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„Wir starten gerade in die Elektromobilitätsoffensive“

Jürgen Schenk, Direktor e-Drive Systemintegration bei der Daimler AG
„Wir starten gerade in die Elektromobilitätsoffensive“

Die Elektromobilität nimmt nur sehr langsam Fahrt auf. Wir haben mit Jürgen Schenk, Direktor e-Drive Systemintegration bei der Daimler AG, über die Faszination dieser Technologie, die Eignung für den Fuhrpark sowie über aktuelle Entwicklungen gesprochen.

Beschaffung aktuell: Warum kommt das Thema E-Mobilität in Deutschland nicht richtig in Schwung?

Jürgen Schenk: Die Akzeptanz der Kunden ist maßgeblich für den Durchbruch und Erfolg jeder neuen Technologie. Dabei spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Einer der wichtigsten ist sicherlich die Verfügbarkeit von Lademöglichkeiten. Aber auch Reichweite und Ladezeiten beeinflussen die heute noch recht zögerliche Haltung. Bei all diesen Faktoren wird es kurz- und mittelfristig immer weitere Fortschritte geben, sodass die Alltagstauglichkeit der E-Mobilität immer mehr an das gewohnte Mobilitätsverhalten unserer Kunden heranreicht. Mit unserer neuen Marke EQ werden wir unseren Kunden ein elektromobiles Ökosystem anbieten. Also nicht nur das Fahrzeug selbst, sondern ein Gesamtpaket mit zugeschnittenen Angeboten und Services rund um die Infrastruktur beispielsweise. Das Zögern sollte damit eigentlich ein Ende haben.
Beschaffung aktuell: Was unternimmt Daimler aktuell in Sachen E-Mobilität? Wie ist hier der Fahrplan?
Jürgen Schenk: Wir starten gerade in die Elektromobilitätsoffensive. Unser Smart Electric Drive steht kurz vor seiner Markteinführung und wird erstmals in drei Varianten – Coupé, Cabrio und Viersitzer – zu haben sein. Noch in diesem Jahr präsentieren wir außerdem den Mercedes-Benz GLC F-CELL mit Plug-in-Brennstoffzellenantrieb. Bis zum Ende der Dekade startet dann das erste batterieelektrische Serienmodell unserer neuen Produktmarke EQ mit einer Reichweite bis zu 500 Kilometern. Diesem folgt eine ganze Elektrofahrzeugfamilie, die vom Kompaktfahrzeug bis hin zum Luxury Segment reicht. Aber das ist nicht alles. Neben reinen E-Fahrzeugen werden wir auch weitere Plug-in-Hybride auf die Straße bringen. Nicht zu vergessen: Wir optimieren auch unsere Verbrennungsmotoren immer weiter. Durch die Integration von 48-Volt-Batteriesystemen in Kombination mit Startergeneratoren werden perspektivisch alle Mercedes-Benz-Baureihen elektrifiziert sein. Wir werden also auch in Zukunft mehrgleisig fahren, um alle Mobilitätsanforderungen unserer Kunden abzudecken.
Beschaffung aktuell: Eignet sich E-Mobilität für jeden unternehmerischen Fuhrpark?
Jürgen Schenk: Die Elektrofahrzeug-Wahl des Kunden hängt natürlich wie auch bei der Wahl eines konventionell betriebenen Fahrzeugs von den jeweiligen Nutzungsgewohnheiten ab. Deshalb kann man diese Frage nicht so pauschal beantworten. Grundsätzlich liegt es auf der Hand, dass der batterie-elektrische Antrieb aufgrund der Reichweiten vor allem ideal für den Einsatz in der Stadt beziehungsweise im Umland geeignet ist. Künftig wird er aufgrund höherer Batteriekapazitäten und dem Aufbau einer Schnellladeinfrastruktur aber auch problemlos auf langen Strecken einsetzbar sein. Für die Langstrecke spielt auch die Brennstoffzellentechnologie ihre Vorteile aus. Sie sorgt für hohe Reichweiten und kurze Betankungszeiten und eignet sich ideal auch für größere Fahrzeuge inklusive Nutzfahrzeuge wie zum Beispiel Stadtbusse.
Beschaffung aktuell: Viele Fuhrparkleiter sind E-Autos gegenüber skeptisch, ob der geringen Reichweite und fehlenden Ladeinfrastrukturen. Was sind ihre Gegenargumente?
Jürgen Schenk: Eine flächendeckende Ladeinfrastruktur ist ein absolutes Kernthema für die Elektromobilität, insbesondere mit Blick auf unsere Fahrzeugpläne. Der Aufbau im öffentlichen Raum ist in vollem Gange. Was man ebenfalls bedenken muss: Ein nicht unerheblicher Teil unserer Kunden hat seinen eigenen Parkplatz, Garage, Carport oder Ähnliches. Wer in der Firma und zu Hause die Möglichkeit hat, sein E-Auto zu laden, kommt im Alltag in der Regel sehr gut zurecht. Hinzu kommt dann eben noch die öffentliche Infrastruktur – in Parkhäusern, an Supermärkten, in der Stadt und so weiter. Auch das Argument der recht langen Ladezeiten lässt sich entkräften. Zwar muss man sicherlich längere Standzeiten einkalkulieren, doch der Aufwand des Fahrers für das Kabelmanagement ist sehr überschaubar.
Beschaffung aktuell: Die deutschen Autobauer und Ford haben sich zusammengeschlossen und wollen bis 2020 Tausende neue Schnellladestationen bauen. Ist bei der Problematik der Ladeinfrastruktur auch die Politik mehr gefordert?
Jürgen Schenk: Das Wichtigste beim Aufbau der Ladeinfrastruktur ist, dass Elektroautos unabhängig von Hersteller und Standort überall aufgeladen werden können müssen. Insellösungen müssen vermieden werden. Daimler hat in den letzten Jahren gemeinsam mit vielen weiteren Partnern die Entwicklung des sogenannten Combined Charging Systems (CCS) vorangetrieben. Das Prinzip des CCS ist einfach: Ein Standard für alle – und das über Ländergrenzen hinweg. Die Einigung auf diesen Stecker-Standard vereinfacht entsprechend auch den Aufbau eines flächendeckenden Lade- und auch Schnellladenetzes. Dieser muss im engen Schulterschluss von Industrie und Politik passieren.
Beschaffung aktuell: Oftmals denken Fuhrparkleiter, dass E-Autos finanzielle Risiken bergen. Wie stehen Sie dazu?
Jürgen Schenk: Unter anderem mit Blick auf die Installation einer eigenen Ladeinfrastruktur ist E-Mobilität natürlich zunächst einmal eine Investition. Man sollte aber auch nicht außer Acht lassen, dass sich Elektrofahrzeuge durchaus auch heute schon finanziell rechnen können. Die Betriebskosten und die Wartungskosten von Elektrofahrzeugen sind günstiger als die von konventionellen Antrieben. Unsere Erfahrungen mit Batterien zeigen uns zudem, dass die Kapazität auf lange Sicht deutlich geringer abnimmt als wir das anfänglich erwartet hatten. Als Ergebnis daraus nutzen wir in unseren 2nd-Life-Batteriespeicherprojekten Systeme aus Fahrzeugen die bereits Ihre Laufleistungen erreicht haben. Weiterentwicklungen unserer Batterietechnologien und unseres speziellen Batteriemanagementsystems erlauben uns weitere Optimierungen.
Beschaffung aktuell: Wie schätzen Sie persönlich die Entwicklung und die Zukunft des E-Antriebes ein?
Jürgen Schenk: Das Interesse an Elektromobilität wächst zunehmend. Wir sind davon überzeugt, dass wir mit unseren neuen Fahrzeugmodellen und -technologien auch Kunden, die sich bisher nicht für ein Elektroauto entschieden haben, begeistern werden. Wir investieren massiv in die Elektromobilität und glauben, dass der Markt jetzt so weit ist. Schon 2025 planen wir allein im Pkw-Segment zehn rein batterieelektrische Modelle und das ist sicherlich noch lange nicht das Ende der Fahnenstange.
Beschaffung aktuell: Stichwort Batterietechnik. Wie sieht die Ökobilanz für E-Autos unter dem Strich aus?
Jürgen Schenk: Nachhaltigkeit steht für uns absolut im Fokus. Wir betrachten bei unseren Produkten von Anfang an den gesamten Lebenszyklus – von der Entwicklung über Produktion und Nutzung bis hin zur Entsorgung und Wiederverwertung. Wir erfassen für eine solche Ökobilanz alle Umweltwirkungen. So ergibt sich bei der Betrachtung der B-Klasse Electric Drive zum Beispiel insgesamt 24 Prozent weniger CO2-Ausstoß bei Verwendung des EU-Strom-Mix und sogar 64 Prozent weniger bei Nutzung von Strom aus Wasserkraft im Vergleich zum vergleichbar konventionellen Modell.
Beschaffung aktuell: Herr Schenk, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Alexander Gölz, Redakteur Beschaffung aktuell.
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