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Machen oder machen lassen

Was Einkäufer über das Outsourcing von Logistikleistungen wissen müssen
Machen oder machen lassen

Entwicklung, Produktion, Dienstleistung, Logistik – alles kann nach außen vergeben werden. Strategische und juristische Aspekte sollten aber vorher bedacht werden.

Manchmal muss man sich auf das Wesentliche konzentrieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Und die richtigen Partner finden, die den Rest erledigen. Für ein Unternehmen kann es Sinn machen, sich auf seine Kernaktivitäten zu beschränken und Bereiche wie Produktion, Entwicklung oder auch Logistik auf spezialisierte Betriebe auszulagern. So lassen sich Kosten sparen, beispielsweise für Personal, Lagerflächen, Produktionsstätten, Maschinen und Fahrzeuge. Schlüsselkompetenzen sollten jedoch nicht aufgegeben werden, um nicht in die Abhängigkeit der zuarbeitenden Unternehmen zu geraten.

Vorteile und Risiken. „Das Verschlanken der eigenen Organisationsstruktur und die Konzentration auf Kernkompetenzen sind die augenfälligsten Vorteile von Outsourcingprozessen“, sagt Dr. Johannes Söllner, Chef des Logistikdienstleisters Geis in Nürnberg. „Aber auch die Nutzung von Know-how und Synergien bei spezialisierten externen Partnern, die Variabilisierung von Fixkosten und die Möglichkeit der Übertragung von Investitionen stellen erwägenswerte Vorteile dar.“ Deshalb sollte sich jeder Mitarbeiter in Einkauf und Beschaffung regelmäßig die Frage des „make or buy“ stellen. Dies bedeutet, dass sich der Einkauf auch mit der Wettbewerbssituation befassen und eigene betriebliche Prozesse wie zum Beispiel die Logistik auf den Prüfstand stellen muss. „Es ist sicher nicht immer notwendig, dass ein Unternehmen einen eigenen Werksfuhrpark unterhält, wenn dies nicht zum Kerngeschäft gehört. Hier kann man sich der spezialisierten Dienstleistung eines Logistikunternehmens bedienen, das durch eigene Netzwerke zum Kundennutzen beiträgt“, sagt Rechtsanwalt Lutz Färber, der schon viele Ausgliederungen begleitet hat. „Auch eigene, selbst bewirtschaftete Warehouses, Versandabteilungen, Verladungen und Kommissionierungen muss man nicht zwingend in Eigenregie betreiben – dies kann ein Logistikspezialist in vielen Fällen besser, schneller und günstiger als das Produktions- oder Handelsunternehmen selbst.“
Was verlockend klingt, birgt aber auch Risiken, die man sich vor der Vergabe gut überlegen sollte. Für den Einkauf ist der Aufwand durch Marktscan, Ausschreibung, Vertragsgestaltung und Aufbau eines Controlling enorm. Auch können zusätzliche Schnittstellenkosten entstehen, die nicht durch die Vorteile des Outsourcing kompensiert werden. Geis-Chef Söllner kennt noch weitere Nachteile: „Know-how-Verlust in der eigenen Firma, soweit kein fachlich qualifiziertes Team zur Steuerung des Outsourcings im Haus behalten wird und das Risiko hinsichtlich der Qualität des Vertragspartners und der Ergebnisqualität gegenüber dem Kunden.“
Bereits bei der Ausschreibung sollte der Einkäufer darauf achten, dass die Vorgaben auch aus der Sicht des Dienstleisters machbar sind. Nur so kann langfristig eine vertrauensvolle Zusammenarbeit gedeihen. Schwierig wird es, wenn Unternehmen bei der Ausschreibung sogleich (knebelnde) Allgemeine Geschäftsbedingungen zur Bedingung machen. „Unterschreibt der Dienstleister einen solchen Vertrag oder auch Vorvertrag, geht er ein erhebliches Risiko ein – unterschreibt er nicht, kommt ein unter Umständen sowohl für den Dienstleister als auch für den Outsourcinggeber erfolgversprechendes Geschäft gar nicht erst zustande“, sagt Prof. Dr. Stephan Freichel von der FH Köln, früher selbst in führenden Positionen auf beiden Seiten bei General Motors, Merck, ZF und Logwin. Stur nach juristischen „Standardvorgaben“ arbeitende Einkäufer könnten sich damit der Möglichkeit berauben, gute Dienstleister auf die Short List zu bringen und als Partner zu gewinnen.
Haftung. Eine Frage steht bei den Vertragsverhandlungen oft im Fokus: die Haftung. Betreibt ein Unternehmen seine logistischen Prozesse selbst, so trägt es auch die Kosten für Fehler, Beschädigungen, Verluste und Schlechtleistungen. Diese können teilweise versichert werden, im Wiederholungsfalle fallen jedoch höhere Prämien an. „Outsourcing ermöglicht, die Haftung auf den Outsourcing-Partner zu übertragen, da ihm ja auch die Pflicht der Qualitätssicherung obliegt“, so Geis-Chef Söllner. Spannend wird es bei dem Umfang der Haftung, dem Nachweis des Verschuldens und der Höchsthaftungssumme. „Die Deckelung der Haftung auf Maximalbeträge begründet der Vertragspartner damit, dass er im Rahmen der Vertragslaufzeit und der vereinbarten Umsätze und Gewinnmargen eine betriebswirtschaftliche Verhältnismäßigkeit zwischen den möglichen Haftungssummen und den möglichen Erträgen aus dem Geschäft herstellen muss“, so Söllner. Bei den Vertragspartnern bestehe stets der Wunsch, nur solche Fehler verantworten und ausgleichen zu müssen, die ihnen ursächlich zuzurechnen sind – was in der Praxis nicht immer eindeutig festzustellen ist. „Solide arbeitende Dienstleister können nur soweit haften, wie sie auch versichert sind – das wird auf der anderen Seite oft völlig falsch eingeschätzt“, betont Distributionslogistiker Freichel und fordert mehr Dialogbereitschaft und Kooperationsfähigkeit auf beiden Seiten ein.
Betriebsübergang. Das Stichwort „Achtung, Betriebsübergang!“ fällt früher oder später bei allen Outsourcing-Überlegungen. Der gefürchtete Paragraf zum Betriebsübergang, § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), bestimmt, dass der Erwerber eines Betriebes oder Betriebsteils bestehende Arbeitsverhältnisse, also Mitarbeiter, mitübernimmt, mit allen Rechten und Pflichten und sogar mit den für sie geltenden Betriebsvereinbarungen. Die Vorschrift, die Arbeitnehmer bei Ausgliederungen schützen soll, stellt aus Unternehmenssicht das zentrale Risiko des Outsourcing dar. Denn der Dienstleister will möglichst mit seinem Personal arbeiten, nach seinem Lohnniveau zahlen und nur seine Betriebsvereinbarungen gelten lassen. Kündigungen sind jedoch im Rahmen eines Betriebsübergangs unwirksam.
„Obgleich § 613a vorschreibt, dass nur im ersten Jahr alle Ansprüche der Mitarbeiter unverändert fortgeführt werden müssen, insbesondere die bestehende Entlohnung, ist es ein Irrglaube, dass ab dem zweiten Jahr nach Betriebsübergang das Lohn- und Gehaltsniveau einfach abgesenkt werden kann“, sagt Logistikexperte Söllner. „Es gelten hier die gleichen arbeitsrechtlichen Grundsätze wie bei allen anderen Arbeitsverhältnissen auch, das heißt bei einer veränderten Entlohnung bedarf es einer begründeten Änderungskündigung – die ist in den seltensten Fällen sinnvoll und möglich.“ Einem Betriebsübergang können die betroffenen Mitarbeiter nach Absatz 5 des § 613a innerhalb eines Monats widersprechen; sind sie nicht rechtzeitig und umfassend über die Maßnahme informiert worden, sogar noch viel länger. Die Arbeitsgerichte beurteilen jeden Fall individuell, sodass es keine festen Kriterien für einen Betriebsübergang gibt. Aber Indizien. „Gehen beim Übergang einer betrieblichen Einheit nur Funktionen ohne Betriebsmittel über, so ist von entscheidender Bedeutung, ob die Funktionen in ihrer ursprünglichen Ausprägung oder nur in Teilen übergehen, ob sie in andere Abläufe bei dem Partner integriert werden oder als Einzellösung bestehen bleiben“, so Söllner. Droht bei einer Outsourcingmaßnahme ein solches Szenario, ist der Einkaufsabteilung zu raten, sich professionellen Rat einzuholen und zusammen mit Betriebsrat, Personalabteilung und dem Dienstleistungspartner eine Gesamtlösung zu erarbeiten.

Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang

§ 613a BGB

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein.
(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam.
(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen.
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