Startseite » Allgemein »

Globalisierung als Herausforderung

Automobilzulieferer
Globalisierung als Herausforderung

Die Automobilzulieferindustrie befindet sich derzeit in einem Umbruch. Die Stichworte lauten hier kürzer werdende Produktlebenszyklen, Vernetzung, globale Produktion und Preiswettbewerb sowie Zerstörung gewachsener Strukturen im Zulieferbereich. Doch eine intensive Entwicklungs- und Produktionspartnerschaft mit den Automobilherstellern sowie die Bildung von Zuliefernetzwerken eröffnen den Zulieferunternehmen auch neue Chancen im weltweiten Wettbewerb.

Die gravierenden Veränderungen der Hersteller-/Zulieferbeziehungen in der Automobilindustrie haben auch Auswirkungen auf die Einkaufsstrategien der Zukunft, auf die sich Hersteller wie Zulieferer gleichermaßen einstellen müssen. War es Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre besonders der Typus des knallharten Kostendrückers, der in der Person Ignacio López zu weltweiter Berühmtheit gelangte, so sind schon heute hierüber hinausgehende Einkaufsstrategien gefragt.

Rolle des Einkaufs
In der Praxis setzt sich heute die Erkenntnis durch, daß die zunehmende Bedeutung des Einkaufs für die betriebliche Wettbewerbsfähigkeit nach einem neuen Verständnis sowohl der Einkaufsfunktionen als auch der Abnehmer-Lieferanten-Beziehung verlangt. Einkaufskonzepte, die ausschließlich auf die Senkung von Materialkosten ausgerichtet waren, sind weitgehend ausgeschöpft. Der Einkauf hat sich vom bloßen Teile-Beschaffer zum Beschaffer komplexer Systemlösungen gewandelt, und zwar im direkten Wertschöpfungs- und Logistikverbund zwischen Abnehmern und Lieferanten. Auf der Handelsblatt-Konferenz „Automobilhersteller, Zulieferer und Händler als Wertschöpfungskette“, die anläßlich der IAA in Frankfurt stattfand, erläuterte Klaus-J. Atzler, Leiter Einkauf Karosserie bei der BMW AG, daß sich die Kompetenz des Einkaufs auf gesamte Projekte beziehe. „Die Kompetenz des Einkaufs erstreckt sich auf die Gestaltung von Produkt-, Wertschöpfungs- und Lieferantenstrukturen, auf die Produktgestaltung selbst und auf die Prozesse. Damit beeinflußt der Einkauf in hohem Maße Technik, Kosten, Qualität und Zeit für das Endprodukt“, so Atzler.
Global Sourcing
Eine große Herausforderung für die noch größtenteils mittelständisch geprägte Automobilzulieferbranche ist das Thema Global Sourcing. Schon heute ist es in vielen Märkten erforderlich vor Ort zu produzieren, um preislich konkurrenzfähig zu bleiben. Gerade für die deutsche Automobilindustrie bedeutet dies, verstärkt eigene Werke vor Ort aufzubauen. Dies gilt nicht nur für die Schwellenländer Lateinamerikas und Asiens. Diese Länder versuchen teilweise, ihre Märkte durch Importbeschränkungen wie Zölle abzuschotten. Selbst in gesättigten Märkten wie in Nordamerika sieht die deutsche Automobilindustrie Chancen, sich neue Wachstumsmöglichkeiten zu erschließen. Dieser Trend in der Automobilindustrie hat weitreichende Konsequenzen für die deutschen Zulieferer, die noch stark deutschland- und europaorientiert sind. Denn bestimmte Projekte werden nur an Zulieferunternehmen gegeben, die alle wichtigen Standorte der Welt beliefern können. Große Automobilzulieferer wie Bosch oder ZF-Friedrichshafen, die diese Investitionen leichter leisten können, sind in der deutschen Zulieferbranche die Ausnahme. Der Aufbau von Produktionsstätten im Ausland erfordert hohe Investitionen, die viele mittelständische Zulieferer nicht leisten können. Die meisten mittelständischen Zulieferunternehmen sind bislang außerdem nicht an der Börse notiert, so daß dieser Weg der Kapitalbeschaffung meist ebenfalls ausscheidet. Die Konsequenz sind Zusammenschlüsse, Fusionen oder Übernahmen von Automobilzulieferern, wie sie in diesem Jahr häufig durch die Presse gingen. So sind nach Angaben von Prof. Dr. Horst Wildemann von der TU München im ersten Halbjahr 1997 mehr als 10 deutsche Zulieferfirmen mit einem Umsatzvolumen von über 3 Mrd. DM von amerikanischen Unternehmen aufgekauft worden.
Chancen und Risiken
Andererseits bieten sich den deutschen Zulieferern bei einem Gang ins Ausland große Chancen. Denn die meisten deutschen Automobilhersteller setzten bei einem Gang ins Ausland zunächst auf ihre bewährten Zulieferer. Außerdem wird sich kaum ein Zulieferer dem Trend zur Internationalisierung entziehen können. Weltweite Präsenz bedeutet, daß auch konjunkturelle Schwankungen besser ausgeglichen werden können. Doch die Risiken sind für die Zulieferer sehr groß. Denn schon zog auf der Handelsblatt-Konferenz das Gespenst der weltweiten Überproduktion im Automobilbereich herauf. Die Gewinnmargen in der Branche sind außerdem ständig unter Druck, doch die Investitionen, die für die Innovationsfähigkeit erforderlich sind, bleiben sehr hoch. Außerdem sind Flops bei Produkteinführungen für die Hersteller zwar schlimm aber ein mehr oder minder kalkulierbares Risiko. Doch für einen mittelständischen Zulieferer können sie das Aus bedeuten.
Netzwerke von Zulieferern
Als einen Trend in der Automobilzulieferindustrie sieht Prof. Dr. Wildemann die Bildung von Netzwerken an; Netzwerke zwischen rechtlich und wirtschaftlich selbstständigen Zulieferunternehmen. Die Partner müssen zu diesem Zweck Kapital, Technologien, Know-how oder andere Vermögenswerte in die Kooperation einbringen. Ziel ist, die Innovations- und Wertschöpfungskette zu optimieren, um Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Ein Beispiel dafür ist die Ende Januar 1997 ins Leben gerufene Verbundinitiative Automobil (VIA). Sechs mittelständische Zulieferunternehmen in Nordrheinwestfalen schlossen sich zu dieser Kooperation zusammen. Bei den beteiligten Unternehmen handelt es sich um die Ewald Witte GmbH, Velbert, die Bär Elektrowerke GmbH & Co KG, Schalksmühle, die C.W. Hanebeck & Söhne GmbH, Iserlohn, die Gebr. Wasserloos GmbH, Velbert, die Lahme GmbH aus Kierspe sowie die Schrimpf & Schönebeck KG aus Hohenlimburg. Ziel dieser Kooperation ist es, über die eigenen Unternehmensgrenzen hinweg die Produktentstehungsprozesse von Schließsystemen für Automobile, von der Kundenanfrage bis zum Serienlauf aufeinander abzustimmen und zu straffen (s.a. Beschaffung Aktuell 4/1997, S. 8). Solche Netzwerke sind grundsätzlich in unterschiedlichen Bereichen denkbar. So können Zulieferfirmen bei Forschung und Entwicklung ebenso kooperieren, wie bei Produktion, Vertrieb, Distribution oder Entsorgung.
Einer der Trends die auf der Frankfurter Handelsblatt-Konferenz von allen Teilnehmern ausführlich diskutiert wurden, war die Entwicklungspartnerschaft. Hersteller können und müssen ihre eigenen Entwicklungs- und Einkaufsaktivitäten sehr früh mit ihren Zulieferern abstimmen. Durch Konzeptwettbewerbe und die gemeinsame Wertgestaltung kann der Wissensstand von Zulieferern zum frühest möglichen Zeitpunkt verbessert werden. Dies ist auch ein Grund, warum immer mehr Automobilhersteller sich mit ihren Zulieferern über Online-Netzwerke verbinden. So werden die drei amerikanischen Automobilhersteller GM, Ford und Chrysler bis Ende des Jahres ihr Automative Network Exchange fertiggestellt haben. Aber auch deutsche Hersteller wie BMW oder Mercedes haben bereits Online-Netzwerke mit ihren Zulieferern aufgebaut (Beschaffung aktuell, 10/1997, S. 12). Wichtige Ziele solcher Projekte sind ein besserer Informationsfluß zwischen Herstellern und Zulieferern sowie deren möglichst frühe und optimale Einbindung in neue Projekte. (wl)
Aktuelles Heft
Titelbild Beschaffung aktuell 5
Ausgabe
5.2024
PRINT
ABO

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de