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Die Arbeitswelt der Zukunft: Wie sie sich die IG Metall vorstellt

Buchrezension
Die Arbeitswelt der Zukunft: Wie sie sich die IG Metall vorstellt

Die voranschreitende Digitalisierung der Wirtschaft hat zu einer lebhaften Diskussion über die Arbeitswelt der Zukunft geführt. Die Prognosen reichen von neuer Massenarbeitslosigkeit und immer mehr prekären Beschäftigungsverhältnissen bis zu einer neuen heilen und gerechten Arbeitswelt, in der es viel mehr Gewinner als Verlierer geben wird. Nun hat sich auch Detlef Wetzel kurz vor Ende seiner Amtszeit als Erster Vorsitzender der IG Metall zu Wort gemeldet und in gewisser Weise sein Vermächtnis dokumentiert.

Der ehemalige IG-Metall-Gewerkschaftschef Detlef Wetzel berichtet in seiner durchweg gut lesbaren Schrift über seine Expertengespräche zur Veränderung der Arbeitswelt. Die Gespräche führte er bei einer Reise durch die Republik insbesondere mit Betriebsräten. Wetzel besuchte themenspezifisch unterschiedliche Unternehmen, um mehr zu erfahren über den von den drei sich überlappenden Megatrends Digitalisierung, demografischer Wandel mit dem daraus resultierenden Fachkräftemangel sowie Beschleunigung der Wirtschaft ausgehenden gewaltigen Umbruch in der Arbeitswelt. In dessen Gestaltung müsse sich die IG Metall einbringen, ist seine feste Überzeugung. So verweist er darauf, dass die industrielle Produktion noch mehr als bisher automatisiert werde mit gravierenden Folgen für die Menschen, und dass neue Formen der Vernetzung, Integration und Arbeitsteilung zwischen Unternehmen entstehen würden. Infolge der Digitalisierung würden klassische Branchengrenzen verschwimmen, wodurch sich neue Wertschöpfungsketten herausbildeten, denen sich die IG Metall (mit neu definiertem Klientel) annehmen müsse.

Zukunft mit guter Arbeit
Vor dem Hintergrund der Veränderungen ist ein Kampf um die Deutungshoheit über die Arbeitswelt der Zukunft entbrannt, in dem die IG Metall eine Führungsrolle spielen möchte. Dazu dient auch das vorliegende Buch, mit dessen leider irreführendem Titel der Autor auf den 4.0-Hype, der heute für vieles herhalten muss, aufspringt. Nach der Lektüre muss man jedoch feststellen, dass dies wohl ein Teaser war, denn über die Arbeitswelt in Industrie 4.0 wird nicht viel Konkretes präsentiert. Stattdessen behandelt Wetzel die grundlegende Frage: Was muss Deutschland tun, damit die Zukunft nicht nur genug Arbeit, sondern vor allem genug gute Arbeit (im Sinne der Arbeitnehmer) bereithält?
Um zu ersten Antworten zu gelangen, hat Wetzel sich zu Orten begeben, an denen schon heute an „guten“ Lösungen für die Arbeitswelt von morgen gearbeitet wird. Die in den Gesprächen behandelten Themen seiner Reise waren vielfältig: Industrie 4.0, Aus- und Weiterbildung, Arbeitszeitpolitik, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, aber auch psychische Belastungen am Arbeitsplatz sowie Fragen der alterssensiblen Arbeitsplatzgestaltung.
Bei der durchweg lohnenden Lektüre gewinnt der Leser mehr oder weniger fundierte Einblicke. Leider ist das erste Kapitel über die Gestaltung von Industrie 4.0, das auf Gesprächen des Autors mit drei Professoren beruht, enttäuschend: Die Aussagen der Experten machen deutlich, dass es momentan mehr blumigen Diskurs zu Industrie 4.0 gibt als eine entsprechende Realität.
Dagegen sind die folgenden Kapitel aussagekräftiger. Eines davon widmet sich der Umsetzung des Tarifvertrages „Förderjahr“, der die Startchancen für förderbedürftige Jugendliche und (noch) nicht ausbildungsreife Schulabsolventen verbessern soll und dies – wie am Beispiel der Porsche AG dargelegt wird – auch tut. Hier werden in vorbildlicher Weise Schwache gestärkt und mit Erfolg zu wertvollen Teammitgliedern gemacht. Lesenswert sind auch die dokumentierten Gespräche zur betrieblichen Gesundheitspolitik, zur Stressminderung am Arbeitsplatz sowie die Überlegungen zu einer Arbeitszeitgestaltung, die eine Balance zwischen Arbeitsleben und Privatleben gestattet.
Fazit – ein Seite fehlt
Wetzel plädiert dafür, dass die Arbeitswelt besser und sozialer werden möge und den Beschäftigten mehr Mitgestaltungssouveränität geben müsse. Leider hat er nur mit den Arbeitnehmern und deren Vertretern, nicht jedoch mit Unternehmern und Betriebsleitern gesprochen. Das ist einseitig, denn in der Arbeitswelt gehören die Sichten der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber zusammen, damit Arbeit 4.0 die Perspektiven der Unternehmen und der Beschäftigten verbessert.
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