme Potenziale für die Zukunft auf.

Die Supply Chain wird zum „Gamechanger“

In einer Zeit, in der Unternehmen im engen Wettbewerb zueinander stehen, die Rahmenbedingungen am Markt nahezu identisch sind und eine Diversifizierung über Produkt oder Preis zunehmend entfällt, wird die Supply Chain zum „Gamechanger“. Wer über eine agile und resiliente Lieferkette verfügt, profitiert von vereinfachten, effizienteren und verlässlicheren Prozessen. Und kann folglich zum einen die Herausforderungen der VUCA-Welt besser meistern und zum anderen die hohen Kundenerwartungen hinsichtlich einer genauen und pünktlichen Lieferung erfüllen.

Damit das gelingt, muss die Supply Chain einige Anforderungen erfüllen: Sie muss performant, integrativ und digital sein. Und vor allem muss sie ganzheitlich ausgerichtet sein: von der Strategie über die Prozesse bis zur IT. Eine performante zukunftsfähige Supply Chain zeichnet sich durch Agilität, Flexibilität, Transparenz, Kosteneffizienz und die Fähigkeit, schnell auf Änderungen im Umfeld zu reagieren, aus. Daraus ergeben sich auch Anforderungen an die IT: Die IT-Systeme müssen integrativ und auf einer einheitlichen Datenbasis aufsetzen. Insbesondere Supply-Chain-Planungssysteme sorgen hier für einen hohen Mehrwert.

Planung ist das A und O, auch in der Supply Chain

Besondere Bedeutung in der Supply Chain kommt den Planungsprozessen zu. Ist die Planung ungenau oder fehlerhaft, wirkt sich das unmittelbar auf den Unternehmenserfolg aus: Hohe Kosten und überhöhte Bestände sowie eine Verschlechterung von Liefertermintreue und Servicelevel mit wesentlichem Einfluss auf die Kundenbindung sind die Folge. Im Umkehrschluss führt eine datengestützte, anwendungsnahe und holistische Planung dazu, proaktiv Entscheidungen treffen und schnell auf Veränderungen reagieren zu können – auch in Krisenzeiten. Die Handlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten, ist eng mit der Simulation bestimmter Szenarien verbunden. Dabei werden einzelne Planungshorizonte von der auftragsbasierten und sekundengenauen Feinplanung und -Steuerung bis hin zur mittel- und langfristigen Planung miteinander verknüpft. Durch den Einsatz von Prognose- und Optimierungsmodellen, Machine Learning und Pegging lässt sich dann virtuell ermitteln, was eigentlich nicht vorhersehbar ist: zum Beispiel, mit welchen Auswirkungen auf die Supply Chain zu rechnen ist, wenn die Corona-Krise weitere zwölf Monate andauert. Aber auch Aussagen über Absätze und Umsätze, Produktions-, Beschaffungs- und Bedarfsmengen sind möglich. In Zahlen ausgedrückt, können Unternehmen durch eine holistische Planung „On-top-Sales“ im Wert von bis zu 20 Millionen Euro, eine Bestandsreduktion von bis zu 15 Millionen Euro und eine Liefertermintreue von bis zu 99 Prozent erzielen.

Der Kern einer zukunftsfähigen Supply Chain ist der durchgängig digitalisierte und automatisierte Austausch von qualitativen Daten in Echtzeit und über Geschäftsbereiche hinweg. Dieser wird durch den Einsatz integrativer ERP- und SCM-Systeme mit Unterstützung von Cloud-Technologien, mit automatischen Optimierungsverfahren und künstlicher Intelligenz möglich. Wie groß die Warenbestände sind, wo Engpässe drohen, ob Maschinen und Anlagen verfügbar sind, sind nur einige Informationen, die intelligente Vernetzung und digitale Prozesse transparent machen.

Ein erfolgskritischer Faktor ist der Grad der unternehmensübergreifenden Kollaboration, auch auf IT-Ebene. Integrative Prozesse erfordern eine hohe Integration der Daten und relevanter IT-Systeme. Oft werden Daten noch über mehrere Abteilungen, Systeme und manuelle Excel-Prozesse mit unterschiedlicher Aktualität und Qualität verwaltet. Werden isolierte Insellösungen durch integrierte End-to-End-Lösungen ersetzt, gehören störende Informations- und Technologiebrüche der Vergangenheit an. Voraussetzung für eine erfolgreiche Supply Chain Collaboration ist die konsequent an den Kunden orientierte Steuerung der Wertschöpfungsprozesse.

Im übergreifenden Datenaustausch liegt der Kern

Um die Supply Chain End-to-End zu digitalisieren, empfiehlt sich aus unserer Sicht diese Vorgehensweise: Im ersten Schritt gilt es, die zukünftige strategische Ausrichtung der Supply Chain zu definieren. Soll beispielsweise möglichst kostengünstig geliefert oder ein möglichst hoher Lieferbereitschaftsgrad und kurze Transportzeiten unterstützt werden? Im zweiten Schritt sind insbesondere die Prozesse von Stakeholder zu Stakeholder, von der Planung über das Auftragsmanagement bis hin zur Steuerung aneinander auszurichten und miteinander zu verzahnen. Eine Sales- und Operations-Planung sowie ein Sales- und Operations-Execution-Prozess bieten hier große Vorteile. Anschließend können mit den entsprechenden fachlichen und strategischen Anforderungen passende IT-Tools identifiziert werden.

Der Weg zum Supply Chain Performance Champion

Vor allem bei komplexeren Automatisierungsszenarien sollte immer auch der Zugewinn an Flexibilität in den Blick genommen werden. Sowohl für geregelte Supply Chains mit geringen Beschaffungsalternativen und klaren Lieferbeziehungen als auch für komplexe Supply Chains mit vielen konkurrierenden Beziehungen bietet beispielsweise die SAP mit den Lösungen in S/4HANA, Integrated Business Planning (IBP) als auch Transportation Management (TM) die Möglichkeit, Supply-Chain-Planung und -Steuerung zukunftsfähig zu digitalisieren und zu automatisieren.

Wie das in der Praxis aussehen kann, zeigen Unternehmen wie Frosta und Fischer. Die beiden deutschen Traditionsunternehmen haben sich das Ziel gesetzt, Produktion und Logistik strategisch nachhaltig und zukunftsfähig auszurichten. So stellen beide Unternehmen in einem engen Wettbewerbsumfeld die erforderlichen Weichen für die Zukunft und sorgen für übergreifende Wachstumspotenziale, Nachhaltigkeit und damit die Sicherung von Arbeitsplätzen. Die Erfahrung zeigt: Wer den Wandel hin zu einer zukunftsfähigen Supply Chain wagt, kann deutliche Umsatz- und Wachstumspotenziale im Millionenbereich eröffnen.


Steffen Franz

Associated Partner, Lead Smart Manufacturing & Advanced Business Planning bei der MHP Management- und IT-Beratung GmbH

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