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Hellmann’sche Arbeitswelten

Logistikdienstleister hat seine Zentrale in altem Getreidespeicher
Hellmann’sche Arbeitswelten

Gäbe es einen Wettbewerb für das schönste Bürogebäude in der Logistik, der Speicher 3 würde haushoch gewinnen. Aber die Osnabrücker Hauptverwaltung des Logistikdienstleisters Hellmann setzt mehr als einen Schöner-Arbeiten-Trend in stylischer Loft-Atmosphäre. Eine Führung durch die Arbeitswelt der Zukunft.

Klaus Hellmann leitet zusammen mit seinem Cousin Jost das Logistikunternehmen in der 4. Generation. Mit 2,86 Milliarden Euro Jahresumsatz gehört das Familienunternehmen zu den ganz großen Playern. Das Faible der Hellmänner für kreative Lösungen ist bekannt in der Branche, mit der Arbeitsorganisation im neuen Speicher 3 haben die Osnabrücker aber einen immer noch einmaligen Benchmark in der Logistik gesetzt. Ein ausgeprägtes Organisationstalent und Kreativität gehören in der Logistik zwar zum Berufsbild, geht es aber um die eigene Organisation, tickt die Branche eher traditionell. Innovative Formen der Zusammenarbeit und Designfragen bewegen sich irgendwo zwischen staubigen Gummibäumen und Glasvitrinen, Einzelbüros versus einer langen Reihe effizienter Großraumarbeitswelten, in denen sich immer gleiche Schreibtischmodule aneinanderreihen.

Ganz anders im Speicher 3. Auf den fast 5000 Quadratmetern des lichtdurchfluteten ehemaligen Getreidespeichers kommt Großraumfeeling gar nicht erst auf, obwohl es auch hier nur Außenwände gibt. Zusammen mit seinem Innenarchitekt Christian Kolde setzte Hellmann bei der Renovierung des alten Getreidespeichers von Anfang an auf Individualität. Kein Bereich gleicht dem anderen. Das Ambiente ist modern, offen, chic und wohnlich zugleich. Trotzdem oder vielleicht auch gerade deshalb sei das Konzept wie alles Neue anfangs hitzig diskutiert worden, gibt Hellmann zu. „Wir haben hier nämlich keine festen Plätze, jeder hat die freie Wahl, wohin er sich setzen möchte“, erzählt er auf dem Weg zu seinem Lieblingsplatz vor dem gigantischen Bild mit dem Clown. Wohlfühlzonen und Rückzugsmöglichkeiten mischen sich mit Businessbereichen, die Grenze zwischen Lebens- und Arbeitsraum verschwimmt. Die Büros, oder soll man Zimmer sagen, haben verschiedene Funktionen und sogar Namen. Das Bistro ist Empfang und Besprechungsbereich zugleich, das China-Zimmer scheint heiß begehrt zu sein, die Captains´ Corner und das gemütliche Kaminzimmer könnte man sich auch im eigenen Zuhause bestens vorstellen.
Unter dem Clown sitzt dann schon jemand anders. „Die Mitarbeiter machen sich einen Sport daraus. Ein Glück, dass ich Frühaufsteher bin“, lacht der Chef. Ein Problem scheint er damit nicht zu haben, dann geht er eben ins Bistro.
Gut besucht. Typisch! Da ist sie wieder, die Schere im Kopf. „Zu allererst muss man sich bei unserem Konzept das Gefühl abgewöhnen, dass sich die drei Leute an der Bar einen schönen Lenz machen. So sehen bei uns Besprechungen aus,“ sagt Hellmann. Besprechungskultur bedeute Kommunikation – auf den Treppen, im Bistro, Hauptsache im persönlichen Gespräch. Da sei es auch normal, dass Personaler, Controller, IT-Entwickler mit dem Produktmanager für die Stückgutkooperation System Alliance eben mal ein paar Tage oder Wochen zusammensitzen, um ein neues Projekt auf die Beine zu stellen, anstatt ständig Meetings zu organisieren oder Hunderte von E-Mails zu schreiben. Beides hat tatsächlich deutlich abgenommen, weist eine Statistik aus. Man kann nur erahnen, wie viel mehr an Produktivität das bringt. Es dürfte um einiges mehr sein, als die Einsparung von ein paar Quadratmetern.
Trotz Wohlfühl-Ambiente besteht kein Zweifel darüber, dass hier konzentriert gearbeitet wird. In Spitzenzeiten sind rund 280 Menschen im Gebäude. Wie viel der Speicher maximal verträgt, weiß keiner so genau. „Wir sind an der Grenze, wenn es zu laut wird“, meint der Hausherr. Für den Fall ist heute schon vorgesorgt. Überall finden sich Lösungen. Sessel mit ein Meter langen Ohrenbacken, die den Ton abschalten, sobald man sich setzt. Schalldichte, gläserne Denkzellen oder die Bibliothek, in der schon ein Flüstern als Sakrileg betrachtet wird.
„Eine Organisation kann man nicht durch ein Gebäude erzwingen, das Gebäude muss den Menschen entgegenkommen“, sagt Hellmann. Und so stecken am Ende neben Erdwärme, Gründach und einer Schöner-Wohnen-Ausstattung jede Menge Psychologie und Menschenkenntnis im Speicher 3. Nirgendwo läuft man gegen eine Wand oder in eine Sackgasse, was Menschen in die Enge treiben würde, immer zweigt eine Treppe oder ein Gang ab. Farb- und Lichtkonzepte wechseln fast unmerklich, ein in den Boden versenkter Hörsaal sieht so aus, als könne er diejenigen, die dort zur Schulung sitzen, automatisch in einen aufnahmefähigen Studiermodus versetzen. Das Museum erzählt Geschichten aus der Vergangenheit der Logistik und der Chef so manche Hellmann-Anekdote dazu. Zufällig habe man beispielsweise vor einem Jahr das alte 50er-Jahre Büro seines Vaters in einer Osnabrücker Discothek wiederentdeckt, die Räumlichkeiten waren einst Sitz des Unternehmens Hellmann. Keine Frage, dass man es ausgebaut, renoviert und im Speicher eingebaut hat.
Auch die anderorts büroüblichen Papierberge fehlen gänzlich, ein nicht ganz unwesentlicher Baustein der Hellmann´schen Arbeitswelt. Die Standardausstattung eines Mitarbeiters besteht aus Laptop, Headset für Internettelefon, zwei Schütten für Papier, was dem Traum vom papierlosen, mobilen Büro schon ziemlich nahekommt. Alles wird hier digitalisiert und archiviert: Post, Literatur, Präsentationen. Aber weil es auch im digitalen Zeitalter nicht ganz ohne geht, gibt es ein Multifunktionsgerät pro Etage.
Lerneffekte sind in einem solchen Konzept völlig normal, dann wird eben nochmal nachgedacht. „Captains Corner wurde anfangs zum Beispiel nicht angenommen“, erzählt der Chef, „der Raum war unser ganzer Stolz und keiner wollte dort sitzen, weil er zu steril war“. Drei antike Bilder an der Wand, weniger grelles Licht und seither liefert sich die „dunkle“ Captains Corner mit dem Bistro ein Kopf an Kopf-Rennen um den beliebtesten Platz im Speicher 3.
Dagegen hätte man jede Wette gehalten und verloren, dass in der belebten Bistro-Vorzone schon allein wegen der Lautstärke niemand sitzen möchte. Auch hier kam es anders. „Um Produktivität, Kommunikation und Kreativität zu fördern, braucht es mehr als neue Möbel. Das heißt eben auch, die Menschen mitzunehmen. Deshalb ist Führung bei uns Chefsache,“ sagt Klaus Hellmann. Meine ist noch nicht ganz zu Ende. In der Speicherbar läuft gerade eine After Work Party an.
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